Der neue § 6b UStG - 29. Oktober 2020

Ein neues Bürokratiemonster?

Zu Beginn dieses Jahres sind in Deutschland neue Gesetze in Kraft getreten, die der Besteuerung von Umsätzen über Konsignationslager dienen, aber zu einem enormen verwaltungstechnischen Aufwand für die Unternehmen führen.

Im Rahmen der auf Ebene der Europäischen Union beschlossenen sogenannten Quick-Fixes-Maßnahmen, bei denen es sich um schnelle Lösungen beziehungsweise schnelle Verbesserungen für Unternehmer innerhalb der EU bei ihren grenzüberschreitenden Umsätzen handelt, hat Deutschland diese Maßnahmen durch den neuen § 6b Umsatzsteuergesetz (UStG) vollzogen, wobei dessen gesetzliche Anwendung seit dem 1. Januar 2020 gilt. Dabei ist die zentrale Vorschrift nach den unionsrechtlichen Vorgaben die Vorschrift des Art. 17a der Mehrwertsteuersystem-Richtlinie (MwStSystRL).

Gesetzliche Konzeption

Zu beachten ist, dass § 6b UStG lediglich für die Fälle von Warenlieferungen innerhalb der EU gilt. Die Fälle mit Warenlieferungen aus den Drittländern in die EU oder in Drittländer aus der EU sind von der Anwendbarkeit des § 6b UStG ausgeschlossen. Bei der Warenlieferung aus einem Drittland nach Deutschland bleibt es daher zumindest nach deutscher Auffassung bei der umsatzsteuerlichen Registrierung des Unternehmers aus dem Drittland in Deutschland. Selbst wenn sämtliche EU-Länder aufgrund der beschlossenen Quick-Fixes-Maßnahmen verpflichtet waren, die Regelungen von Warenlieferungen über Konsignationslager im nationalen Umsatzsteuerrecht bis zum 31. Dezember 2019 zu vollziehen, sind nicht alle EU-Länder dieser Verpflichtung rechtzeitig nachgekommen. Daher sollte man bei einer Warenlieferung von Deutschland in ein anderes EU-Land die umsatzsteuerliche Behandlung der Umsätze über Konsignationslager im Bestimmungsmitgliedstaat klären. Nach § 6b UStG löst die grenzüberschreitende Warenlieferung zwischen den EU-Mitgliedstaaten einen umsatzsteuerlichen Tatbestand aus. Aber erst, wenn die Voraussetzungen des § 6b Abs. 1 UStG kumulativ vorliegen, wird der umsatzsteuerliche Tatbestand ausgelöst. Die Voraussetzungen des § 6b Abs. 1 UStG sind erst dann kumulativ erfüllt, wenn

  • der Gegenstand in ein Konsignationslager in einem anderen EU-Mitgliedstaat verbracht wird, um ihn anschließend an einen anderen Erwerber (Abnehmer) zu liefern,
  • der Unternehmer (Lieferant) weder ansässig, ist noch eine Betriebsstätte im Bestimmungsmitgliedstaat begründet, in den der Gegenstand transportiert wird,
  • dem Unternehmer (Lieferant) bereits zum Zeitpunkt der Versendung oder der Beförderung des Gegenstands die Identität und die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (USt-IdNr.) des Erwerbers (Abnehmer) bekannt ist,
  • der Erwerber (Abnehmer) gegenüber dem Unternehmer (Lieferant) seine USt-IdNr. aus dem Bestimmungsmitgliedstaat verwendet,
  • der Unternehmer (Lieferant) die Lieferung des Gegenstands aufzeichnet und die Zusammenfassende Meldung abgibt sowie
  • der Gegenstand innerhalb von zwölf Monaten nach Einlagerung in das Konsignationslager vom Erwerber (Abnehmer) entnommen wird.

Liegen die genannten Voraussetzungen des § 6b Abs. 1 UStG kumulativ vor, führt dies dazu, dass die innergemeinschaftliche Lieferung durch den Unternehmer (Lieferant) sowie der innergemeinschaftliche Erwerb durch den Erwerber (Abnehmer), und zwar erst im Zeitpunkt der Warenentnahme aus dem Konsignationslager erfolgen. In diesem Fall muss sich der Unternehmer (Lieferant) nicht mehr im Bestimmungsmitgliedstaat, wo sich das Konsignationslager befindet, umsatzsteuerlich registrieren lassen. Die Sicht der Finanzverwaltung mit Blick auf die Behandlung der Warenlieferungen in und aus Konsignationslagern lässt sich an einer Verfügung der Oberfinanzdirektion (OFD) Frankfurt am Main ablesen, die allerdings den Stand aus dem Jahr 2018 widerspiegelt und damit noch vor der gesetzlichen Umsetzung im Jahr 2020 erfolgte (vgl. OFD Frankfurt am Main vom 08.11.2018 – S 7100a A – 004 – St 110).

Praxisrelevanz

An dem nachfolgenden Beispiel zwischen Deutschland und Frankreich lässt sich die grenzüberschreitende Warenlieferung über Konsignationslager wie folgt darstellen: Ein deutscher Unternehmer, etwa aus der Chemie- oder Automobilbranche, versendet oder befördert eine Ware in ein Konsignationslager (im Regelfall in sein eigenes in Frankreich gelegenes Konsignationslager), um diese Ware anschließend nach der Einlagerung an einen lokalen französischen Erwerber (Kunden) innerhalb von zwölf Monaten zu veräußern. In diesem Ausgangsfall ist unter den Voraussetzungen des § 6b Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 UStG eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung (erst zum Zeitpunkt der Entnahme der Ware aus dem Konsignationslager) von Deutschland nach Frankreich möglich, ohne dass sich der deutsche Unternehmer in Frankreich für umsatzsteuerliche Zwecke registrieren lassen muss. Korrespondierend muss der französische Erwerber auf der Eingangsseite den innergemeinschaftlichen Erwerb in Frankreich umsatzsteuerlich erklären. Selbstverständlich gilt auch hier die Grundregel, dass Frankreich das EU-Recht bezüglich der Konsignationslagerung entsprechend der Vorgaben in Art. 17a MwStSystRL ins französische Umsatzsteuergesetz umzusetzen hatte. Dies muss unbedingt vor der Warenlieferung über Konsignationslager von Deutschland in Frankreich mit den französischen Steuerbehörden beziehungsweise -fachleuten geklärt werden. Zu beachten ist, dass dieser Ausgangsfall im deutschen UStG (§ 6b Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 UStG) gesetzlich definiert ist und damit in Deutschland zur Anwendung kommt.

Im umgekehrten Fall ist das grenzüberschreitende innergemeinschaftliche Verbringen der eigenen Ware eines französischen Unternehmers (Lieferant) von Frankreich in sein eigenes Konsignationslager in Deutschland, um diese Ware anschließend nach der Einlagerung an einen deutschen lokalen Erwerber (Kunden) zu verkaufen, als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung (vom französischen Unternehmer) an den deutschen Erwerber, und zwar erst im Zeitpunkt der Entnahme der Ware aus dem Konsignationslager in Deutschland anzusehen. Zu beachten ist, dass auch dieser Eingangsfall im deutschen UStG (§ 6b Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 UStG) gesetzlich definiert ist und damit in Deutschland zur Anwendung kommt. Im Eingangsfall erhält der deutsche Erwerber (Kunde) eine Rechnung ohne deutsche Umsatzsteuer, muss aber auf der Eingangsseite beachten, dass er korrespondierend den innergemeinschaftlichen Erwerb in Deutschland zu erklären hat. Sofern § 6b UStG nicht zur Anwendung kommen soll, erhält der deutsche Erwerber (Kunde) eine Rechnung mit deutscher Umsatzsteuer oder eine Gutschrift.

Aufzeichnungs- und Meldepflichten

Sowohl im Ausgangsfall als auch im Eingangsfall sind sogenannte Aufzeichnungs- und Meldepflichten für den Lieferer in § 22 Abs. 4f UStG sowie für den Abnehmer in § 22 Abs. 4g UStG geregelt. Das UStG deckt daher diese Aufzeichnungs- und Meldepflichten sowohl auf der Ausgangsseite nach § 22 Abs. 4f UStG, etwa eine Warenlieferung von Deutschland nach Frankreich, als auch auf der Eingangsseite nach § 22 Abs. 4g UStG, beispielsweise eine Warenlieferung von Frankreich nach Deutschland. Diese Aufzeichnungs- und Meldepflichten sind sehr komplex, steuerrechtlich weit überzogen und schießen über das Ziel hinaus. Allein in § 22 Abs. 4f UStG gibt es 14 Angaben, die alle von dem jeweiligen Lieferer erfüllt werden müssen, um in den Genuss einer steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferung nach § 6b Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 UStG zu gelangen. Dies führt zu einem zusätzlichen Verwaltungsaufwand aufseiten der Unternehmer.

Erwerberwechsel

§ 6b Abs. 5 Nr. 1 bis Nr. 3 UStG lässt grundsätzlich einen Erwerberwechsel innerhalb von zwölf Monaten zu. Allerdings sind Anforderungen für die steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung streng und setzen voraus, dass

  • der Erwerber seine USt-IdNr. aus dem Bestimmungsmitgliedstaat gegenüber dem Lieferer verwendet,
  • der Erwerber vor dem Verkauf der Ware an den Lieferer bekannt ist (vollständige Name und vollständige Anschrift) und
  • der Lieferer den Erwerberwechsel nach § 22 Abs. 4f UStG aufzeichnet.

Sollte die Ware nicht innerhalb von zwölf Monaten nach dem Ende der Lieferung (nach der Einlagerung) an den ursprünglich vorgesehenen oder neuen Erwerber geliefert werden, ist in § 6b Abs. 3 UStG geregelt, dass in diesem Fall ein innergemeinschaftliches Verbringen durch den Lieferer nach § 6a Abs. 1 Satz 2 UStG in Verbindung mit § 3 Abs. 1a UStG anzunehmen ist. Dies führt im Umkehrschluss und mangels expliziter Regelung in § 6b Abs. 2 Nr. 1 UStG des gleichgestellten Verbringens dazu, dass dieses Verbringen nicht wie eine innergemeinschaftliche Lieferung nach § 6a Abs. 2 UStG nach dem Ablauf von zwölf Monaten als steuerfrei gilt. Dies wird auch dadurch deutlich, dass der Lieferer nach dem Ablauf von zwölf Monaten nach § 6b Abs. 1, Abs. 2 UStG im Rahmen dieses Gesetzes nicht mehr geschützt ist und er im Bestimmungsmitgliedstaat, in dem sich nun sein Konsignationslager befindet, umsatzsteuerlich nicht registriert ist.

Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs

Der Bundesfinanzhof hat im Jahr 2016 im Zusammenhang mit den Lieferungen über Konsignationslagerungen zwei Entscheidungen dahingehend gefällt, dass Lieferungen aus dem EU-Ausland an einen inländischen Abnehmer auch dann als Versendungslieferungen im Sinne von § 3 Abs. 6 S. 1 UStG zu beurteilen seien, wenn der Liefergegenstand nach dem Beginn der Versendung für kurze Zeit (für einige Tage oder Wochen) in einem Auslieferungslager gelagert werde. Voraussetzung sei aber, dass der Abnehmer bereits bei Beginn der Versendung feststehe. Hiervon solle auszugehen sein, wenn der Abnehmer die Ware bei Beginn der Beförderung oder Versendung bereits verbindlich bestellt oder bezahlt habe (vgl. BFH-Urteile vom 20.10.2016 – V R 31/15 und vom 16.11.2016 – V R 1/16, BStBl. 2017 II S. 1076). Zu beachten ist, dass die Finanzverwaltung diese BFH-Rechtsprechung ebenfalls im Umsatzsteuer-Anwendungserlass (UStAE) übernommen hat (vgl. Abschnitt 3.12 Abs. 3 S. 8 UStAE und Abschnitt 1a. 2 Abs. 6 Satz 4 bis 9 UStAE; BMF vom 10.10.2017 III C 3-S 7103-a/15/10001, BStBl. 2017 I S. 1442 und BMF vom 31.10.2018 III C 3-S 7103-a/15/10001, BStBl. 2018 I S. 1203). Unter Berücksichtigung der Einführung des § 6b UStG soll meines Erachtens die oben genannte BFH-Rechtsprechung weiterhin gelten, allerdings unter den Bedingungen des § 6b UStG, dass die Ware erst ins Konsignationslager (auch für kurze Zeit) gelagert und anschließend diesem Lager entnommen wird. Es sind keine rechtlich nachvollziehbaren Gründe ersichtlich, dies anders zu beurteilen, denn dadurch wird die BFH-Rechtsprechung mit dem nun geltenden Gesetz des § 6b UStG in Einklang gebracht.

Angaben in der Zusammenfassenden Meldung

Wegen der Einfügung des § 6b UStG wurde ebenfalls § 18a UStG (Zusammenfassende Meldung) mit Wirkung ab dem 1. Januar 2020 geändert. Das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) hat daher die Meldepflicht nach § 18a Abs. 1 Satz 1, Abs. 6 Nr. 3, Abs. 7 Satz 1 Nr. 2a UStG gesetzlich verankert. Damit kann die Meldung über ausgeführte Beförderungen oder Versendungen im Sinne des § 6b Abs. 1 Nr. 4 UStG (Konsignationslagerregelung) vom Unternehmer (Lieferer) abgegeben werden.

Diese Meldepflicht betrifft allerdings nur den Ausgangsfall und damit Unternehmer, die von Deutschland Waren in einen anderen EU-Mitgliedstaat befördern oder versenden und diese Waren dort lokal an den Erwerber (Kunden) nach der eingelagerten Entnahme aus dem Konsignationslager verkaufen. Aus organisatorischen Gründen ist es übergangsweise jedoch nicht möglich, dass Unternehmer, die die Konsignationslagerregelung nach § 6b UStG in Anspruch nehmen, die hierfür erforderlichen Angaben (§ 18a Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Abs. 6 Nr. 3 und Abs. 7 Satz 1 Nr. 2a UStG) im Rahmen des bestehenden Verfahrens zur Abgabe der Zusammenfassenden Meldungen nach § 18a UStG vornehmen können (vgl. BMF Schreiben vom 28.01.2020 – III C 5 – S 7427-b/19/10001:002).

Zur Erfüllung der bestehenden Meldepflichten und damit auch zur Erfüllung der Voraussetzung nach § 6b Abs. 1 Nr. 4 UStG ist es daher erforderlich, dass die betreffenden Unternehmer für Meldezeiträume nach dem 31. Dezember 2019 bei Vorliegen entsprechender Tatbestände eine Meldung über Beförderungen oder Versendungen im Sinne des § 6b Abs. 1 Nr. 4 UStG an das BZSt gesondert übermitteln. Der für die Meldung über Beförderungen oder Versendungen im Sinne des § 6b Abs. 1 UStG zu verwendende Vordruck ist auf dem Formularserver der Bundesfinanzverwaltung bereitgestellt. Die erforderlichen Angaben können direkt online in den Vordruck eingegeben und übermittelt werden. Soweit erforderlich, kann der Vordruck nach entsprechendem Download auch offline ausgefüllt werden und auf einem sicheren Übertragungsweg an das DE-Mail-Postfach des BZSt übermittelt werden. Das BZSt erteilt eine Bestätigung über die Übermittlung der Meldung. Bei Nutzung des Online-Vordrucks wird diese mittels einer Übermittlungsbestätigung direkt am Bildschirm angezeigt. Bei Übermittlung über DE-Mail wird die Bestätigung an das DE-Mail-Postfach des Absenders gesendet.

Fazit und Empfehlungen

Erfreulich ist, dass der Gesetzgeber durch § 6b UStG die Konsignationslager nun umsatzsteuerlich geregelt hat. Auf der anderen Seite ist für deutsche Unternehmer durch die Aufzeichnungs- und Meldepflichten nach §§ 18a, 22 Abs. 4f, Abs. 4g UStG ein enormer verwaltungstechnischer Aufwand entstanden. Den Unternehmern ist zu empfehlen, die bestehenden Konsignationslagerverträge der umsatzsteuerrechtlichen Prüfung unter Berücksichtigung der neuen Regelung zu unterziehen, wenn es bei diesen Verträgen zur Anwendung des neuen § 6b UStG kommen soll.

Mehr dazu

• Kompaktwissen für Berater Im- und Exportbranche, Art.-Nr. 35730

• Kompaktwissen für Berater Reihengeschäfte im Umsatzsteuerrecht, 2. Auflage, Art.-Nr. 35733

• Aktuelle Änderungen im Umsatzsteuergesetz, Art.-Nr. 32416

Zum Autor

Konstantin Weber

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Steuerrecht, Inhaber der WEBER RECHT & STEUERN Kanzlei mit Standorten in Karlsruhe und Baden-Baden; Seine Tätigkeitsschwerpunkte sind Umsatzsteuerrecht, Steuerstrafrecht und Steuerstreitrecht (Einspruchs- und Finanzgerichtsverfahren)

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