Unternehmensübertragungen sind ein sehr komplexes und arbeitsintensives Betätigungsfeld. Für steuerliche Berater bietet sich hier jedoch die Möglichkeit, sich jenseits der klassischen Kernkompetenzen zu positionieren.
M&A-Projekte sind komplexe, finanzielle Transaktionen. M&A ist die englische Abkürzung für Mergers & Acquisitions, also übersetzt: Fusionen und Übernahmen. In Deutschland werden darunter neben klassischen Unternehmenskäufen und -verkäufen regelmäßig auch Unternehmensnachfolgen, der Verkauf von Unternehmensbeteiligungen und Sonderformen, wie die Beteiligung des bestehenden Managements (Management-Buy-out) oder eines neuen Managements (Management-Buy-in), gefasst.
Verkauf von Familienunternehmen
Inhabergeführte Familienunternehmen haben die Wirtschaft in Deutschland groß gemacht. Diese Unternehmen stehen für Verlässlichkeit, Nachhaltigkeit und generationenübergreifendes Handeln. Allerdings werden sich in den kommenden Jahren zwangsläufig zahlreiche Unternehmensnachfolgen ergeben. Allzu oft sind diese Unternehmen beziehungsweise Mandantinnen und Mandanten – im M&A-Kontext wird das zum Verkauf stehende Unternehmen dabei regelmäßig als Zielgesellschaft bezeichnet – hierauf aber nur unzureichend vorbereitet. Umso wichtiger ist die fachliche Spezialisierung des Beraters an dieser Stelle. Und hier kommt der Steuerberater als erster fachlicher Begleiter und engster Vertrauter des Unternehmers beziehungsweise der Zielgesellschaft im Rahmen einer speziellen betriebswirtschaftlichen Beratung ins Spiel.
Ablauf von M&A-Transaktionen
Grundsätzlich sind M&A-Transaktionen komplex. Eine Standardisierung hinsichtlich eines zeitlichen und fachlichen Ablaufs sowie einer idealtypischen Abfolge ist kaum möglich. Jeder Einzelfall erfordert seine eigene Begleitung. Jeder Fall ist sozusagen ein Maßanzug. In der Praxis kann bei M&A-Transaktionen grundsätzlich und üblicherweise jedoch zwischen exklusiven Verhandlungen und sogenannten strukturierten Bieterprozessen unterschieden werden. Ein Überblick der beiden Transaktionsabläufe ist in der Grafik auf der folgenden Seite dargestellt.
Exklusive Verhandlungen
Exklusive Verhandlungen beschreiben eine Verhandlung im Idealfall mit nur einem Interessenten, dem idealtypischen Erwerber, dem gegebenenfalls ein exklusiver und vertraulicher Status eingeräumt wird. Exklusiv ist dabei aber nicht gleich exklusiv. So kann dem Verhandlungspartner eine Verhandlungsexklusivität – keine Verhandlung mit anderen Parteien oder Interessenten – oder eine Abschlussexklusivität – kein Abschluss mit einer anderen Partei oder Varianten davon – zugesagt werden. Exklusive Verhandlungen sind intensiver und versprechen einem potenziellen Käufer oft eine höhere Transaktionssicherheit. Nach der Bestimmung des idealtypischen Erwerbers werden wesentliche Transaktionsparameter, speziell ein vorläufiger Kaufpreis, meist in einer Absichtserklärung, dem sogenannten Letter of Intent (LoI) gefasst. Neben dem Begriff LoI finden sich in der Praxis auch immer Varianten von Begriffen, wie Term Sheet (TS) oder Memorandum of Understanding (MoU). Auch wenn diese Dokumente keine rechtliche Bindungswirkung entfalten sollten, sind ihre psychologischen Bindungswirkungen im Sinne eines moralischen Vorvertrags der Parteien nicht zu vernachlässigen.
Unternehmensbewertung
Da eine M&A-Transaktion eine wichtige, wenn nicht sogar die wichtigste, Transaktion im Lebenszyklus eines Unternehmens beziehungsweise für dessen Inhaber ist, sollte die Transaktion selbstverständlich gut vorbereitet sein. Im Markt haben sich hier standardisierte Instrumente etabliert, die einem potenziellen Erwerber den Einstieg und die Beurteilung der Zielgesellschaft zu Chancen und Risiken vereinfachen sollen. Hierzu gehört natürlich explizit auch eine eigene Unternehmensbewertung beziehungsweise die Beurteilung einer möglichen M&A-Bewertung.
Tax Fact Book
Steuerberater, die in Richtung Fachberater für Unternehmensnachfolge tendieren, können hier insbesondere bei der Bewertung, einer Kaufpreiseinschätzung oder bei der Erstellung sogenannter Tax Fact Books unterstützen. Durch ein Tax Fact Book werden komplexe steuerliche Hintergründe, die steuerliche Ist-Situation sowie steuerliche Besonderheiten der Zielgesellschaft transparent und erläutert beziehungsweise für den potenziellen Käufer verständlich. Beispiele für in einem Tax Fact Book darstellbare Strukturierungen sind Betriebsaufspaltungen, historische steuerliche Umstrukturierungen oder historisch getriebene steuerliche Gestaltungen.
Due Diligence
Nicht immer, aber oft laufen Due Diligence und Vertragsverhandlungen in einer exklusiven Verhandlung parallel. Eine Due Diligence beschreibt dabei einen strukturierten Untersuchungs- und Informationsbeschaffungsprozess, mit dem der Käufer eine mögliche Zielgesellschaft primär nach Risiken, aber auch nach Chancen durchleuchtet. Regelmäßig, gerade bei nicht prüfungspflichtigen Unternehmen, wird der steuerliche Berater der Zielgesellschaft dabei erster Ansprechpartner für Zahlen und Erläuterungen sein. Eine Due Diligence kann sehr intensiv werden und vor allem Ressourcen der Steuerberater sowie einer Finanzabteilung der Zielgesellschaft fordern, denn potenzielle Erwerber wollen die Zielgesellschaft und ihre Ertragschancen verstehen und durchleuchten. Umso wichtiger sind auch hier die Prozessvorbereitung und das Management des M&A-Prozesses, in denen die potenziellen Erwerber auch eine ganze Reihe steuerlicher Fragen stellen.
Strukturierte Bieterprozesse
In Abgrenzung zu exklusiven Verhandlungen zielen auktionierte Bieterprozesse darauf ab, Gebote gleich mehrerer Bieter einzuholen, zu validieren und durch einen möglichen Bieterwettstreit den höchstmöglichen Unternehmenswert im Rahmen eines Auktionsverfahrens zu realisieren. Es liegt auf der Hand, dass strukturierte Bieterprozesse hohe Anforderungen an die Vertraulichkeit stellen. Einhergehend mit Vertraulichkeitsrisiken ergibt sich gegenüber einer exklusiven Verhandlung eine deutlich höhere Komplexität durch das erforderliche Management gleich mehrerer Bieter. Strukturierte Bieterprozesse erfordern, dass im Vorfeld die für die Durchführung des Prozesses notwendigen Dokumente vorliegen, wie etwa Teaser und Prozessbrief, zahlreiche Vertraulichkeitsvereinbarungen sowie die Vorbereitung eines ausführlichen Informationsmemorandums. Hier sind steuerliche Berater im Vorteil, die sich frühzeitig um strategische Partnerschaften bemüht haben. Denn der Rückgriff auf einen professionellen M&A-Berater, wie etwa einen spezialisierten Anwalt oder Wirtschaftsprüfer, bietet sich aufgrund von Erfahrungswerten schon bei Transaktionen ab einem Kaufpreis in Höhe von 10 Millionen Euro an. Mit dem Teaser und der Vorlage einer Vertraulichkeitsvereinbarung werden die identifizierten Interessenten, das sogenannte Bieteruniversum, angesprochen. Das Bieteruniversum sollte schon im Vorfeld in enger Zusammenarbeit mit der Zielgesellschaft vorbereitet und sehr sorgsam ausgewählt werden. Es ist die Grundlage für einen erfolgreichen M&A-Prozess. Ein sogenannter Teaser stellt die Zielgesellschaft dabei kurz und prägnant, aber noch immer anonymisiert dar.
Investment Memorandum
Nur Interessenten, welche die mit dem Teaser versandte Vertraulichkeitsvereinbarung [Non-Disclosure Agreement (NDA)] unterzeichnen, erhalten in einem zweiten Schritt Zugang zu dem sogenannten Investment Memorandum beziehungsweise Information Memorandum (Info-Memo), das die Zielgesellschaft, ihre Geschäfte, ihren Markt und ihre Produkte im Detail beschreibt. Die Tiefe der in diesem Memo präsentierten Informationen und Details hängt von der jeweiligen Zielgesellschaft sowie der Komplexität der Transaktion ab. Neben dem Informationsmemorandum erhalten Bieter, welche die Vertraulichkeit zugesichert haben, einen sogenannten Prozessbrief (Process Letter), der zum Beispiel den Transaktionsablauf, das weitere Vorgehen sowie die Erwartungen des Verkäufers an die Bieter, ihre Bewertungen und ihre Finanzierungen darlegt. Unter der Verwendung einer Deadline werden die Interessenten dann aufgefordert, dezidierte indikative Angebote vorzulegen, die von dem Veräußerer verglichen und evaluiert werden. Lediglich dem besten Bieter beziehungsweise den höchsten Geboten wird danach eine strukturierte Due-Diligence-Phase eingeräumt mit dem Ziel, von den verbliebenen Bietern sogenannte Binding Offers zu erhalten. Der englische Begriff Binding ist an dieser Stelle missverständlich, da diese Angebote natürlich nicht rechtlich verbindlich sind. Mit dem oder den besten Binding Offers werden dann konkrete Vertragsverhandlungen aufgenommen, um einen Unternehmenskaufvertrag (Asset Deal oder Share Deal) durch notarielle Beurkundung abzuschließen.
Verhandlung, Signing und Closing
Wer schreibt, der bleibt. Dieses alte Juristensprichwort gilt besonders bei einer M&A-Transaktion. Geschrieben und gerungen wird um den Unternehmenskaufvertrag, der neben dem Kaufgegenstand und dem Kaufpreis wesentliche Fragen der Haftung, der Garantien und Freistellungen, Wettbewerbsverbote und nachvertragliche Pflichten regelt. Im interdisziplinären Zusammenspiel mit einem Anwalt ist auch hier der Steuerberater der Zielgesellschaft gefordert, mit steuerlichen Regelungen zum Kaufpreis, steuerlichen Konsequenzen und Würdigungen mitzuwirken und steuerliche Nachlauffristen im Auge zu behalten. Oft, aber nicht immer, sind die Steuerberater der Zielgesellschaft sowie der Gesellschafter identisch. Ein besonderes Augenmerk wird hier auch auf dem Aushandeln der Steuerklausel liegen, denn keiner kennt die steuerlichen Besonderheiten und Sachverhalte der Vergangenheit so gut wie der mandatierte Steuerberater. Gegebenenfalls begleitet er den Mandanten auch zum Notartermin (sogenanntes Signing), überwacht die Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums (sogenanntes Closing), den Eintritt der dafür erforderlichen Bedingungen und unterstützt auch bei der finalen Abrechnung eines variabel vereinbarten Kaufpreises, was im M&A-Jargon als sogenannte Closing Accounts bezeichnet wird.
Fazit und Ausblick
Insgesamt bietet das Feld M&A-Transaktionen zahlreiche Anknüpfungspunkte für den steuerlichen Berater, um sich in einem neuen Betätigungsfeld zu positionieren. M&A-Verhandlungen sind stets komplex und mit hohem Arbeitsaufwand verbunden. Für steuerliche Berater, die sich spezialisieren möchten, bietet es sich daher an, ein eigenes Netzwerk oder Ökosystem aufzubauen, um hier mit fachlich spezialisierten Juristen, Wirtschaftsprüfern und Investoren zusammenzuarbeiten. Auch DATEV unterstützt die Mitglieder dabei, sich neue Beratungsfelder zu erschließen, die jenseits der klassischen Kernkompetenzen eines Steuerberaters liegen, wie etwa die betriebswirtschaftliche Beratung von Unternehmen.
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