Lohnsteuer - 25. November 2021

Die Kontrolle behalten

Im Bereich Tax Compliance ist eine Steuerart mit besonders hohen Herausforderungen konfrontiert. Eine Risikoanalyse ist hier genau das richtige Instrument, um drohende Nachzahlungen oder behördliche Ermittlungen zu verhindern.

Die Lohnsteuer ist für Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber mit großen Herausforderungen verbunden. Ein fehlerhaf­ter Lohnsteuerabzug kann nicht nur zu hohen Steuer- und meist einhergehend zu Beitragsnachzahlungen, sondern auch zu strafrechtlichen Ermittlungen führen. Besonders prekär: Nicht nur das Unternehmen haftet für die Lohnsteuer, sondern im Zweifel auch die Geschäftsleitung persönlich. Ein Internes Kontrollsystem (IKS) hilft dabei, die gesetzlichen Verpflichtun­gen zum Lohnsteuerabzug strukturell zu erfüllen und deren Einhaltung sicherzustellen. Zudem kann ein gut funktionieren­des IKS im Zweifelsfall von der Finanzbehörde als Indiz gegen das Vorliegen von Vorsatz oder einer leichtfertigen Steuerver­kürzung herangezogen werden. Für ein funktionierendes in­ternes Lohnsteuer-Compliance-System muss in der Regel das Rad nicht vollständig neu erfunden werden. Meist existieren bereits Kommunikations- und Meldeprozesse im Unterneh­men. Diese können nach entsprechender Analyse der eigenen Risikolage und des Status quo an den individuellen Bedarf des Unternehmens angepasst werden. Der Erfolg aller Maßnah­men ist jedoch stark an die Unternehmenskultur gebunden. Hierzu gehört das klare Bekenntnis der Geschäftsleitung zur Lohnsteuer-Compliance als Teil der Tax Compliance, deren Werte sie selbst in ihrer Vorbildfunktion vorlebten (Tone at the top) und innerhalb der Unternehmenskultur weitervermittelt.

Identifizierung und Priorisierung von Risiken

Im Rahmen einer Risikoanalyse sollten zunächst lohnsteuer­rechtlich relevante Sachverhalte für das gesamte Unterneh­men identifiziert werden. Im Grunde ist also eine Art Sach­verhaltsinventur durchzuführen. Stets muss in diesem Zu­sammenhang eine Auswertung von Prüfungsfeststellungen des Finanzamts und gegebenenfalls der Deutschen Renten­versicherung (DRV) vorgenommen werden, wenn es zu Be­anstandungen anlässlich vergangener Betriebsprüfungen kam. Diese Sachverhalte muss der Arbeitgeber von sich aus zwingend für die Folgejahre korrigieren, sofern sie noch existieren. Außerdem sollten nicht nur naheliegende Sach­verhalte beachtet werden, bei denen die lohnsteuerrechtliche Relevanz gemeinhin bekannt ist, wie etwa bei Dienstwagen oder Geschenken, beziehungsweise die bereits im Rahmen der Lohn-/Gehaltsabrechnung berücksichtigt werden. Von besonderem Interesse sind vor allem Sach­verhalte, bei denen die lohnsteuerrechtli­chen Implikationen nicht ohne Weiteres vermutet werden, da von einem dienstli­chen Hintergrund der Maßnahme ausge­gangen wird, wie beispielsweise das regel­mäßige „Arbeitsessen“ der Abteilungslei­ter im Restaurant. Zur Identifikation sol­cher Sachverhalte kann zum Beispiel eine stichprobenartige Auswertung der Finanz­buchhaltung sinnvoll sein. Gerade bei grö­ßeren Unternehmen ist es aber auch wich­tig, dass die Entstehungsorte dieser Sachverhalte lokalisiert werden. Das bedeutet, Klarheit und Transparenz darüber zu schaffen, welche Sachverhalte wo verwirklicht werden und welche Abteilung federführend eine abteilungsübergreifende Maßnahme organisiert, wie etwa eine größere Veranstaltung. Sind die Entstehungsorte im Unternehmen identifiziert, emp­fiehlt es sich, diese einer Risikobewertung zu unterziehen, um für die weitere Bearbeitung nach deren Relevanz zu prio­risieren.

Prozesse und Regelwerk auswerten

Um den Handlungsbedarf zu bestimmen, reicht die Identifi­kation lohnsteuerrechtlich relevanter Sachverhalte nicht aus. Vielmehr ist eine Lokalisierung unternehmensinterner Schwachstellen bei abteilungsübergreifenden organisatori­schen Prozessen mit lohnsteuerrechtlichem Bezug erforder­lich. Es geht also darum, zu erkennen, an welcher Schnitt­stelle Informationen stecken bleiben beziehungsweise über­haupt nicht weitergeleitet werden. Da das interne Regelwerk ebenso Richtlinien, Arbeitsanweisungen oder Prozessbe­schreibungen umfassen kann, sind diese ebenfalls einer ein­gehenden Untersuchung zu unterziehen. Diese Regelungen betreffen oft mehrere Dimensionen. Es geht um eine Regelung, welche Sachverhalte und Maßnahmen im Unter­nehmen überhaupt zulässig sind – was eine Unternehmens­entscheidung ist und ebenfalls regelmäßig geprüft werden sollte – und für die beispielsweise der Arbeitgeber Auslagen des Arbeitnehmers erstatten darf. Für diese betrieblich zuläs­sigen Sachverhalte und Maßnahmen wird zudem bestimmt, wie die betrieblichen Abläufe auszusehen haben, indem die Kommunikations-, Melde- und Genehmigungsprozesse fest­gelegt werden. Meistens sind darüber hinaus Vorgaben im Hinblick auf die Lohnsteuer enthalten. Diese können Hinwei­se zur erforderlichen Dokumentation geben und festlegen, bei welchen Fallkonstellationen zwingend eine Lohnversteu­erung erfolgen muss. Zudem sollten die fachliche Aktualität der Aussagen und deren Schlüssigkeit im Gesamtgefüge des Regelwerks geprüft werden. Dies kann dann eine Rolle spie­len, wenn das Regelwerk bei Neuerungen nicht vollständig angepasst wurde, sondern nur punktuell. Während der Pro­zessaufnahme ist außerdem ein Abgleich sinnvoll, inwieweit die gelebten Prozesse eigentlich den schriftlich geregelten Pro­zessen entsprechen und ob sie allen Ar­beitnehmern bekannt und zugänglich sind.

Ergebnisse dokumentieren

Nicht vergessen werden sollte, dass sich manchmal neben dem schriftlich nieder­gelegten Regelwerk auch nicht schriftlich niedergelegte, aber gegebenenfalls auf­grund von Gewohnheitsrecht oftmals jahrelang gelebte Re­geln oder Handhabungen von Sachverhalten eingeschlichen haben können. Da das Lohnsteuerrecht stark kasuistisch ist und die Dokumentation von Einzelsachverhalten in der Pra­xis oft Ausschlag gibt, ob eine Lohnversteuerung durchzu­führen ist oder nicht, sollte auf dem Dokumentationsverhal­ten innerhalb des Unternehmens ein besonderer Fokus liegen. Wenn herausgearbeitet wird, welche Belege oder Vorlagen und Aufzeichnungen zu Dokumentationszwecken gegebenenfalls sogar wiederholt und breitflächig fehlen oder unvollständig sind, ist es später leichter, genau an dieser Fehlerquelle anzusetzen und Korrekturen vorzunehmen. Ne­benbei kann untersucht werden, ob Vorlagen noch zeitge­mäß und praktikabel sind.

Letzter Schliff

Wenn die Untersuchungsansätze festgelegt sind, ist das wei­tere Vorgehen nebst den einzelnen Arbeitsschritten zu erör­tern und zu bestimmen, um ein effizientes Lohnsteuer-Com­pliance-System aufzubauen. Ein detaillierter Projektplan hilft dabei, rechtzeitig auf Veränderungen zu reagieren und bei Bedarf auch im späteren Verlauf Maßnahmen, Ressourcen oder Budgets anzupassen. Über die interne Kommunikation sollten der Zuspruch und die Unterstützung eines solchen Projekts durch die Geschäftsleitung während der gesamten Umsetzungsphase erkennbar sein. Von ihrer Kommunikation hängt es im Wesentlichen ab, Lohnsteuer-Compliance als Teil der Unternehmenskultur erfolgreich zu verankern. Alle Prozessbeteiligten sollten möglichst frühzeitig in das Vorha­ben einbezogen werden. Dies gilt nicht nur für die zuständi­ge Stelle der Lohnsteueranmeldung, sondern auch für andere Abteilungen, in denen lohnsteuerrechtlich relevante Sach­verhalte verwirklicht werden. Bevor man mit den aufwendi­gen Optimierungsarbeiten beginnt, ist eine erneute Überprü­fung ratsam, die darüber entscheidet, welche lohnsteuerlich relevanten Sachverhalte tatsächlich beibehalten werden sol­len oder auch neu hinzugefügt werden könnten.

Optimierungen sichern

Sind die Schwachstellen im Unternehmen eingehend identifi­ziert und analysiert, müssen die internen Arbeitsprozesse mit Blick auf die Lohnsteuer überarbeitet und optimiert werden. Es gilt, strukturell sicherzustellen, dass alle lohnsteuerrecht­lich relevanten Informationen und Sachverhalte zentral der für die Lohnsteueranmeldung zuständigen Abteilung gemel­det werden und die erforderliche Dokumentation vollständig und schnell auffindbar ist. Hierzu ist ein aktuelles und voll­ständiges internes Regelwerk für das gesamte Unternehmen nötig, das für alle verbindlich ist. Für einen Arbeitnehmer muss klar erkenntlich sein, welche Sachverhalte erlaubt sind und welche nicht, wie die Kommunikations- und Meldewege sind, welche Unterlagen der Arbeitnehmer beibringen und welche Meldeformulare er ausfüllen muss. Beim Regelwerk muss auf die einfache Verständlichkeit und schnelle Auffind­barkeit geachtet werden. Bei Dokumentationsvorgaben sollte beachtet werden, dass diese für alle Arbeitnehmer im Unter­nehmen praktikabel sind und auch ohne tieferes lohnsteuer­rechtliches Wissen effizient genutzt werden können. Auch die Bereitstellung von Musterformularen oder Checklisten ist sinnvoll. Die Melde- und Kommunikationswege, aber auch die zu nutzenden Kommunikationsmittel innerhalb des Un­ternehmens müssen festgelegt und mitgeteilt werden. Die identifizierten Schnittstellen müssen gegen Informationsver­luste strukturell abgesichert werden. Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten sind eindeutig und transparent zu be­stimmen. Sind Sachverhalte in der Vergangenheit nicht kor­rekt ausgewertet worden, muss der Arbeitgeber diese in Ei­geninitiative korrigieren.

Tools, Schulungen und externe Fachleute

Die konkrete Vorgehensweise sollte der Arbeitgeber mit ei­nem Steuerrechtsexperten abstimmen. Regelmäßige Schu­lungen zum Aufbau und zur Intensivierung von lohnsteuer­rechtlichem Know-how, zur Kenntnisnahme von Neuerungen und zur Sensibilisierung beim Dokumentationsverhalten sind unerlässlich. Große Vorteile liefern zudem technische Hilfs­tools bei der Erfassung, Zusammenführung und Auswertung lohnsteuerrechtlich relevanter Daten. Mit digitalen App-Lö­sungen lassen sich beispielsweise beim Einsatz von Perso­nalrabatten steuerliche Höchstgrenzen automatisch überwa­chen und lässt sich so Missbrauch verhindern. Aus Gründen der Qualitätssicherung sollte ein Lohnsteuer-Compliance-System laufend überwacht und notfalls angepasst werden.

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DATEV-Consulting „TAX-Compliance mit System

Zu den Autoren

GA
Gülperi Atalay-Akgün

Rechtsanwältin und Steuerberaterin in der Vierhaus Steuerberatungsgesellschaft mbH in Berlin.

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MV
Maximilian Vierhaus

Rechtsanwalt und Geschäftsführer der Vierhaus Lohnkostenmanagement GmbH in Berlin

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