Im Bereich Tax Compliance ist eine Steuerart mit besonders hohen Herausforderungen konfrontiert. Eine Risikoanalyse ist hier genau das richtige Instrument, um drohende Nachzahlungen oder behördliche Ermittlungen zu verhindern.
Die Lohnsteuer ist für Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber mit großen Herausforderungen verbunden. Ein fehlerhafter Lohnsteuerabzug kann nicht nur zu hohen Steuer- und meist einhergehend zu Beitragsnachzahlungen, sondern auch zu strafrechtlichen Ermittlungen führen. Besonders prekär: Nicht nur das Unternehmen haftet für die Lohnsteuer, sondern im Zweifel auch die Geschäftsleitung persönlich. Ein Internes Kontrollsystem (IKS) hilft dabei, die gesetzlichen Verpflichtungen zum Lohnsteuerabzug strukturell zu erfüllen und deren Einhaltung sicherzustellen. Zudem kann ein gut funktionierendes IKS im Zweifelsfall von der Finanzbehörde als Indiz gegen das Vorliegen von Vorsatz oder einer leichtfertigen Steuerverkürzung herangezogen werden. Für ein funktionierendes internes Lohnsteuer-Compliance-System muss in der Regel das Rad nicht vollständig neu erfunden werden. Meist existieren bereits Kommunikations- und Meldeprozesse im Unternehmen. Diese können nach entsprechender Analyse der eigenen Risikolage und des Status quo an den individuellen Bedarf des Unternehmens angepasst werden. Der Erfolg aller Maßnahmen ist jedoch stark an die Unternehmenskultur gebunden. Hierzu gehört das klare Bekenntnis der Geschäftsleitung zur Lohnsteuer-Compliance als Teil der Tax Compliance, deren Werte sie selbst in ihrer Vorbildfunktion vorlebten (Tone at the top) und innerhalb der Unternehmenskultur weitervermittelt.
Identifizierung und Priorisierung von Risiken
Im Rahmen einer Risikoanalyse sollten zunächst lohnsteuerrechtlich relevante Sachverhalte für das gesamte Unternehmen identifiziert werden. Im Grunde ist also eine Art Sachverhaltsinventur durchzuführen. Stets muss in diesem Zusammenhang eine Auswertung von Prüfungsfeststellungen des Finanzamts und gegebenenfalls der Deutschen Rentenversicherung (DRV) vorgenommen werden, wenn es zu Beanstandungen anlässlich vergangener Betriebsprüfungen kam. Diese Sachverhalte muss der Arbeitgeber von sich aus zwingend für die Folgejahre korrigieren, sofern sie noch existieren. Außerdem sollten nicht nur naheliegende Sachverhalte beachtet werden, bei denen die lohnsteuerrechtliche Relevanz gemeinhin bekannt ist, wie etwa bei Dienstwagen oder Geschenken, beziehungsweise die bereits im Rahmen der Lohn-/Gehaltsabrechnung berücksichtigt werden. Von besonderem Interesse sind vor allem Sachverhalte, bei denen die lohnsteuerrechtlichen Implikationen nicht ohne Weiteres vermutet werden, da von einem dienstlichen Hintergrund der Maßnahme ausgegangen wird, wie beispielsweise das regelmäßige „Arbeitsessen“ der Abteilungsleiter im Restaurant. Zur Identifikation solcher Sachverhalte kann zum Beispiel eine stichprobenartige Auswertung der Finanzbuchhaltung sinnvoll sein. Gerade bei größeren Unternehmen ist es aber auch wichtig, dass die Entstehungsorte dieser Sachverhalte lokalisiert werden. Das bedeutet, Klarheit und Transparenz darüber zu schaffen, welche Sachverhalte wo verwirklicht werden und welche Abteilung federführend eine abteilungsübergreifende Maßnahme organisiert, wie etwa eine größere Veranstaltung. Sind die Entstehungsorte im Unternehmen identifiziert, empfiehlt es sich, diese einer Risikobewertung zu unterziehen, um für die weitere Bearbeitung nach deren Relevanz zu priorisieren.
Prozesse und Regelwerk auswerten
Um den Handlungsbedarf zu bestimmen, reicht die Identifikation lohnsteuerrechtlich relevanter Sachverhalte nicht aus. Vielmehr ist eine Lokalisierung unternehmensinterner Schwachstellen bei abteilungsübergreifenden organisatorischen Prozessen mit lohnsteuerrechtlichem Bezug erforderlich. Es geht also darum, zu erkennen, an welcher Schnittstelle Informationen stecken bleiben beziehungsweise überhaupt nicht weitergeleitet werden. Da das interne Regelwerk ebenso Richtlinien, Arbeitsanweisungen oder Prozessbeschreibungen umfassen kann, sind diese ebenfalls einer eingehenden Untersuchung zu unterziehen. Diese Regelungen betreffen oft mehrere Dimensionen. Es geht um eine Regelung, welche Sachverhalte und Maßnahmen im Unternehmen überhaupt zulässig sind – was eine Unternehmensentscheidung ist und ebenfalls regelmäßig geprüft werden sollte – und für die beispielsweise der Arbeitgeber Auslagen des Arbeitnehmers erstatten darf. Für diese betrieblich zulässigen Sachverhalte und Maßnahmen wird zudem bestimmt, wie die betrieblichen Abläufe auszusehen haben, indem die Kommunikations-, Melde- und Genehmigungsprozesse festgelegt werden. Meistens sind darüber hinaus Vorgaben im Hinblick auf die Lohnsteuer enthalten. Diese können Hinweise zur erforderlichen Dokumentation geben und festlegen, bei welchen Fallkonstellationen zwingend eine Lohnversteuerung erfolgen muss. Zudem sollten die fachliche Aktualität der Aussagen und deren Schlüssigkeit im Gesamtgefüge des Regelwerks geprüft werden. Dies kann dann eine Rolle spielen, wenn das Regelwerk bei Neuerungen nicht vollständig angepasst wurde, sondern nur punktuell. Während der Prozessaufnahme ist außerdem ein Abgleich sinnvoll, inwieweit die gelebten Prozesse eigentlich den schriftlich geregelten Prozessen entsprechen und ob sie allen Arbeitnehmern bekannt und zugänglich sind.
Ergebnisse dokumentieren
Nicht vergessen werden sollte, dass sich manchmal neben dem schriftlich niedergelegten Regelwerk auch nicht schriftlich niedergelegte, aber gegebenenfalls aufgrund von Gewohnheitsrecht oftmals jahrelang gelebte Regeln oder Handhabungen von Sachverhalten eingeschlichen haben können. Da das Lohnsteuerrecht stark kasuistisch ist und die Dokumentation von Einzelsachverhalten in der Praxis oft Ausschlag gibt, ob eine Lohnversteuerung durchzuführen ist oder nicht, sollte auf dem Dokumentationsverhalten innerhalb des Unternehmens ein besonderer Fokus liegen. Wenn herausgearbeitet wird, welche Belege oder Vorlagen und Aufzeichnungen zu Dokumentationszwecken gegebenenfalls sogar wiederholt und breitflächig fehlen oder unvollständig sind, ist es später leichter, genau an dieser Fehlerquelle anzusetzen und Korrekturen vorzunehmen. Nebenbei kann untersucht werden, ob Vorlagen noch zeitgemäß und praktikabel sind.
Letzter Schliff
Wenn die Untersuchungsansätze festgelegt sind, ist das weitere Vorgehen nebst den einzelnen Arbeitsschritten zu erörtern und zu bestimmen, um ein effizientes Lohnsteuer-Compliance-System aufzubauen. Ein detaillierter Projektplan hilft dabei, rechtzeitig auf Veränderungen zu reagieren und bei Bedarf auch im späteren Verlauf Maßnahmen, Ressourcen oder Budgets anzupassen. Über die interne Kommunikation sollten der Zuspruch und die Unterstützung eines solchen Projekts durch die Geschäftsleitung während der gesamten Umsetzungsphase erkennbar sein. Von ihrer Kommunikation hängt es im Wesentlichen ab, Lohnsteuer-Compliance als Teil der Unternehmenskultur erfolgreich zu verankern. Alle Prozessbeteiligten sollten möglichst frühzeitig in das Vorhaben einbezogen werden. Dies gilt nicht nur für die zuständige Stelle der Lohnsteueranmeldung, sondern auch für andere Abteilungen, in denen lohnsteuerrechtlich relevante Sachverhalte verwirklicht werden. Bevor man mit den aufwendigen Optimierungsarbeiten beginnt, ist eine erneute Überprüfung ratsam, die darüber entscheidet, welche lohnsteuerlich relevanten Sachverhalte tatsächlich beibehalten werden sollen oder auch neu hinzugefügt werden könnten.
Optimierungen sichern
Sind die Schwachstellen im Unternehmen eingehend identifiziert und analysiert, müssen die internen Arbeitsprozesse mit Blick auf die Lohnsteuer überarbeitet und optimiert werden. Es gilt, strukturell sicherzustellen, dass alle lohnsteuerrechtlich relevanten Informationen und Sachverhalte zentral der für die Lohnsteueranmeldung zuständigen Abteilung gemeldet werden und die erforderliche Dokumentation vollständig und schnell auffindbar ist. Hierzu ist ein aktuelles und vollständiges internes Regelwerk für das gesamte Unternehmen nötig, das für alle verbindlich ist. Für einen Arbeitnehmer muss klar erkenntlich sein, welche Sachverhalte erlaubt sind und welche nicht, wie die Kommunikations- und Meldewege sind, welche Unterlagen der Arbeitnehmer beibringen und welche Meldeformulare er ausfüllen muss. Beim Regelwerk muss auf die einfache Verständlichkeit und schnelle Auffindbarkeit geachtet werden. Bei Dokumentationsvorgaben sollte beachtet werden, dass diese für alle Arbeitnehmer im Unternehmen praktikabel sind und auch ohne tieferes lohnsteuerrechtliches Wissen effizient genutzt werden können. Auch die Bereitstellung von Musterformularen oder Checklisten ist sinnvoll. Die Melde- und Kommunikationswege, aber auch die zu nutzenden Kommunikationsmittel innerhalb des Unternehmens müssen festgelegt und mitgeteilt werden. Die identifizierten Schnittstellen müssen gegen Informationsverluste strukturell abgesichert werden. Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten sind eindeutig und transparent zu bestimmen. Sind Sachverhalte in der Vergangenheit nicht korrekt ausgewertet worden, muss der Arbeitgeber diese in Eigeninitiative korrigieren.
Tools, Schulungen und externe Fachleute
Die konkrete Vorgehensweise sollte der Arbeitgeber mit einem Steuerrechtsexperten abstimmen. Regelmäßige Schulungen zum Aufbau und zur Intensivierung von lohnsteuerrechtlichem Know-how, zur Kenntnisnahme von Neuerungen und zur Sensibilisierung beim Dokumentationsverhalten sind unerlässlich. Große Vorteile liefern zudem technische Hilfstools bei der Erfassung, Zusammenführung und Auswertung lohnsteuerrechtlich relevanter Daten. Mit digitalen App-Lösungen lassen sich beispielsweise beim Einsatz von Personalrabatten steuerliche Höchstgrenzen automatisch überwachen und lässt sich so Missbrauch verhindern. Aus Gründen der Qualitätssicherung sollte ein Lohnsteuer-Compliance-System laufend überwacht und notfalls angepasst werden.
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DATEV-Consulting „TAX-Compliance mit System”