Nahezu alle Unternehmen sind von den Auswirkungen der Pandemie betroffen. Besonders hart trifft die Krise vor allem die Gastronomie. Davon ist jedes dritte Unternehmen aktuell von der Pleite bedroht. Womit Gastwirte zu kämpfen haben, berichten Willi Siemons, Betreiber der Speisegaststätte Saalbau in Buchenbühl am Rande Nürnbergs, sowie Francesco Terranova, Inhaber der in unmittelbarer Nachbarschaft liegenden Pizzeria Girasole.
DATEV magazin: Wie hart haben Sie die Maßnahmen gegen das Corona-Virus, speziell die betrieblichen Einschränkungen, getroffen?
Willi Siemons: Zunächst hieß es Anfang März, die Gaststätten könnten noch eine Zeitlang in eingeschränkter Form geöffnet bleiben. Ende März aber mussten wir plötzlich komplett schließen. Dies hatte zur Folge, dass wir ganz schnell über tausend Euro Verlust machten. Natürlich waren auch Mitarbeiter davon betroffen. Ganz zu schweigen von den betrieblichen Kosten, die sich pro Monat auf circa 10.000 Euro belaufen. Demgegenüber haben wir keinerlei Einnahmen. Wir mussten Anfang April unsere Frischware, die wir nicht mehr verarbeiten konnten, in den Müll werfen. Das hat aber auch für Bier, vor allem Fassbier, und andere Getränke gegolten, deren Haltbarkeitsdatum den Zeitraum der Betriebsschließung nicht überdauert hätten.
Francesco Terrranova: Meine Pizzeria ist kein Restaurant im klassischen Sinne. Wir leben vom Straßenverkauf und bei gewerblicher Kundschaft von unserem Lieferdienst. Mich hat die Krise insoweit getroffen, dass die Firmen im umliegenden Industriegebiet auf einmal nichts mehr bestellt haben. Mir ist es sicherlich ein bisschen besser ergangen als dem Willi. Ich bin aufgrund der Struktur meiner Pizzeria ihm gegenüber ein wenig im Vorteil, denn bestellen und abholen ging ja noch. Auch wenn die Firmen im Umkreis geschlossen hatten, nahmen die Privatkunden hier in Buchenbühl meine Pizzeria weiterhin gut in Anspruch. Allerdings habe auch ich nur etwa 50 Prozent meines gewohnten Umsatzes mit den privaten Bestellungen erzielt.
DATEV magazin: Warum haben Sie Ihre Speisen nicht außer Haus verkauft, Herr Siemons? Warum ist es leichter, eine Pizza außer Haus zu verkaufen als einen Braten mit Klößen?
Willi Siemons: Wir sind eine fränkische Speisegaststätte, die etwas abgelegen ist, also nicht im Stadtzentrum liegt. Unsere Kundenklientel besteht vornehmlich aus älteren Menschen. Die holen sich abends keinen Schweinebraten mit Kloß oder ein Cordon Bleu mit Kartoffelsalat. Allein die Verpackung ist bei manchen Gerichten schon ein Problem. Und bei durchschnittlich vielleicht vier bis fünf Gästen pro Tag hätte sich ein Außer-Haus-Verkauf aus Kostengründen einfach nicht rentiert.
Francesco Taranova: Ich glaube zwar nicht, dass die Leute hier in Buchenbühl lieber Pizza essen als ein Gericht aus der fränkischen Küche. Mein Produkt eignet sich einfach besser mit für den Straßenverkauf. Es geht schneller, es ist preisgünstiger und es schmeckt auch noch nach zehn Minuten Fußweg bis daheim. Anders vielleicht als ein Cordon Bleu mit Pommes Frites, das man zu Hause noch mal kurz in die Mikrowelle schieben muss.
DATEV magazin: Die Bundesregierung hat ein milliardenschweres Hilfspaket auf den Weg gebracht: Zuschüsse für Kleinunternehmer oder Kredite von der KfW-Bank. Haben Sie von den Soforthilfen profitiert?
Willi Siemons: Nein, bisher immer noch nicht. Wir haben nach Rücksprache mit unserem Steuerberater den Antrag auf Soforthilfe bereits am 19. März gestellt, aber bis heute kein Geld bekommen. Vor drei Wochen hat dann meine Lebensgefährtin bei der Regierung in Ansbach, dem Bezirk Mittelfranken, nachgefragt und erfahren, dass nun die IHK Nürnberg die Sache übernommen habe, aber keinen Einfluss darauf hätte, wie und wann die Gelder fließen. Das war jedenfalls die Aussage auf telefonische Nachfrage.
Francesco Terranova: Wir haben auch bereits im März die Soforthilfen online beantragt und bisher auch keinen Euro erhalten.
DATEV magazin: Haben Sie in den letzten Jahren Rücklagen gebildet, von denen Sie heute etwas zehren können?
Willi Siemons: Schön wär’s. Wir machen traditionell den meisten Umsatz von April bis Oktober. In den Wintermonaten fehlen die Ausflügler, da haben wir weniger Einnahmen, sozusagen eine Durststrecke, aber die laufenden Kosten bestehen weiterhin in nahezu gleicher Höhe. Wir haben auf das Frühjahr und das Ostergeschäft gewartet, und das ist uns weggebrochen. Diesen Umsatz hat man uns genommen. Zudem wurden alle Bestellungen zu Kommunion und Konfirmation beziehungsweise Geburtstagsfeiern storniert.
Francesco Terranova: Ich habe Ostern traditionell immer eine Durststrecke und meine Pizzeria daher über die Feiertage komplett geschlossen. Da essen die Leute wohl lieber Lammbraten oder ähnliches.
DATEV magazin: Wie sieht es mit Ihren Mitarbeitern aus? Die Bundesregierung hat auch Hilfen wie das Kurzarbeitergeld auf den Weg gebracht, das zuletzt auf 80 Prozent erhöht wurde. Haben Sie davon profitiert?
Willi Siemons: Bei uns sind die Mitarbeiter alle auf 450-Euro-Basis beschäftigt gewesen. Dafür gibt es kein Kurzarbeitergeld. Wir haben alle Beschäftigungen bis Ende April form- und fristgerecht beenden müssen und bei der Minijobzentrale abgemeldet. Jetzt, da der Lockdown aufgehoben wird, werden wir unsere Mitarbeiter mit Unterstützung unseres Steuerberaters nach und nach wieder ins Boot holen.
Francesco Terranova: Ich beschäftige lediglich zwei Mitarbeiter, ebenfalls auf 450- Euro-Basis. Ich konnte meine Angestellten, Gott sei Dank, auch während der Lockdown-Phase halten.
DATEV magazin: Das sogenannte Corona-Gesetz schützt unter anderem auch gewerbliche Mieter. Die können ihre Pacht für drei Monate stunden lassen. Entsprechendes gilt auch gegenüber Strom- oder Gaslieferanten. Haben Sie diese möglichen Aussetzungen in Anspruch genommen?
Willi Siemons: Konkret habe ich bisher noch nichts unternommen. Ich habe die Gaststätte zwar gepachtet, aber mit meinem Verpächter noch nicht detailliert verhandelt. Wir haben aber ein ausgesprochen gutes Verhältnis, sodass wir hier eine moderate Lösung finden werden.
Francesco Terranova: Mir gehört das ganze Haus, ich bin auch der Eigentümer der Pizzeria. Gegenüber den Energieversorgern bin ich ebenfalls noch nicht aktiv geworden. Alles läuft hier weiter wie bisher.
DATEV magazin: Die Bundesregierung hat kürzlich signalisiert, dass man speziell der Gastronomiebranche noch mehr helfen müsse. Wie sehen Sie das?
Willi Siemons: Das hört sich alles immer sehr gut an. Allein mir fehlt der Glaube. Die Corona-Soforthilfe haben wir bisher ja auch noch nicht bekommen. Es mag zwar platt klingen, aber am Ende werden wieder die Großen mit ihren Lobby-Vertretern die Gewinner der Krise sein. Unser Hotel- und Gaststättenverband müsste sich stark machen und Gehör in der Politik finden. Andernfalls sehe ich für viele, vor allem kleinere Gastronomen schwarz.
Francesco Terranova: Ich sehe es genauso wie der Willi. In erster Linie müssen wir uns sicherlich selbst helfen. Bei den staatlichen Unterstützungsleistungen klingen die Versprechungen immer sehr vollmundig. Am Ende steht dann die Ernüchterung und man kann froh sein, wenn wenigstens etwas kommt.
DATEV magazin: Zuletzt wurde der Mehrwertsteuersatz für die Gaststätten pauschal auf sieben Prozent gesenkt. Hilft Ihnen das?
Willi Siemons: Nicht wirklich. Die sieben Prozent hatten wir ja für Außer-Haus-Verkauf schon seit Jahren; 19 Prozent im Laden und auch im Biergarten mit Bedienung. Wie kann ich das für mich beanspruchen? Ich dürfte den Gaststättenbetrieb nicht aufnehmen und Außer-Haus-Verkauf rentiert sich für mich nicht. Bei null Euro Umsatz hat in den vergangenen Monaten auch die beste Steuervergünstigung nichts genützt.
Francesco Terranova: Mich betrifft diese Regelung praktisch nicht, da bei mir alles außer Haus verkauft wird. Für mein Geschäft galt schon immer sieben Prozent Mehrwertsteuer.
DATEV magazin: Was würde Ihnen in dieser Krise wirklich helfen?
Willi Siemons: Wenn die monatlichen Fixkosten von circa 10.000 Euro für die letzten Monate erstattet würden, kämen wir über die Runden. 9.000 Euro wären sicher auch okay, sofern sie denn endlich kämen. Ich habe von meinem Steuerberater gehört, man könne neben der 9.000 Euro Soforthilfe noch weitere Hilfen in Anspruch nehmen. Aber zunächst müsse über den ersten Antrag beschieden werden, bevor man den zweiten stellen darf.
Francesco Terranova: Unser Dachverband, der Dehoga, hat einen Rettungsfond gefordert, ähnlich dem für die Landwirtschaft vor ein paar Jahren. Aber ich glaube, da wird nichts kommen. Mir würde helfen, wenn ich monatlich 5.000 oder 6.000 Euro erhielte, für den Zeitraum, solange die Beschränkungen laufen. Das in etwa ist mein monatlicher Verlust gewesen.
DATEV magazin: Sie beide haben jeweils noch ein zweites berufliches Standbein. Konnten Sie über diese Schiene die monatlichen Umsatzausfälle wenigstens etwas kompensieren?
Willi Siemons: Ich betreibe noch einen Catering-Service, speziell für Firmen-Events oder wir treten mit einem Grillwagen bei Veranstaltungen auf, wie etwa dem hiesigen Bardentreffen. Das hätte sicher geholfen, wenn solche Events überhaupt stattfinden würden. Aber auch hier haben wir aktuell kein Geld verdienen können. Unsere geplanten Veranstaltungen sind seit April komplett weggebrochen, alles wurde storniert bis weit in den Herbst hinein.
Francesco Terranova: Ich betreibe neben der Pizzeria noch den Mini Market in Buchenbühl, wo man Obst, Gemüse, aber auch Butter, Milch oder Nudeln und Reis kaufen kann. Da haben wir schon zu tun, das läuft ganz normal weiter, wenn auch etwas schleppender wegen der Maskenpflicht und den Abstandsregelungen.
DATEV magazin: Haben Ihnen Ihr Anwalt oder Steuerberater während des Lockdown helfen können?
Willi Siemons: Ja. Wir haben bis zum März unsere Unterlagen eingereicht. Zahlungen können ja allerhöchstens gestundet werden. Und momentan ist das Finanzamt auch ruhig. Ich hoffe, dass dies vorerst auch so bleibt, wenn wir wieder geöffnet haben. Wegen der Corona-Soforthilfe, die bisher ausgeblieben ist, beziehungsweise einem weiteren Antrag, muss ich nun zeitnah tätig werden. Alles Fragen, die ich mit meinem Steuerberater oder einem Anwalt klären muss.
Francesco Terranova: Ich habe meinen Steuerberater wegen der Soforthilfe kontaktiert. Er hat mir am Telefon erklärt, wie ich die Soforthilfe beantragen kann. Mehr habe ich bisher nicht getan. Auch ich möchte bei ihm noch einmal wegen der ausbleibenden Hilfe nachfragen.
DATEV magazin: Seit dem 18. Mai dürfen Sie, Herr Siemons, im Außenbereich wieder öffnen, ab dem 25. Mai unter Auflagen auch im Innenbereich. Was versprechen Sie sich davon?
Willi Siemons: Die schrittweise Öffnung der Gastronomie ist zu begrüßen, aber die strengen Auflagen sind schon ein Handicap. Meinen Biergarten darf ich aktuell nur bis 20 Uhr öffnen. Zudem ist eine begrenzte Gästezahl, die Sicherstellung von Abstand sowie die Ausarbeitung von Hygienekonzepten durch uns zu beachten. So müssen wir die Namen und weitere persönliche Daten der Kunden erfassen. Das hat einige meiner Gäste so irritiert, dass sie wieder gegangen sind. Mit Blick auf die kommenden fünf Tage bleibt zu hoffen, dass sich wenigstens Petrus gnädig zeigt. Und wenn dann unter ähnlichen Auflagen ab dem 25. Mai auch unser Innenbereich wieder öffnen darf – warum nur bis maximal 22 Uhr, erschließt sich mir nicht – wird man sehen, wie die Gäste das annehmen werden, zwar am Tisch ohne Mund-Nasen-Schutz sitzen zu dürfen, diesen aber beim Gang zur Toilette beziehungsweise beim Betreten des Lokals tragen zu müssen.
DATEV magazin: Haben Sie beide schon darüber nachgedacht, Ihr Geschäft aufzugeben?
Francesco Terranova: Nein, auch wenn keine Hilfsgelder ankommen sollten, werde ich weitermachen, mich einfach durchwursteln. Ich kämpfe weiter! Ich denke, es wird noch bis September, Oktober dauern, bis alles wieder normal läuft. Ich mache auch im Sommer nicht zu.
Willi Siemons: Ich habe mich noch nicht wirklich damit beschäftigt, mein Geschäft aufzugeben, aber wenn die Krise weiter andauert, wird es wohl dazu kommen. Wir können auch mit dem Catering-Service nicht punkten. Kein Stadtstrand, kein Bardentreffen und auch kein Fest im Burggraben, wo wir Einnahmen generieren könnten.
DATEV magazin: Wie ist Ihre persönliche Meinung zu den Beschränkungen und Kontaktsperren? War das notwendig oder waren die Maßnahmen überzogen?
Francesco Terranova: Ich denke, die Maßnahmen waren schon notwendig, besser wir bleiben gesund und verzichten dafür auf einen Teil unserer Einnahmen.
Willi Siemons: Ich sehe das komplett anders. Wir laufen auf eine massive Wirtschaftskrise zu. Man hätte die Maßnahmen auch moderater gestalten können. Am Ende aber wird es vor allem den kleinen und mittelständischen Betrieben in vielen Branchen an den Kragen gehen.
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