Die gesetzlichen Änderungen zielen darauf ab, Missbrauch zu verhindern und für Steuergerechtigkeit zu sorgen. Tatsächlich aber bestehen unions- und verfassungsrechtliche Bedenken, die zu einer höchstrichterlichen Überprüfung führen dürften.
Am 12. Mai 2021 wurde das Gesetz zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) ausgefertigt, das nun seit dem 1. Juli 2021 in Kraft ist. Da der Gesetzgeber immer wieder das gleiche Argument der Steuerumgehung beziehungsweise Missbrauchsverhinderung sowie der Gleichheit der Besteuerung für den Erlass neuer Steuergesetze vorbringt, sollen nachfolgend die wesentlichen Neuregelungen kurz skizziert und versucht werden, mittels Anmerkungen die Motive und Auswirkungen dieser Änderungen auch aus anderer Perspektive zu betrachten.
Änderungen in § 1 Abs. 2a GrEStG
Unter der bis zum 30. Juni 2021 geltenden Fassung galt bei einer Personengesellschaft, zu deren Vermögen ein inländisches Grundstück gehörte, die unmittelbare oder mittelbare Änderung des Gesellschafterbestands innerhalb von fünf Jahren in Höhe von mindestens 95 Prozent der Anteile am Gesellschaftervermögen durch Übertragung auf neue Gesellschafterin beziehungsweise Gesellschafter als ein auf die Übereignung eines Grundstücks auf eine neue Personengesellschaft gerichtetes Rechtsgeschäft. Der Schwellenwert von 95 Prozent wurde mit grundsätzlicher Wirkung ab dem 1. Juli 2021 auf 90 Prozent gesenkt und flankierend hierzu der sogenannte Betrachtungszeitraum von fünf auf zehn Jahre verlängert. Soweit eine Kapitalgesellschaft unmittelbar an der jeweiligen Personengesellschaft beteiligt ist, gilt diese vollumfänglich als neue Gesellschafterin im Sinne dieser Vorschrift, wenn mindestens 90 Prozent der an ihr bestehenden Anteile auf neue Gesellschafter übergehen (§ 1 Abs. 2a S. 4 GrEStG). Bei mehrstufigen Beteiligungen gilt Vorstehendes auf der Ebene jeder mittelbar beteiligten Kapitalgesellschaft entsprechend. Anzuwenden ist die Vorschrift grundsätzlich auf Erwerbsvorgänge, die seit dem 1. Juli 2021 verwirklicht werden. Die Verlängerung der Frist von fünf auf zehn Jahre darf aber nicht dazu führen, dass ein Gesellschafter im Sinne dieser Vorschrift von einem Alt- zu einem Neugesellschafter wird, weswegen Übergänge von Anteilen am Gesellschaftsvermögen auf Gesellschafter unberücksichtigt bleiben, die mit Ablauf des 30. Juni 2021 keine neuen Gesellschafter mehr sind (vgl. § 23 Abs. 19 GrEStG). Bei an der Personengesellschaft beteiligten Kapitalgesellschaften findet hingegen rückwirkend die abgesenkte Beteiligungsgrenze von 90 Prozent Anwendung, was zur Folge haben kann, dass eine (un)mittelbar beteiligte Kapitalgesellschaft als neue Gesellschafterin qualifiziert werden muss und die von ihr gehaltene Beteiligung bei der Ermittlung der auf neue Gesellschafter übergegangenen Anteile mitzählt.
Neu eingefügter § 1 Abs. 2b GrEStG
Verschärfend wurde mit dem Gesetz ein Ergänzungstatbestand eingeführt, der an den Gesellschafterbestand von grundbesitzenden Kapitalgesellschaften anknüpft. Vergleichbar mit den bereits bestehenden Regelungen zu Personengesellschaften greift dieser ein, wenn sich innerhalb von zehn Jahren der Gesellschafterbestand einer grundbesitzenden Kapitalgesellschaft dergestalt ändert, dass mindestens 90 Prozent der Anteile auf neue Gesellschafter übergehen. Maßgeblicher Zeitpunkt ist die zivilrechtlich wirksame Anteilsübertragung, also das Verfügungsgeschäft. Die neue Regelung erfasst neben unmittelbaren auch mittelbare Änderungen des Gesellschafterbestands und ist gegenüber weiteren im GrEStG verankerten Ergänzungstatbeständen vorrangig. Damit ist es künftig grundsätzlich nicht mehr möglich, im Rahmen einer Transaktion 100 Prozent der Anteile – aufgeteilt auf zwei Erwerber – zu übertragen. Lediglich eine Übertragung von 89,9 Prozent unter Zurückbehaltung der restlichen 10,1 Prozent der Anteile durch den Veräußerer würde einen Anfall von Grunderwerbsteuer grundsätzlich noch verhindern. Steuerschuldner ist die grundbesitzende Kapitalgesellschaft (§ 13 Nr. 7 GrEStG). Anders als bei den ähnlichen Regelungen zu grundstücksbesitzenden Personengesellschaften sind sogenannte personenbezogene Steuerbefreiungen nicht anzuwenden. Es werden nur solche Änderungen im Gesellschafterbestand berücksichtigt, die nach dem 30. Juni 2021 erfolgen (§ 23 Abs. 23 GrEStG).
Aufnahme einer Börsenklausel
Eingeführt wurde auch die sogenannte Börsenklausel (§ 1 Abs. 2c GrEStG). Danach gelten die (Neu-)Regelungen des § 1 Abs. 2a S. 1 und Abs. 2b S. 1 GrEStG nicht für Kapitalgesellschaften, deren Anteile an einem organisierten Markt im Rahmen der EU, des EWR oder an einem Drittlandhandelsplatz, der von der EU-Kommission als gleichwertig erklärt wurde, zugelassen sind, soweit der Anteilsübergang aufgrund eines Geschäfts an diesem Markt oder Drittlandhandelsplatz oder einem multilateralen Handelssystem erfolgt. Die Regelung gilt für alle Erwerbe seit dem 1. Juli 2021.
Ergänzungen der §§ 5 und 6 GrEStG
Die zeitlichen Fristen der §§ 5 und 6 GrEStG – Grunderwerbsteuerbefreiung bei einem Übergang auf und von einer Gesamthand – sowie des § 7 GrEStG – Befreiung bei Umwandlung von gemeinschaftlichem Eigentum in Flächeneigentum – wurden jeweils von fünf auf zehn Jahre hochgeschleust. Im Rahmen des § 6 GrEStG wurde zudem ein neuer Abs. 4 Nr. 3 eingefügt, wonach der bei einem Erwerbsvorgang der Anteilsvereinigung oder der wirtschaftlichen Beteiligung keine Steuerbefreiung gewährt wird, wenn der Erwerber innerhalb von 15 Jahren vor dem Erwerbsvorgang seinen Anteil an dem Vermögen der Personengesellschaft erworben hat. Die Befreiung soll nur dann nicht gelten, wenn einer der Erwerbe der Anteile am Gesellschaftsvermögen durch diesen Erwerber zu einem Erwerbsvorgang im Sinne des § 1 Abs. 2a GrEStG geführt hat. Auch das Gesetz zur Abwehr von Steuervermeidung und unfairem Steuerwettbewerb und zur Änderung weiterer Gesetze (StAbwG) hat zu einer Ergänzung der §§ 5 und 6 GrEStG geführt. Danach finden die Steuerbefreiungen keine Anwendung, wenn die erwerbende Gesellschaft eine Gesellschaft im Sinne des § 1 Abs. 1 Körperschaftsteuergesetz (KStG) mit Sitz im Ausland ist, sich aber der Ort der Geschäftsleitung im Inland befindet und diese nach inländischem Gesellschaftsrecht als Personengesellschaft behandelt wird. Schließlich wird auch eine weitere Änderung des Grunderwerbsteuerrechts durch das Gesetz zur Modernisierung des Körperschaftsteuerrechts (KöMoG) zum 1. Januar 2022 in Kraft treten. Danach sind Personen- oder Partnerschaftsgesellschaften auf unwiderruflichen Antrag wie Kapitalgesellschaften und ihre Gesellschafter wie die nicht persönlich haftenden Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft zu behandeln. Die Möglichkeit der Option besteht bereits für 2021 und wird bei entsprechender Antragstellung, soweit das Wirtschaftsjahr dem Kalenderjahr entspricht, zum 1. Januar 2022 wirksam. Da der ursprüngliche Gesetzentwurf nicht das Grunderwerbsteuerrecht betraf, hätte hiernach die Möglichkeit bestanden, Grundbesitz des Gesellschafters ohne Grunderwerbsteuerbelastung auf eine optierende Personengesellschaft zu übertragen und dort gegebenenfalls Vorteile der Körperschaftsbesteuerung in Anspruch zu nehmen. Die Übertragung eines Grundstücks auf eine Kapitalgesellschaft ist aber grundsätzlich nicht ohne Anfall von Grunderwerbsteuer möglich. Folglich können nun aufgrund der Ergänzungen der §§ 5 und 6 GrEStG bei der Übertragung auf eine optierende Personengesellschaft die grunderwerbsteuerlichen Vergünstigungen frühestens fünf beziehungsweise zehn Jahre nach der Option in Anspruch genommen werden. Wird zunächst das Grundstück übertragen und dann optiert, wird innerhalb der vorgenannten Frist rückwirkend Grunderwerbsteuer ausgelöst.
Auswirkungen auf Share Deals
Die Begründungen des Gesetzesentwurfs zur Änderung des Grunderwerbsteuerrechts lesen sich recht interessant. So wurde unter anderem ausgeführt, dass es nicht weiter hinnehmbar sei, dass die durch Gestaltungen herbeigeführten Steuerausfälle von denjenigen finanziert werden, denen solche Gestaltungen nicht möglich sind. Ziel sei die Verhinderung von Missbrauch durch verschiedene Einzelmaßnahmen sowie die Gleichheit der Besteuerung. Mit der Aussage – denen solche Gestaltungen nicht möglich sind – dürften vor allem die Privathaushalte gemeint sein, die überwiegend, wenn überhaupt, einmal in ihrem Leben eine Immobilie erwerben. Soweit dadurch eine Gleichheit der Besteuerung erreicht werden soll, wurde offensichtlich nicht bedacht, dass die unterschiedliche Besteuerung von Personen- und Kapitalgesellschaften auf der einen Seite und Privatpersonen auf der anderen Seite dem deutschen Besteuerungssystem immanent ist. Auf die Verhinderung von Missbrauch abzustellen, erscheint in diesem Zusammenhang jedenfalls eine doch recht forsche Begründung zu sein, bestanden die alten Regeln doch seit bereits rund 20 Jahren und gehören Share Deals auch im internationalen Wettbewerb zum absoluten Standard. Im Bereich der Projektentwicklung, die Share-Deal-Transaktionen in der Vergangenheit genutzt haben, kann sich dies auch negativ darauf auswirken, mehr Wohnraum zu schaffen und die Kosten zu senken. Investoren werden sich aufgrund der gegebenenfalls zusätzlichen wirtschaftlichen Belastung oder aufgrund einer notwendigen Kapitalbindung vielleicht gegen die Umsetzung eines Projekts entscheiden oder sie geben eine gegebenenfalls zusätzlich entstehende Belastung im Rahmen der Preisgestaltung einfach weiter. Betroffen wären dann diejenigen, die eine Immobilie erwerben wollen. Sind dies dann Privathaushalte, würde eine Zielrichtung des Gesetzgebers wohl verfehlt.
Politische Korrekturversuche
Dies scheint mittlerweile zumindest teilweise auch in der Politik angekommen zu sein. So fand sich im Wahlprogramm einer Partei unter dem Punkt „Förderung von Wohneigentum“ die Aussage, dass es den Ländern ermöglicht werden solle, einen Freibetrag bei der Grunderwerbsteuer von 250.000 Euro pro Erwachsenem plus 100.000 Euro pro Kind beim erstmaligen Erwerb selbst genutzten Wohnraums zu gewähren. Was genau die Folge sein soll, wenn nicht alle Länder von dieser Möglichkeit Gebrauch machen, blieb allerdings offen. Andere wollten gemäß ihrem Wahlprogramm die Grunderwerbsteuer beim Erwerb von Immobilien zur Eigennutzung gleich ganz abschaffen und die Grunderwerbsteuer für Käufer ohne deutsche Staatsbürgerschaft, deren Hauptwohnsitz im Ausland liegt, auf 20 Prozent erhöhen. Dies dürfte dann sicherlich zulasten des Investitionsstandorts Deutschland gehen. Ganz speziell las sich auch ein weiteres Programm, wonach die Grunderwerbsteuer wieder einmal offensichtlich reformiert werden solle, sodass auch anteilige Immobilienkäufe (ab über 50 Prozent) anteilig besteuert werden sollen. Dadurch sollen Share Deals weitgehend unattraktiv werden. All dies scheint tatsächlich ernst gemeint und mancher wird dies nur noch kopfschüttelnd zur Kenntnis nehmen können.
Berechtigte Kritik
Man hätte sicherlich im Gesetzgebungsverfahren – wenn denn die Steuergerechtigkeit im Vordergrund gestanden hätte – auf entsprechende Entlastungen für selbst genutztes Wohneigentum eingehen müssen. Auch die Attraktivität von Share Deals wurden durch die Neuerungen offensichtlich nicht gesteigert, sondern deren Weg durchaus steiniger gestaltet. Dass all dies eher darauf abzielte, Steuermehreinnahmen zu generieren als die Steuergerechtigkeit zu fördern, dürfte in diesem Kontext deutlich herauskommen. Aber zu diesem Zweck wird auch gerne in die Privatautonomie eingegriffen und als Begründung die Steuerumgehung ins Feld geführt, deren Preis die Einschränkung der Handlungsfreiheit im gesellschaftsorganisatorischen Bereich sei. Die eingeführte Börsenklausel erscheint gleichfalls nicht geeignet, zur Klärung beizutragen, sondern ist eher lückenhaft, da beispielsweise mittelbare Anteilsübertragungen und andere relevanten Börsenplätze, etwa Zürich oder London, von dem Anwendungsbereich nicht erfasst sind und auch nicht alle finanzmarktrelevanten Maßnahmen, wie zum Beispiel Kapitalerhöhungen oder Aktienrückkäufe berücksichtigt werden. Als Konsequenz daraus werden zum Beispiel in der Schweiz oder Großbritannien notierte Anlagevehikel während der Haltedauer von deutschen Immobilien zukünftig regelmäßig mit potenziellen Grunderwerbsteuern konfrontiert. Eine gewisse diskriminierende Wirkung kann dem sicherlich nicht abgesprochen werden. Im Übrigen wird man sich auch an dieser Stelle die Frage gefallen lassen müssen, ob eine Benachteiligung nicht börsennotierter Kapitalgesellschaften tatsächlich zu rechtfertigen ist. Auch führen die Maßnahmen zu weiterem Verwaltungsaufwand, sowohl bei den Unternehmen als auch bei der Finanzverwaltung. Wie der neue Ergänzungstatbestand für Kapitalgesellschaften, aber auch die Verlängerung der Haltefristen, insbesondere bei komplexen Beteiligungsstrukturen, nachgehalten werden soll, ist derzeit eher noch unklar. Es droht ein strukturelles Vollzugsdefizit. Was das zur Folge haben kann, ist aus der Vergangenheit bekannt. Letztlich führt auch die Änderung durch das StAbwG zu erheblichen Bedenken. Da keine Fristenregelungen vorgesehen sind, ist ein Hineinwachsen in eine Steuerbefreiung – anders als unter den Regelungen des KöMoG – nicht möglich. Man wird sich daher überlegen müssen, ob eine solche Ungleichbehandlung von zur Körperschaftsteuer optierenden inländischen Personengesellschaften und ausländischen Gesellschaften, die von dem Anwendungsbereich dieser Regelung erfasst sind, unter dem Gesichtspunkt des Diskriminierungsverbots tatsächlich haltbar ist.
Fazit
Die neuen Regelungen können sicherlich dazu führen, das Steueraufkommen weiter zu erhöhen. Ob damit der Steuergerechtigkeit Genüge getan wurde, ist angesichts der verfassungsrechtlichen, aber auch der unionsrechtlichen Bedenken einzelner Regelungen sicherlich fraglich und es bleibt nur noch abzuwarten, wann und wie sich die höchstrichterliche Rechtsprechung hierzu äußern wird.
MEHR DAZU
Fachliteratur Kompaktwissen für GmbH-Berater Grunderwerbsteuer: Gestaltungsmöglichkeiten und Tücken, 2. Auflage,