Grunderwerbsteuer - 25. November 2021

Der Schuss ging daneben

Die gesetzlichen Änderungen zielen darauf ab, Missbrauch zu verhindern und für Steuergerechtigkeit zu sorgen. Tatsächlich aber bestehen unions- und verfassungsrechtliche Bedenken, die zu einer höchstrichterlichen Überprüfung führen dürften.

Am 12. Mai 2021 wurde das Gesetz zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) ausgefertigt, das nun seit dem 1. Juli 2021 in Kraft ist. Da der Gesetzgeber immer wieder das gleiche Argument der Steuerumgehung beziehungs­weise Missbrauchsverhinderung sowie der Gleichheit der Be­steuerung für den Erlass neuer Steuergesetze vorbringt, sollen nachfolgend die wesentlichen Neuregelungen kurz skizziert und versucht werden, mittels Anmerkungen die Motive und Auswirkungen dieser Änderungen auch aus anderer Perspekti­ve zu betrachten.

Änderungen in § 1 Abs. 2a GrEStG

Unter der bis zum 30. Juni 2021 geltenden Fassung galt bei ei­ner Personengesellschaft, zu deren Vermögen ein inländisches Grundstück gehörte, die unmittelbare oder mittelbare Ände­rung des Gesellschafterbestands innerhalb von fünf Jahren in Höhe von mindestens 95 Prozent der Anteile am Gesellschaf­tervermögen durch Übertragung auf neue Gesellschafterin be­ziehungsweise Gesellschafter als ein auf die Übereignung ei­nes Grundstücks auf eine neue Personengesellschaft gerichte­tes Rechtsgeschäft. Der Schwellenwert von 95 Prozent wurde mit grundsätzlicher Wirkung ab dem 1. Juli 2021 auf 90 Pro­zent gesenkt und flankierend hierzu der sogenannte Betrach­tungszeitraum von fünf auf zehn Jahre verlängert. Soweit eine Kapitalgesellschaft unmittelbar an der jeweiligen Personenge­sellschaft beteiligt ist, gilt diese vollumfänglich als neue Ge­sellschafterin im Sinne dieser Vorschrift, wenn mindestens 90 Prozent der an ihr bestehenden Anteile auf neue Gesell­schafter übergehen (§ 1 Abs. 2a S. 4 GrEStG). Bei mehrstufi­gen Beteiligungen gilt Vorstehendes auf der Ebene jeder mit­telbar beteiligten Kapitalgesellschaft entsprechend. Anzuwen­den ist die Vorschrift grundsätzlich auf Erwerbsvorgänge, die seit dem 1. Juli 2021 verwirklicht werden. Die Verlängerung der Frist von fünf auf zehn Jahre darf aber nicht dazu führen, dass ein Gesellschafter im Sinne dieser Vorschrift von einem Alt- zu einem Neugesellschafter wird, weswegen Übergänge von Anteilen am Gesellschaftsvermögen auf Gesellschafter un­berücksichtigt bleiben, die mit Ablauf des 30. Juni 2021 keine neuen Gesellschafter mehr sind (vgl. § 23 Abs. 19 GrEStG). Bei an der Personengesellschaft beteiligten Kapitalgesellschaften findet hingegen rückwirkend die abgesenkte Beteiligungs­grenze von 90 Prozent Anwendung, was zur Folge haben kann, dass eine (un)mittelbar beteiligte Kapitalgesellschaft als neue Gesellschafterin qualifiziert werden muss und die von ihr gehaltene Beteiligung bei der Ermittlung der auf neue Gesell­schafter übergegangenen Anteile mitzählt.

Neu eingefügter § 1 Abs. 2b GrEStG

Verschärfend wurde mit dem Gesetz ein Ergänzungstatbe­stand eingeführt, der an den Gesellschafterbestand von grund­besitzenden Kapitalgesellschaften anknüpft. Vergleichbar mit den bereits bestehenden Regelungen zu Personengesellschaf­ten greift dieser ein, wenn sich innerhalb von zehn Jahren der Gesellschafterbestand einer grundbesitzenden Kapitalgesell­schaft dergestalt ändert, dass mindestens 90 Prozent der An­teile auf neue Gesellschafter übergehen. Maßgeblicher Zeit­punkt ist die zivilrechtlich wirksame Anteilsübertragung, also das Verfügungsgeschäft. Die neue Regelung erfasst neben un­mittelbaren auch mittelbare Änderungen des Gesellschafter­bestands und ist gegenüber weiteren im GrEStG verankerten Ergänzungstatbeständen vorrangig. Damit ist es künftig grundsätzlich nicht mehr möglich, im Rahmen einer Transakti­on 100 Prozent der Anteile – aufgeteilt auf zwei Erwerber – zu übertragen. Lediglich eine Übertragung von 89,9 Prozent unter Zurückbehaltung der restlichen 10,1 Prozent der Anteile durch den Veräußerer würde einen Anfall von Grunderwerbsteuer grundsätzlich noch verhindern. Steuerschuldner ist die grund­besitzende Kapitalgesellschaft (§ 13 Nr. 7 GrEStG). Anders als bei den ähnlichen Regelungen zu grundstücksbesitzenden Per­sonengesellschaften sind sogenannte personenbezogene Steu­erbefreiungen nicht anzuwenden. Es wer­den nur solche Änderungen im Gesellschaf­terbestand berücksichtigt, die nach dem 30. Juni 2021 erfolgen (§ 23 Abs. 23 GrEStG).

Aufnahme einer Börsenklausel

Eingeführt wurde auch die sogenannte Bör­senklausel (§ 1 Abs. 2c GrEStG). Danach gel­ten die (Neu-)Regelungen des § 1 Abs. 2a S. 1 und Abs. 2b S. 1 GrEStG nicht für Kapi­talgesellschaften, deren Anteile an einem or­ganisierten Markt im Rahmen der EU, des EWR oder an einem Drittlandhandelsplatz, der von der EU-Kommission als gleich­wertig erklärt wurde, zugelassen sind, soweit der Anteilsüber­gang aufgrund eines Geschäfts an diesem Markt oder Drittland­handelsplatz oder einem multilateralen Handelssystem erfolgt. Die Regelung gilt für alle Erwerbe seit dem 1. Juli 2021.

Ergänzungen der §§ 5 und 6 GrEStG

Die zeitlichen Fristen der §§ 5 und 6 GrEStG – Grunderwerb­steuerbefreiung bei einem Übergang auf und von einer Gesamt­hand – sowie des § 7 GrEStG – Befreiung bei Umwandlung von gemeinschaftlichem Eigentum in Flächeneigentum – wurden je­weils von fünf auf zehn Jahre hochgeschleust. Im Rahmen des § 6 GrEStG wurde zudem ein neuer Abs. 4 Nr. 3 eingefügt, wo­nach der bei einem Erwerbsvorgang der Anteilsvereinigung oder der wirtschaftlichen Beteiligung keine Steuerbefreiung ge­währt wird, wenn der Erwerber innerhalb von 15 Jahren vor dem Erwerbsvorgang seinen Anteil an dem Vermögen der Per­sonengesellschaft erworben hat. Die Befreiung soll nur dann nicht gelten, wenn einer der Erwerbe der Anteile am Gesell­schaftsvermögen durch diesen Erwerber zu einem Erwerbsvor­gang im Sinne des § 1 Abs. 2a GrEStG geführt hat. Auch das Ge­setz zur Abwehr von Steuervermeidung und unfairem Steuer­wettbewerb und zur Änderung weiterer Gesetze (StAbwG) hat zu einer Ergänzung der §§ 5 und 6 GrEStG geführt. Danach fin­den die Steuerbefreiungen keine Anwendung, wenn die erwer­bende Gesellschaft eine Gesellschaft im Sinne des § 1 Abs. 1 Körperschaftsteuergesetz (KStG) mit Sitz im Ausland ist, sich aber der Ort der Geschäftsleitung im Inland befindet und diese nach inländischem Gesellschaftsrecht als Personengesellschaft behandelt wird. Schließlich wird auch eine weitere Änderung des Grunderwerbsteuerrechts durch das Gesetz zur Moderni­sierung des Körperschaftsteuerrechts (KöMoG) zum 1. Januar 2022 in Kraft treten. Danach sind Personen- oder Partner­schaftsgesellschaften auf unwiderruflichen Antrag wie Kapital­gesellschaften und ihre Gesellschafter wie die nicht persönlich haftenden Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft zu behan­deln. Die Möglichkeit der Option besteht bereits für 2021 und wird bei entsprechender Antragstellung, soweit das Wirtschafts­jahr dem Kalenderjahr entspricht, zum 1. Januar 2022 wirksam. Da der ursprüngliche Gesetzentwurf nicht das Grunderwerbsteuerrecht betraf, hätte hiernach die Möglichkeit bestanden, Grund­besitz des Gesellschafters ohne Grunder­werbsteuerbelastung auf eine optierende Personengesellschaft zu übertragen und dort gegebenenfalls Vorteile der Körper­schaftsbesteuerung in Anspruch zu nehmen. Die Übertragung eines Grundstücks auf eine Kapitalgesellschaft ist aber grundsätzlich nicht ohne Anfall von Grunderwerbsteuer möglich. Folglich können nun aufgrund der Ergänzungen der §§ 5 und 6 GrEStG bei der Übertragung auf eine optierende Personengesellschaft die grunderwerbsteuerli­chen Vergünstigungen frühestens fünf beziehungsweise zehn Jahre nach der Option in Anspruch genommen werden. Wird zunächst das Grundstück übertragen und dann optiert, wird in­nerhalb der vorgenannten Frist rückwirkend Grunderwerbsteu­er ausgelöst.

Auswirkungen auf Share Deals

Die Begründungen des Gesetzesentwurfs zur Änderung des Grunderwerbsteuerrechts lesen sich recht interessant. So wur­de unter anderem ausgeführt, dass es nicht weiter hinnehmbar sei, dass die durch Gestaltungen herbeigeführten Steuerausfälle von denjenigen finanziert werden, denen solche Gestaltungen nicht möglich sind. Ziel sei die Verhinderung von Missbrauch durch verschiedene Einzelmaßnahmen sowie die Gleichheit der Besteuerung. Mit der Aussage – denen solche Gestaltungen nicht möglich sind – dürften vor allem die Privathaushalte ge­meint sein, die überwiegend, wenn überhaupt, einmal in ihrem Leben eine Immobilie erwerben. Soweit dadurch eine Gleich­heit der Besteuerung erreicht werden soll, wurde offensichtlich nicht bedacht, dass die unterschiedliche Besteuerung von Per­sonen- und Kapitalgesellschaften auf der einen Seite und Privat­personen auf der anderen Seite dem deutschen Besteuerungs­system immanent ist. Auf die Verhinderung von Missbrauch ab­zustellen, erscheint in diesem Zusammenhang jedenfalls eine doch recht forsche Begründung zu sein, bestanden die alten Re­geln doch seit bereits rund 20 Jahren und gehören Share Deals auch im internationalen Wettbewerb zum absoluten Standard. Im Bereich der Projektentwicklung, die Share-Deal-Transaktio­nen in der Vergangenheit genutzt haben, kann sich dies auch negativ darauf auswirken, mehr Wohnraum zu schaffen und die Kosten zu senken. Investoren werden sich aufgrund der gege­benenfalls zusätzlichen wirtschaftlichen Belastung oder auf­grund einer notwendigen Kapitalbindung vielleicht gegen die Umsetzung eines Projekts entscheiden oder sie geben eine ge­gebenenfalls zusätzlich entstehende Belastung im Rahmen der Preisgestaltung einfach weiter. Betroffen wären dann diejeni­gen, die eine Immobilie erwerben wollen. Sind dies dann Privat­haushalte, würde eine Zielrichtung des Gesetzgebers wohl ver­fehlt.

Politische Korrekturversuche

Dies scheint mittlerweile zumindest teilweise auch in der Politik angekommen zu sein. So fand sich im Wahlprogramm einer Par­tei unter dem Punkt „Förderung von Wohneigentum“ die Aussa­ge, dass es den Ländern ermöglicht werden solle, einen Freibe­trag bei der Grunderwerbsteuer von 250.000 Euro pro Erwach­senem plus 100.000 Euro pro Kind beim erstmaligen Erwerb selbst genutzten Wohnraums zu gewähren. Was genau die Folge sein soll, wenn nicht alle Länder von dieser Möglichkeit Ge­brauch machen, blieb allerdings offen. Andere wollten gemäß ihrem Wahlprogramm die Grunderwerbsteuer beim Erwerb von Immobilien zur Eigennutzung gleich ganz abschaffen und die Grunderwerbsteuer für Käufer ohne deutsche Staatsbürger­schaft, deren Hauptwohnsitz im Ausland liegt, auf 20 Prozent er­höhen. Dies dürfte dann sicherlich zulasten des Investitionsstandorts Deutschland gehen. Ganz speziell las sich auch ein weiteres Programm, wonach die Grunderwerbsteuer wieder ein­mal offensichtlich reformiert werden solle, sodass auch anteilige Immobilienkäufe (ab über 50 Prozent) anteilig besteuert werden sollen. Dadurch sollen Share Deals weitgehend unattraktiv wer­den. All dies scheint tatsächlich ernst gemeint und mancher wird dies nur noch kopfschüttelnd zur Kenntnis nehmen können.

Berechtigte Kritik

Man hätte sicherlich im Gesetzgebungsverfahren – wenn denn die Steuergerechtigkeit im Vordergrund gestanden hätte – auf entsprechende Entlastungen für selbst genutztes Wohneigen­tum eingehen müssen. Auch die Attraktivität von Share Deals wurden durch die Neuerungen offensichtlich nicht gesteigert, sondern deren Weg durchaus steiniger gestaltet. Dass all dies eher darauf abzielte, Steuermehreinnahmen zu generieren als die Steuergerechtigkeit zu fördern, dürfte in diesem Kontext deutlich herauskommen. Aber zu diesem Zweck wird auch ger­ne in die Privatautonomie eingegriffen und als Begründung die Steuerumgehung ins Feld geführt, deren Preis die Einschrän­kung der Handlungsfreiheit im gesellschaftsorganisatorischen Bereich sei. Die eingeführte Börsenklausel erscheint gleichfalls nicht geeignet, zur Klärung beizutragen, sondern ist eher lü­ckenhaft, da beispielsweise mittelbare Anteilsübertragungen und andere relevanten Börsenplätze, etwa Zürich oder London, von dem Anwendungsbereich nicht erfasst sind und auch nicht alle finanzmarktrelevanten Maßnahmen, wie zum Beispiel Kapitalerhöhungen oder Aktienrückkäufe berücksichtigt wer­den. Als Konsequenz daraus werden zum Beispiel in der Schweiz oder Großbritannien notierte Anlagevehikel während der Halte­dauer von deutschen Immobilien zukünftig regelmäßig mit po­tenziellen Grunderwerbsteuern konfrontiert. Eine gewisse dis­kriminierende Wirkung kann dem sicherlich nicht abgesprochen werden. Im Übrigen wird man sich auch an dieser Stelle die Fra­ge gefallen lassen müssen, ob eine Benachteiligung nicht bör­sennotierter Kapitalgesellschaften tatsächlich zu rechtfertigen ist. Auch führen die Maßnahmen zu weiterem Verwaltungsauf­wand, sowohl bei den Unternehmen als auch bei der Finanzver­waltung. Wie der neue Ergänzungstatbestand für Kapitalgesell­schaften, aber auch die Verlängerung der Haltefristen, insbeson­dere bei komplexen Beteiligungsstrukturen, nachgehalten wer­den soll, ist derzeit eher noch unklar. Es droht ein strukturelles Vollzugsdefizit. Was das zur Folge haben kann, ist aus der Ver­gangenheit bekannt. Letztlich führt auch die Änderung durch das StAbwG zu erheblichen Bedenken. Da keine Fristenregelun­gen vorgesehen sind, ist ein Hineinwachsen in eine Steuerbe­freiung – anders als unter den Regelungen des KöMoG – nicht möglich. Man wird sich daher überlegen müssen, ob eine solche Ungleichbehandlung von zur Körperschaftsteuer optierenden inländischen Personengesellschaften und ausländischen Gesell­schaften, die von dem Anwendungsbereich dieser Regelung er­fasst sind, unter dem Gesichtspunkt des Diskriminierungsver­bots tatsächlich haltbar ist.

Fazit

Die neuen Regelungen können sicherlich dazu führen, das Steu­eraufkommen weiter zu erhöhen. Ob damit der Steuergerechtig­keit Genüge getan wurde, ist angesichts der verfassungsrechtlichen, aber auch der unionsrechtlichen Bedenken einzelner Re­gelungen sicherlich fraglich und es bleibt nur noch abzuwarten, wann und wie sich die höchstrichterliche Rechtspre­chung hierzu äußern wird.

Zum Autor

JB
John Büttner

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Steuerrecht bei der Kanzlei FPS in Frankfurt am Main

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