Nachfolgeberatung - 25. März 2021

Den Störfall mit einplanen

Bei der Übergabe eines Unternehmens, aber auch der Übertragung von Geschäftsanteilen, denken Unternehmer und Berater beziehungsweise Unternehmerinnen und Beraterinnen immer noch viel zu selten an Gründe und Möglichkeiten eines Rückforderungsrechts.

Soll ein Unternehmen geordnet an die nächste Generation weitergereicht werden, kommt es regelmäßig zur Übertragung noch zu Lebzeiten des Unternehmers. Das hat für alle Beteiligten viele Vorteile. Es können aber auch Situationen auftreten, die sich der Senior beim Ausscheiden aus seinem Unternehmen anders vorgestellt hat. Der ihn begleitende Berater sollte bei der Planung daher auch die Frage behandeln, ob und unter welchen Voraussetzungen Rückforderungsrechte vorbehalten werden sollen – die sogenannte Störfallvorsorge. Dies wird der Unternehmer, wenn man ihn darauf hinweist, vielleicht schon selbst verlangen, da er mit dem Unternehmen auf das Engste verbunden ist und ihm die Übergabe in neue Hände schwerfällt. Vertragliche Rückforderungsrechte dienen dabei der Einflussnahme des Übergebenden, vor allem aber der Störfallvorsorge. Der Vertrag kann drei Arten von Rückforderungsrechten enthalten: gesetzliche, vertragliche und freie.

Gesetzliche Gründe

Bei einer Unternehmensnachfolge – vor allem auch in der Familie – handelt es sich nicht jedes Mal um eine Schenkung. Die Interessen der Beteiligten sind denen von Schenkenden und Beschenkten aber ähnlich, sodass § 527 BGB bei Nichtvollziehung der Auflage, § 528 BGB bei Verarmung des Schenkers und § 530 BGB bei Widerruf der Schenkung – ohne explizite Aufnahme in den Vertrag – anwendbar sind. Im Interesse von Klarheit und Rechtssicherheit sollte dies trotzdem im Vertrag geregelt werden. Des Weiteren kann – in der Praxis eher selten – die Unternehmensübertragung rückgängig gemacht werden, wenn sich der Beschenkte durch eine schwere Verfehlung gegen den Schenker oder einen nahen Angehörigen des Schenkers groben Undanks schuldig macht, etwa durch die Bedrohung des Lebens, körperliche Misshandlungen oder schwere Beleidigungen, haltlose, aber auch begründete Strafanzeigen, belastende Aussagen trotz Aussageverweigerungsrechts, einen grundlosen Antrag auf Entmündigung, Pflegschaft oder Betreuung.

Enumerative vertragliche Gründe

Die Beteiligten werden in der Regel eine umfassende Liste von Gründen vereinbaren, die in der Entwicklung des Unternehmens oder aber auch in der Person des Nachfolgers liegen und die aus Sicht des Altunternehmers unerfreulich sind. Das ist nach herrschender Meinung möglich, wenn ein sachlicher Grund angeführt wird. Ein wichtiger Grund, wie er zur Auflösungsklage im Sinne des § 133 Handelsgesetzbuchs (HGB) oder zur Rechtfertigung des Ausschlusses eines GmbH-Gesellschafters notwendig ist, muss hingegen nicht vorliegen. Entscheidend ist die Abgrenzung zum freien Widerrufsrecht dadurch, dass der Altgesellschafter die Widerrufsvoraussetzungen nicht selbst herbeiführen kann. Nachfolgend aufgeführt sind die in der Praxis wichtigsten Gründe.

Vorversterben

Verstirbt der Nachfolger zeitnah, ist die Unternehmensnachfolge gescheitert. In der Regel werden die Kinder des Nachfolgers noch nicht in der Lage sein, das Unternehmen selbstständig weiterzuführen. Der Nachfolger kann auch verpflichtet werden, aus Sicht des Seniors nicht nachfolgeberechtigte Personen (Ehepartner, Stiefkinder) von der Nachfolge in die Gesellschaft auszuschließen.

Zwangsvollstreckung oder Pfändung

Ein besonders wichtiger Grund für den Widerruf liegt bei Zwangsvollstreckungsmaßnahmen oder Pfändungen in die Unternehmensbeteiligung vor. Das Unternehmen soll durch den Nachfolger weitergeführt werden und nicht in die Hände familien- oder gesellschaftsferner Dritter gelangen.

Krise, Insolvenz und Restrukturierung

Dies ist auch entscheidend bei insolvenzbedingten Rückforderungsrechten oder – jetzt aktuell – bei solchen für den Fall der Einleitung eines Restrukturierungsverfahrens. Hierbei ist zu differenzieren, ob es sich um die (Privat-)Insolvenz des Nachfolgers als natürliche Person oder um die Insolvenz des Unternehmens handelt. Bei der Insolvenz des Unternehmens ist aufgrund der Nachversteuerungstatbestände wichtig, dass die Rückübertragung nicht automatisch geschieht. Der Altunternehmer sollte die Chance haben, abzuwägen zwischen der Vermeidung einer schenkungsteuerrechtlichen Nachbelastung des Erwerbers einerseits und der Gefahr eigener Inanspruchnahme andererseits, etwa aufgrund des Ausfallhaftungstatbestands des § 24 Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG). Infrage kommt auch das Risiko einer vorangegangenen Rückzahlung der Haftsumme eines Kommanditisten nach § 172 Abs. 4 HGB. Gleiches gilt, wenn mitübertragene negative Privatkonten bestehen, die Darlehensansprüche der Gesellschaft gegen Gesellschafter repräsentieren, oder das Kapitalkonto aktivisch geworden ist, was ebenfalls Zahlungsansprüche der Gesellschaft gegen den Gesellschafter zur Folge hat. Beim Rückforderungstatbestand aufgrund einer (drohenden) Pleite des Unternehmens sollte die Rückforderung bereits im Vorfeld der Insolvenz geschehen. Nur dann hat der Altunternehmer die Gelegenheit, das Unternehmen wieder zu sanieren.

Kündigung, Austritt, Auflösungsklage

Soll die Kündigung der Gesellschaft als Widerrufsgrund in den Vertrag aufgenommen werden, muss dies mit dem Gesellschaftsvertrag abgestimmt werden, um zu vermeiden, dass bereits die Kündigung als solche zum Ausscheiden aus der Gesellschaft führt. Damit wäre eine gesellschaftsvertraglich geschuldete Abfindung zu zahlen, und das Rückforderungsrecht einschließlich der daran anknüpfenden Abfindungsregelung liefe mangels vorhandenen Gesellschaftsanteils ins Leere.

Zugewinnausgleich

Soll die – auch nur finanzielle – Beteiligung des Schwiegerkinds an der Familiengesellschaft ausgeschlossen werden, kann ein Rückforderungsrecht vereinbart werden, wenn die Ehe oder eingetragene Lebenspartnerschaft des Nachfolgers beendet wird und der Geschäftsanteil nicht aus einem lebzeitigen Zugewinnausgleich oder aus Ansprüchen aus einer Gütergemeinschaft herausgenommen wurde.

Verfügung über den Geschäftsanteil

Soll das Unternehmen im Familienbesitz bleiben, ist eine Regelung sinnvoll, die ausschließt, dass der Nachfolger ohne Einwilligung des Seniors über den Geschäftsanteil oder einen Teil des Geschäftsanteils verfügt, daran typische oder atypische Unterbeteiligungen einräumt oder Dritten – die nicht Gesellschafter oder nachfolgeberechtigte Personen im Sinne der Satzung der Gesellschaft sind – sonstige Sicherungsrechte einräumt. Darunter fallen auch Treuhandschaften, wie zum Beispiel Übertragungs- oder Vereinbarungstreuhand, sowie der Abschluss von Stimmbindungsverträgen oder sonstigen Verträgen, die eine unmittelbare oder mittelbare Einflussnahme auf die Gesellschaft ermöglichen. Mittelbare Verfügungen über einen Geschäftsanteil oder einen Teil des Geschäftsanteils sind hiervon ebenfalls umfasst.

Gründe in der Person des Nachfolgers

Oft sind für den Senior auch Rückforderungsrechte von Bedeutung, die in der Person des Nachfolgers liegen und die Weiterführung seines Lebenswerks direkt betreffen, wie etwa die Geschäftsfähigkeit des Neuunternehmers und seine Mitarbeit im Unternehmen. Seltener entscheidend ist die Frage nach dem Lebenswandel des Nachfolgers, so jedoch bei Freiheitsstrafe ohne Bewährung oder Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus sowie Drogenabhängigkeit oder einer vergleichbaren schweren Suchterkrankung, insbesondere Alkoholsucht, krankhafter Spielsucht, Eintritt in eine Sekte oder in eine verfassungsfeindliche Organisation.

Freies Widerrufsrecht

Es ist nicht endgültig geklärt, ob im Vertrag bei unentgeltlich erworbenen Gesellschaftsanteilen auch ein freies, voraussetzungsloses Rückforderungsrecht vereinbart werden kann. Betont wird, dass es keine Gesellschafter zweiter Klasse gebe. In der Praxis wird ein solches Recht aus psychologischen Gründen vereinbart, da sich der Altgesellschafter noch nicht endgültig von seinem Unternehmen trennen kann. Der BGH hat rein gesellschaftsrechtliche Hinauskündigungsklauseln in Mitarbeiter- und Managermodellen für zulässig befunden, ebenso bei Kooperationsverträgen, denen gegenüber das Gesellschaftsverhältnis wirtschaftlich zurücktritt: bei Freiberuflergesellschaften während der Probezeit sowie bei einer im Testament angeordneten Hinauskündigungsklausel für eine durch Auflage neu zu gründende Gesellschaft. Das wird auch auf den Fall der geschenkten Beteiligungen an rein vermögensverwaltenden Gesellschaften übertragen. Die Gegner eines freien Widerrufsrechts halten dies mit den Grundprinzipien des Gesellschaftsrechts für unvereinbar. Der beschenkte neue Gesellschafter sitze damit ständig auf einem Schleudersitz, der ihn vom Wohlwollen des Schenkers abhängig mache, und verhindere, dass er ganz im Interesse der Gesellschaft handele.

Altgesellschafter bleibt in der Gesellschaft

Eine weitere Möglichkeit der Kontrolle über den Nachfolger hat der Altgesellschafter, wenn er – gegebenenfalls nur für gewisse Zeit – mit einem kleinen Anteil in der Gesellschaft verbleibt. Dem Altunternehmer kann beispielsweise ein Mehrstimmrecht eingeräumt werden.

Insolvenzfestigkeit von Rückforderungsrechten

Eine entscheidende Frage ist, wie Rückforderungsrechte insolvenzfest gestaltet werden können. Es kann dazu im Übertragungsvertrag die aufschiebend bedingte Rückabtretung erklärt werden, die unter § 161 Abs. 1 S. 2 BGB fällt und damit trotz Verlust der Verfügungsbefugnis durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht mehr verhindert werden kann. Ob das auch bei einer auflösend bedingten Zuwendung an den Beschenkten gemäß § 161 Abs. 2 BGB besteht, ist ungeklärt. Der Wortlaut erfasst nur den Schutz vor Verfügungen des durch die Bedingung belasteten Erwerbers, nicht aber gegen Verfügungen des Insolvenzverwalters oder Verfügungen im Rahmen der Zwangsvollstreckung. Problematisch ist die Vereinbarung bedingter Rückforderungsrechte beziehungsweise auflösend bedingter Übertragungen auch aufgrund § 119 Insolvenzordnung (InsO), der insbesondere solche Vereinbarungen für unwirksam erklärt, die das Insolvenzverwalterwahlrecht nach § 103 InsO ausschließen oder beschränken. 2012 hat der BGH Lösungsklauseln in fortlaufenden Lieferverträgen wegen § 119 InsO für unwirksam erklärt. Nach ganz überwiegender Meinung sind bedingte Rückforderungsrechte sowohl im Rahmen der Insolvenz als auch bei Einleitung eines Restrukturierungsverfahrens nicht als derartige Lösungsklauseln zu behandeln. Solange es keine Rechtsprechung gibt, wird teilweise empfohlen, die Lösungsklausel statt an die Insolvenz an insolvenzunabhängige, vorgelagerte Sachverhalte anzuknüpfen, wie etwa Zahlungsverzug, sonstige Vertragsverletzungen, Einzelzwangsvollstreckung oder Vermögensverschlechterung. Die Vereinbarung eines Rückforderungsrechts ausschließlich für den Fall der Insolvenz oder eine Zwangsvollstreckung könnte wegen Gläubigerbenachteiligung der Anfechtung unterliegen. Es sollten weitere Rückforderungsfälle mit aufgenommen werden. Darüber hinaus dürfte eine Gläubigerbenachteiligung in Fällen der vorbehaltenen Rückforderung nur dann gegeben sein, wenn der Erwerber Aufwendungen oder Verwendungen aus seinem sonstigen Vermögen auf den erworbenen Gesellschaftsanteil tätigt und diese im Fall der Rückforderung nicht erstattet bekommt. Ansonsten haben die Gläubiger keinen schützenswerten Anspruch darauf, dass die Vermögensübertragung ohne den Vorbehalt der Rückforderung erfolgt.

Fazit

Widerrufs- und Rückforderungsrechte sind erprobte und geeignete Mittel zur Risikovorsorge bei einer vor allem auch familiären Unternehmensnachfolge. Die einzelnen Rückforderungsgründe sind mit dem Altunternehmer zu diskutieren und die aktuellen Entwicklungen der Rechtsprechung, insbesondere bei insolvenzrechtlichen Fragestellungen, zu beachten.

Mehr dazu

Fachbuch „Unternehmens- und Vermögensnachfolge“, www.datev.de/shop/36030

Zum Autor

HH
Prof. Dr. Heribert Heckschen

Notar in Dresden

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