Corona-Maßnahmen und ihre Folgen - 28. April 2022

Den Bumerang abfangen

Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und Rechtsanwälte werden sich zunehmend mit Fällen zu beschäftigen haben, in denen ihren Mandanten Steuerhinterziehung oder Subventionsbetrug vorgeworfen wird; dies aufgrund der bewilligten Corona- Soforthilfen, gewährten Stundungen oder Kurzarbeitergeld.

Seit nun mehr als zwei Jahren hält die Coro­na-Pandemie die gesamte Weltbevölkerung im Griff. Das stellt Unternehmen, aber auch Privatpersonen vor massive finanzielle Probleme. Der Staat hilft finanziell, in­dem er zusätzliche Schulden in erheblichem Umfang auf­nimmt, um den Bedürftigen durch Soforthilfen, Kurzarbei­tergeld, Steuerzahlungsstundungen, Aussetzungen von Vollstreckungen, Überbrückungsgelder und andere Maß­nahmen zu helfen. Insbesondere sind die Kleinstunterneh­men und Soloselbstständige wegen ernstlicher Gefährdung ihrer wirtschaftlichen und oft auch persönlichen Existenz auf die staatliche Unterstützung durch die sogenannten Co­rona-Hilfen angewiesen. In jedem Bundesland werden die­se Hilfen nach Einreichen spezieller Antragsformulare durch die Staatsorgane bearbeitet und im positiven Fall den Bedürftigen gewährt. Diese Antragsformulare unterschei­den sich in ihren Formulierungen zwischen den verschiede­nen Bundesländern nur sehr gering. In diesem Zusammen­hang können Stundungen von Steuerzahlungen und Kurzar­beitergeld jedoch strafrechtlich sehr relevant sein. Für An­tragsteller und deren Helfer, wie etwa Steuerberater, Rechtsanwälte und Wirtschaftsprüfer, ist es wichtig zu wis­sen, was sie steuerstrafrechtlich beziehungsweise straf­rechtlich unbedingt zu beachten haben.

Strafrechtliche Relevanz

Antragstellerinnen und Antragsteller, die Corona-Soforthil­fen beantragen, tun dies gegenüber den für sie zuständigen Behörden beziehungsweise eingeschalteten Stellen oder Personen, den sogenannten Subventionsgebern. Bei diesen Soforthilfen handelt es sich dann um Subventionen gemäß § 264 Abs. 8 S. 1 Strafgesetzbuch (StGB), die dem Antrag­steller als sogenannte verlorene Zuschüsse ohne eine marktmäßige Gegenleistung von den Ländern aus öffentli­chen Mitteln nach Bundes- oder Landesrecht gewährt wer­den, sofern er für ihn vorteilhafte, aber unrichtige Angaben über aufgrund eines Gesetzes vom Subventionsgeber als subventionserheblich bezeichnete Tatsachen macht (§ 264 Abs. 9 Nr. 1 Variante 2 StGB).

Rechtsprechung

Wenn der Antragsteller dabei betrügerisch über subventi­onserhebliche Tatsachen täuscht, die in den jeweiligen An­tragsformularen in der gebotenen Klar­heit als solche bezeichnet sind, begeht er eine Straftat als Subventionsbetrug ge­mäß § 264 Abs. 1 Nr. 1 StGB. So ent­schied jedenfalls der Bundesgerichtshof (BGH), der einen vorbestraften Angeklag­ten in sieben Fällen wegen Gewährung von insgesamt 50.000 Euro zu einer Ge­samtfreiheitsstrafe von drei Jahren und zehn Monaten verurteilte (BGH-Urteil vom 04.05.2021 – 6 StR 137/21, die Revi­sion blieb erfolglos). Entsprechend ent­schieden auch das Amtsgericht (AG) Berlin-Tiergarten (Ur­teil vom 17.07.2020 – 328 Ls 4/20, noch nicht rechtskräftig) und das Landgericht (LG) Augsburg (Beschluss vom 02.11.2020 – 10 Qs 1054/20). Sofern ein Antragsteller be­reits vor Beantragung der Corona-Soforthilfen finanzielle Schwierigkeiten hatte und unberechtigterweise die Corona-Soforthilfen erhielt, scheiden jedoch ein Betrug und gege­benenfalls der speziellere Subventionsbetrug aus, wenn die Corona-Pandemie zumindest mitursächlich für den Liquidi­tätsengpass des subventionierten Unternehmens war (LG Rostock, Beschluss vom 19.08.2020, 18 Qs 115/20). In die­sem Fall ist entscheidend, wie die Anträge in den jeweiligen Antragsformularen inhaltlich ausformuliert wurden. Eine Passage des vorformulierten Antragsformulars könnte etwa enthalten, dass der Antragsteller versichere, die existenzbe­drohliche Wirtschaftslage beziehungsweise der Liquidi­tätsengpass seien eine Folgewirkung der Corona-Pandemie vom Frühjahr 2020; insbesondere wegen der Bedeutung des Worts „Folgewirkung“ führt dies dazu, dass die Corona-Pandemie nicht alleinige Ursache für die schlechte wirt­schaftliche Situation war beziehungsweise diese Situation erst seit der Corona-Pandemie besteht (vgl. zu weiteren Ein­zelheiten LG Rostock, Beschluss vom 19.08.2020, 18 Qs 115/20, insbesondere die Seiten 4 und 5).

Steuerhinterziehung aufgrund von Stundungen

Falls ein Antrag auf Stundung von Steuerzahlungen nach § 222 S. 2 der Abgabenordnung (AO) wegen schwieriger fi­nanzieller Lage infolge der Corona-Pandemie gestellt wurde und diesem Antrag vom zuständigen Finanzamt nach Er­messen gemäß § 222 S. 1 AO durch Verwaltungsakt im Sin­ne des § 118 S. 1 AO entsprochen wird, hat dies nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Folge, dass dadurch die Fälligkeit des Steueranspruchs hinausge­schoben wird (vgl. BFH-Urteil vom 08.07.2004 – VII – R 55/03, BStBl II 2005,7). Im Falle einer Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO wird oft übersehen, dass das Ge­setz eine Täuschung durch den Steuerhinterzieher explizit nicht vorschreibt, wenn er unrichtige oder unvollständige Angaben über steuerlich erhebliche Tatsachen gegenüber den Finanzämtern oder anderen Behör­den macht und dadurch Steuern verkürzt werden oder der Steuerhinterzieher Steu­ervorteile erlangt. Eine Ursächlichkeit zwischen den falschen Angaben und der Steuerverkürzung beziehungsweise dem Steuervorteil reicht hier im objektiven Tatbestand der Steuerhinterziehung aus (BGH-Urteil vom 19.12.1990 – 3 StR 90/90, BGHSt 37, 266). Gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO sind als steuerlich erheb­liche Tatsachen auch solche Tatsachen zu verstehen, die nicht nur den Grund und die Höhe des Steu­eranspruchs, sondern auch Tatsachen über Stundungen be­treffen (BGH – Urteil vom 27.09.2002 – 5 StR 97/02). Die nicht gerechtfertigte Gewährung einer Stundung von Steu­erzahlungen durch das zuständige Finanzamt stellt einen rechtswidrig erlangten Steuervorteil gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO dar (vgl. Jäger in Klein, AO, 15. Aufl. 2020, § 370 Rz. 43). Wenn also der Antragsteller bei seinem Stundungs­antrag wahrheitswidrige oder unvollständige Angaben über seine Zahlungsfähigkeit macht, indem er zum Beispiel seine schwierige finanzielle Lage infolge der Corona-Pandemie nur dem Anschein nach vorschiebt, verwirklicht er damit den Tatbestand einer Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO, da auch die Erlangung eines nicht gerecht­fertigten Steuervorteils den Tatbestand des § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO erfüllt.

Kurzarbeitergeld

Bei der Beantragung von Kurzarbeitergeld wird die normale betriebliche Arbeitszeit vorübergehend verkürzt. Arbeitge­ber können die Kurzarbeit anordnen, sofern ein triftiger Grund, vor allem ein erheblicher Arbeitsausfall, vorliegt. Die dafür erforderlichen gesetzlichen Grundlagen sind im Sozialgesetzbuch (SGB) in den §§ 95–99 SGB III geregelt. Zudem ist die Kurzarbeitergeld-Verordnung (KugV) zu be­achten, in der nach § 1 Nr. 1 KugV die Kurzarbeit angeord­net werden kann, wenn mindestens zehn Prozent der Be­schäftigten vom Entgeltausfall betroffen sind. Wenn ein Ar­beitgeber seinen Mitarbeiter im Rahmen der Gewährung von Kurzarbeitergeld weiterhin gesetzeswidrig über den Umfang der Kurzarbeit hinaus beschäftigt, bezieht der Ar­beitnehmer ein Arbeitsentgelt, das ihm gesetzlich nicht zu­steht; dies ist ein Fall der sogenannten Schwarzarbeit. Der Arbeitgeber macht sich dadurch strafbar gemäß § 266a Abs. 1 StGB (Vorenthalten von Arbeitsentgelt), weil für den betreffenden Zeitraum kein Lohn an den Arbeitnehmer aus­gezahlt wird (BGH-Urteil vom 16.05.2000 – VI ZR 90/99).

Berufsneutrale Handlungen

Für Steuerberater, Rechtsanwälte und Wirtschaftsprüfer kommen vor allem Teilnahmehandlungen in Betracht, einmal die Anstiftung nach § 26 StGB und zum anderen Beihilfe nach § 27 StGB. Ein Anstifter verursacht die Haupttat, etwa durch Antragstellung von Corona-Soforthilfen für einen Un­ternehmer, indem er den Vorsatz des Haupttäters – hier des den Antrag stellenden Unternehmers – hervorruft. Als Gehil­fe wirkt er an der Haupttat durch psychische oder physische Unterstützung mit, so auch durch Stärkung des Tatentschlus­ses. Anstiftungen durch Steuerberater, Rechtsanwälte und Wirtschaftsprüfer sind hier schwer vorstellbar, weil durch den Anstifter andere Menschen zur Begehung einer Straftat bewegt werden sollen. Dies ist nur schwer mit den Berufs­pflichten der Steuerberater, Rechtsanwälte und Wirtschafts­prüfer zu vereinbaren. Deswegen ist in den meisten Fällen strafrechtlich nur eine Beihilfe nach § 27 StGB relevant. Für die genannten Berufsträger sind daher in diesem Zusammen­hang die Grundsätze der sogenannten berufsneutralen Hand­lungen unbedingt zu beachten. Danach ist die Beihilfe nach § 27 StGB zu den Haupttaten wie einer Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1 AO oder dem Vorenthalten von Arbeits­entgelt (§ 266a Abs. 1 StGB) zu bejahen, wenn das Handeln des Haupttäters, beispielsweise des Antragstellers der Coro­na-Soforthilfen, ausschließlich darauf abzielt, eine strafbare Handlung zu begehen; weiß dies der Hilfeleistende, also der Steuerberater, Rechtsanwalt oder Wirtschaftsprüfer, ist der Tatbeitrag des Hilfeleistenden als Beihilfehandlung gemäß § 27 StGB strafbar (BGH-Urteil vom 22.01.2014 – 5 StR 468/12). Es kann aber auch sein, dass der Hilfeleistende nicht weiß, wie der von ihm geleistete Beitrag vom Haupttäter ver­wendet wird. Hält er es lediglich für möglich, dass sein Tun zur Begehung einer Straftat genutzt wird, so ist sein Handeln regelmäßig noch nicht als strafbare Beihilfehandlung nach § 27 StGB zu beurteilen; denn sein Tun verliert dadurch noch nicht den Alltagscharakter, es sei denn, das von ihm erkannte Risiko eines strafbaren Verhaltens durch den von ihm Unter­stützten war derart hoch, dass er sich mit seiner Hilfeleistung die Förderung eines erkennbar tatgeneigten Täters angele­gen sein ließ (BGH-Urteil vom 22.01.2014 – 5 StR 468/12).

Fazit

Das ganze Ausmaß eines Subventionsbetrugs wegen der Co­rona-Soforthilfen wird sich aller Voraussicht nach erst dann zeigen, wenn die Corona-Pandemie beendet ist und keine So­forthilfen mehr an die Unternehmen fließen. Außerdem ist auch damit zu rechnen, dass mehr Ermittlungsverfahren von den Finanzbehörden wegen des Verdachts der Begehung der Steuerhinterziehungen eingeleitet werden. Vor allem aus den ungerechtfertigt erlangten Steuervorteilen infolge der ge­währten Stundungszahlungen könnte sich ein solcher Ver­dacht ergeben.

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Zum Autor

Konstantin Weber

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Steuerrecht, Inhaber der WEBER RECHT & STEUERN Kanzlei mit Standorten in Karlsruhe und Baden-Baden; Seine Tätigkeitsschwerpunkte sind Umsatzsteuerrecht, Steuerstrafrecht und Steuerstreitrecht (Einspruchs- und Finanzgerichtsverfahren)

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