Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und Rechtsanwälte werden sich zunehmend mit Fällen zu beschäftigen haben, in denen ihren Mandanten Steuerhinterziehung oder Subventionsbetrug vorgeworfen wird; dies aufgrund der bewilligten Corona- Soforthilfen, gewährten Stundungen oder Kurzarbeitergeld.
Seit nun mehr als zwei Jahren hält die Corona-Pandemie die gesamte Weltbevölkerung im Griff. Das stellt Unternehmen, aber auch Privatpersonen vor massive finanzielle Probleme. Der Staat hilft finanziell, indem er zusätzliche Schulden in erheblichem Umfang aufnimmt, um den Bedürftigen durch Soforthilfen, Kurzarbeitergeld, Steuerzahlungsstundungen, Aussetzungen von Vollstreckungen, Überbrückungsgelder und andere Maßnahmen zu helfen. Insbesondere sind die Kleinstunternehmen und Soloselbstständige wegen ernstlicher Gefährdung ihrer wirtschaftlichen und oft auch persönlichen Existenz auf die staatliche Unterstützung durch die sogenannten Corona-Hilfen angewiesen. In jedem Bundesland werden diese Hilfen nach Einreichen spezieller Antragsformulare durch die Staatsorgane bearbeitet und im positiven Fall den Bedürftigen gewährt. Diese Antragsformulare unterscheiden sich in ihren Formulierungen zwischen den verschiedenen Bundesländern nur sehr gering. In diesem Zusammenhang können Stundungen von Steuerzahlungen und Kurzarbeitergeld jedoch strafrechtlich sehr relevant sein. Für Antragsteller und deren Helfer, wie etwa Steuerberater, Rechtsanwälte und Wirtschaftsprüfer, ist es wichtig zu wissen, was sie steuerstrafrechtlich beziehungsweise strafrechtlich unbedingt zu beachten haben.
Strafrechtliche Relevanz
Antragstellerinnen und Antragsteller, die Corona-Soforthilfen beantragen, tun dies gegenüber den für sie zuständigen Behörden beziehungsweise eingeschalteten Stellen oder Personen, den sogenannten Subventionsgebern. Bei diesen Soforthilfen handelt es sich dann um Subventionen gemäß § 264 Abs. 8 S. 1 Strafgesetzbuch (StGB), die dem Antragsteller als sogenannte verlorene Zuschüsse ohne eine marktmäßige Gegenleistung von den Ländern aus öffentlichen Mitteln nach Bundes- oder Landesrecht gewährt werden, sofern er für ihn vorteilhafte, aber unrichtige Angaben über aufgrund eines Gesetzes vom Subventionsgeber als subventionserheblich bezeichnete Tatsachen macht (§ 264 Abs. 9 Nr. 1 Variante 2 StGB).
Rechtsprechung
Wenn der Antragsteller dabei betrügerisch über subventionserhebliche Tatsachen täuscht, die in den jeweiligen Antragsformularen in der gebotenen Klarheit als solche bezeichnet sind, begeht er eine Straftat als Subventionsbetrug gemäß § 264 Abs. 1 Nr. 1 StGB. So entschied jedenfalls der Bundesgerichtshof (BGH), der einen vorbestraften Angeklagten in sieben Fällen wegen Gewährung von insgesamt 50.000 Euro zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und zehn Monaten verurteilte (BGH-Urteil vom 04.05.2021 – 6 StR 137/21, die Revision blieb erfolglos). Entsprechend entschieden auch das Amtsgericht (AG) Berlin-Tiergarten (Urteil vom 17.07.2020 – 328 Ls 4/20, noch nicht rechtskräftig) und das Landgericht (LG) Augsburg (Beschluss vom 02.11.2020 – 10 Qs 1054/20). Sofern ein Antragsteller bereits vor Beantragung der Corona-Soforthilfen finanzielle Schwierigkeiten hatte und unberechtigterweise die Corona-Soforthilfen erhielt, scheiden jedoch ein Betrug und gegebenenfalls der speziellere Subventionsbetrug aus, wenn die Corona-Pandemie zumindest mitursächlich für den Liquiditätsengpass des subventionierten Unternehmens war (LG Rostock, Beschluss vom 19.08.2020, 18 Qs 115/20). In diesem Fall ist entscheidend, wie die Anträge in den jeweiligen Antragsformularen inhaltlich ausformuliert wurden. Eine Passage des vorformulierten Antragsformulars könnte etwa enthalten, dass der Antragsteller versichere, die existenzbedrohliche Wirtschaftslage beziehungsweise der Liquiditätsengpass seien eine Folgewirkung der Corona-Pandemie vom Frühjahr 2020; insbesondere wegen der Bedeutung des Worts „Folgewirkung“ führt dies dazu, dass die Corona-Pandemie nicht alleinige Ursache für die schlechte wirtschaftliche Situation war beziehungsweise diese Situation erst seit der Corona-Pandemie besteht (vgl. zu weiteren Einzelheiten LG Rostock, Beschluss vom 19.08.2020, 18 Qs 115/20, insbesondere die Seiten 4 und 5).
Steuerhinterziehung aufgrund von Stundungen
Falls ein Antrag auf Stundung von Steuerzahlungen nach § 222 S. 2 der Abgabenordnung (AO) wegen schwieriger finanzieller Lage infolge der Corona-Pandemie gestellt wurde und diesem Antrag vom zuständigen Finanzamt nach Ermessen gemäß § 222 S. 1 AO durch Verwaltungsakt im Sinne des § 118 S. 1 AO entsprochen wird, hat dies nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Folge, dass dadurch die Fälligkeit des Steueranspruchs hinausgeschoben wird (vgl. BFH-Urteil vom 08.07.2004 – VII – R 55/03, BStBl II 2005,7). Im Falle einer Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO wird oft übersehen, dass das Gesetz eine Täuschung durch den Steuerhinterzieher explizit nicht vorschreibt, wenn er unrichtige oder unvollständige Angaben über steuerlich erhebliche Tatsachen gegenüber den Finanzämtern oder anderen Behörden macht und dadurch Steuern verkürzt werden oder der Steuerhinterzieher Steuervorteile erlangt. Eine Ursächlichkeit zwischen den falschen Angaben und der Steuerverkürzung beziehungsweise dem Steuervorteil reicht hier im objektiven Tatbestand der Steuerhinterziehung aus (BGH-Urteil vom 19.12.1990 – 3 StR 90/90, BGHSt 37, 266). Gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO sind als steuerlich erhebliche Tatsachen auch solche Tatsachen zu verstehen, die nicht nur den Grund und die Höhe des Steueranspruchs, sondern auch Tatsachen über Stundungen betreffen (BGH – Urteil vom 27.09.2002 – 5 StR 97/02). Die nicht gerechtfertigte Gewährung einer Stundung von Steuerzahlungen durch das zuständige Finanzamt stellt einen rechtswidrig erlangten Steuervorteil gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO dar (vgl. Jäger in Klein, AO, 15. Aufl. 2020, § 370 Rz. 43). Wenn also der Antragsteller bei seinem Stundungsantrag wahrheitswidrige oder unvollständige Angaben über seine Zahlungsfähigkeit macht, indem er zum Beispiel seine schwierige finanzielle Lage infolge der Corona-Pandemie nur dem Anschein nach vorschiebt, verwirklicht er damit den Tatbestand einer Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO, da auch die Erlangung eines nicht gerechtfertigten Steuervorteils den Tatbestand des § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO erfüllt.
Kurzarbeitergeld
Bei der Beantragung von Kurzarbeitergeld wird die normale betriebliche Arbeitszeit vorübergehend verkürzt. Arbeitgeber können die Kurzarbeit anordnen, sofern ein triftiger Grund, vor allem ein erheblicher Arbeitsausfall, vorliegt. Die dafür erforderlichen gesetzlichen Grundlagen sind im Sozialgesetzbuch (SGB) in den §§ 95–99 SGB III geregelt. Zudem ist die Kurzarbeitergeld-Verordnung (KugV) zu beachten, in der nach § 1 Nr. 1 KugV die Kurzarbeit angeordnet werden kann, wenn mindestens zehn Prozent der Beschäftigten vom Entgeltausfall betroffen sind. Wenn ein Arbeitgeber seinen Mitarbeiter im Rahmen der Gewährung von Kurzarbeitergeld weiterhin gesetzeswidrig über den Umfang der Kurzarbeit hinaus beschäftigt, bezieht der Arbeitnehmer ein Arbeitsentgelt, das ihm gesetzlich nicht zusteht; dies ist ein Fall der sogenannten Schwarzarbeit. Der Arbeitgeber macht sich dadurch strafbar gemäß § 266a Abs. 1 StGB (Vorenthalten von Arbeitsentgelt), weil für den betreffenden Zeitraum kein Lohn an den Arbeitnehmer ausgezahlt wird (BGH-Urteil vom 16.05.2000 – VI ZR 90/99).
Berufsneutrale Handlungen
Für Steuerberater, Rechtsanwälte und Wirtschaftsprüfer kommen vor allem Teilnahmehandlungen in Betracht, einmal die Anstiftung nach § 26 StGB und zum anderen Beihilfe nach § 27 StGB. Ein Anstifter verursacht die Haupttat, etwa durch Antragstellung von Corona-Soforthilfen für einen Unternehmer, indem er den Vorsatz des Haupttäters – hier des den Antrag stellenden Unternehmers – hervorruft. Als Gehilfe wirkt er an der Haupttat durch psychische oder physische Unterstützung mit, so auch durch Stärkung des Tatentschlusses. Anstiftungen durch Steuerberater, Rechtsanwälte und Wirtschaftsprüfer sind hier schwer vorstellbar, weil durch den Anstifter andere Menschen zur Begehung einer Straftat bewegt werden sollen. Dies ist nur schwer mit den Berufspflichten der Steuerberater, Rechtsanwälte und Wirtschaftsprüfer zu vereinbaren. Deswegen ist in den meisten Fällen strafrechtlich nur eine Beihilfe nach § 27 StGB relevant. Für die genannten Berufsträger sind daher in diesem Zusammenhang die Grundsätze der sogenannten berufsneutralen Handlungen unbedingt zu beachten. Danach ist die Beihilfe nach § 27 StGB zu den Haupttaten wie einer Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1 AO oder dem Vorenthalten von Arbeitsentgelt (§ 266a Abs. 1 StGB) zu bejahen, wenn das Handeln des Haupttäters, beispielsweise des Antragstellers der Corona-Soforthilfen, ausschließlich darauf abzielt, eine strafbare Handlung zu begehen; weiß dies der Hilfeleistende, also der Steuerberater, Rechtsanwalt oder Wirtschaftsprüfer, ist der Tatbeitrag des Hilfeleistenden als Beihilfehandlung gemäß § 27 StGB strafbar (BGH-Urteil vom 22.01.2014 – 5 StR 468/12). Es kann aber auch sein, dass der Hilfeleistende nicht weiß, wie der von ihm geleistete Beitrag vom Haupttäter verwendet wird. Hält er es lediglich für möglich, dass sein Tun zur Begehung einer Straftat genutzt wird, so ist sein Handeln regelmäßig noch nicht als strafbare Beihilfehandlung nach § 27 StGB zu beurteilen; denn sein Tun verliert dadurch noch nicht den Alltagscharakter, es sei denn, das von ihm erkannte Risiko eines strafbaren Verhaltens durch den von ihm Unterstützten war derart hoch, dass er sich mit seiner Hilfeleistung die Förderung eines erkennbar tatgeneigten Täters angelegen sein ließ (BGH-Urteil vom 22.01.2014 – 5 StR 468/12).
Fazit
Das ganze Ausmaß eines Subventionsbetrugs wegen der Corona-Soforthilfen wird sich aller Voraussicht nach erst dann zeigen, wenn die Corona-Pandemie beendet ist und keine Soforthilfen mehr an die Unternehmen fließen. Außerdem ist auch damit zu rechnen, dass mehr Ermittlungsverfahren von den Finanzbehörden wegen des Verdachts der Begehung der Steuerhinterziehungen eingeleitet werden. Vor allem aus den ungerechtfertigt erlangten Steuervorteilen infolge der gewährten Stundungszahlungen könnte sich ein solcher Verdacht ergeben.
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