Die Anforderungen der Mandanten gehen inzwischen weit über die klassischen Dienstleistungen hinaus. Immer wieder lassen sich spannende, neue Betätigungsfelder erkennen, aber nur, wenn man offen ist für die Zukunft. Davon überzeugt ist Martin Klumpp, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater in Singen.
DATEV magazin: Was versteht man eigentlich unter betriebswirtschaftlicher Beratung – speziell aus Sicht des steuerlichen Beraters?
Martin Klumpp: Das ist ein Überbegriff, der verschiedene Themenbereiche vereint, mit denen die kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) täglich konfrontiert sind. Im Prinzip versucht man damit abzubilden, dass die Mandandten häufig keine Kaufleute sind. Das heißt, sie können beispielsweise keine Auswertungen lesen und interpretieren, keine Planungsrechnungen aufstellen oder betriebswirtschaftliche Analysen erstellen. Hier kommt dann der Steuerberater mit der betriebswirtschaftlichen Beratung ins Spiel.
Haben Sie einige Beispiele aus Ihrer betriebswirtschaftlichen Beratung parat?
Ein Mandant von uns, eine Schlosserei, hatte eigentlich viele Aufträge, machte aber trotz voller Auslastung zu wenig Umsatz. Bei der gemeinsamen Analyse fiel auf, dass die zuständigen Mitarbeiterinnen zu wenig abrechneten, weil sie mit anderen Aufgaben überlastet waren. Daraufhin haben wir das Personal neu organisiert und somit das Problem in den Griff bekommen. Ein anderes Beispiel sind Beratungsleistungen bei Investitionsentscheidungen, etwa bei der Entscheidung zwischen Leasing oder Finanzierung. Schließlich ist auch bei den Lohnkosten in Form von Lohnanalysen beziehungsweise bei Entscheidungen im Bereich der betrieblichen Organisationsstrukturen häufig eine betriebswirtschaftliche Beratung gewünscht und auch sinnvoll. Hier kann sich der Steuerberater mit den DATEV-Tools aus dem Bereich der Wirtschaftsberatung kompetent positionieren.
Welche Voraussetzungen benötigt man, um betriebswirtschaftlich beraten zu können?
Essenziell sind Kenntnisse in der Betriebs- beziehungsweise Volkswirtschaftslehre. Da die meisten Steuerberater heutzutage aber gelernte Kaufleute sind, müssten zumindest die wichtigsten Grundbegriffe geläufig sein. Spezielle Kenntnisse kann sich der Berater dann über Schulungen, Weiterbildungen oder ein Selbststudium aneignen. Hierzu bietet übrigens auch die DATEV Services an. Es gibt zunehmend Verlinkungen zu Schulungsvideos oder zu LEXinform.
Was raten Sie Kollegen, die nicht von der Universität kommen, sondern von den Finanzbehörden?
Diese steuerlichen Berater müssen zwingend zusätzliche Qualifikationen erwerben und ihr Fachwissen erweitern. Dafür gibt es aber spezielle Akademien, etwa die Controlling-Akademie in München, die zum Einstieg in die betriebswirtschaftliche Beratung sehr gute Basic-Kurse anbietet.
Hat diese Form der Beratung auch Auswirkungen auf die Mitarbeiter in der Kanzlei?
Auf jeden Fall, denn die Mitarbeiter müssen betriebswirtschaftlich qualifiziert werden und sich weiterbilden – ob sie wollen oder nicht. Manchmal muss auch die Zusammensetzung der Teams innerhalb einer Kanzlei nachjustiert werden. Dabei wachsen viele mit den neuen Aufgaben, die vom Berater auf den Mitarbeiter delegiert werden, etwa kleine Planungsrechnungen oder Buchhaltungsaufgaben im direkten Zusammenspiel mit den Mandanten. Andere wiederum beklagen sich, dass sie nicht wie bisher weiterarbeiten können. Ich rate dringend davon ab, diesen Mitarbeitern nachzugeben. Helfen Sie ihnen bei der Umstellung, aber trauen Sie sich auch, sich notfalls von ihnen zu trennen, wenn die Zusammenarbeit leidet.
Führt die betriebswirtschaftliche Beratung auch zu Änderungen bei den Kanzleiprozessen?
Nicht in so gravierendem Maße, wie man vielleicht glaubt. Die Kanzleistruktur, die über die Jahre in einem dynamischen Prozess entstanden ist, hat sich durch die betriebswirtschaftliche Ausrichtung nicht merklich verändert. Bei uns ist mittlerweile nur ein großer Fuhrpark entstanden. Aber nicht, weil Autos für uns ein Statussymbol sind, sondern weil wir regelmäßig zu unseren Kunden fahren. Die Besprechung der komplexen Themen macht ein regelmäßiges betriebswirtschaftliches Consulting vor Ort notwendig.
Benötigt man für eine umfassende betriebswirtschaftliche Beratung ein Netzwerk an Spezialisten, und falls ja, wie findet man geeignete Partner?
Wegen der komplexen Themen ist ein Netzwerk sicher hilfreich. In Betracht kommen Spezialisten, die Steuerberater oder Anwälte sind – übrigens auch im Ausland. Aber das hängt von der Ausrichtung der Mandanten ab. Je größer und je internationaler sie aufgestellt sind, desto mehr kommt es auf ausländische Experten an, die sich in den einzelnen, unterschiedlichen Rechtssystemen speziell dem ausländischen Steuerrecht auskennen. Wir haben daher seit 17 Jahren regelmäßig Kontakt zu Steuerberatern in der Schweiz, in Österreich und Italien. Häufig haben wir unsere Kollegen über gemeinsame Mandanten kennengelernt, also eher zufällig. Voraussetzung dafür ist aber unbedingt, dass man offen auf Menschen zugehen kann.
Wie vermarktet man das Geschäftsfeld betriebswirtschaftliche Beratung erfolgreich bei den Mandanten?
In unserer Kanzlei läuft und lief das bisher eher intuitiv. Im Rahmen der Mandatsbearbeitung sprechen wir den Kunden darauf an, dass wir ein Problem erkannt haben. Aus unserer Erfahrung ist in erster Linie das persönliche Gespräch ein Türöffner. Denn, sobald der Mandant seinem Berater vertraut, kommt er bei Bedarf von selbst auf die Kanzlei zu und fordert die betriebswirtschaftliche Beratungsleistung ein. Bei Neukunden sprechen wir unsere Kompetenz insoweit bereits im Erstgespräch an. Mittlerweile leben wir auch von Referenzen, indem uns die Mandanten weiterempfehlen. Außerdem haben wir Flyer sowie entsprechende Hinweise auf unserer Homepage. Schließlich bieten wir regelmäßig Mandantenveranstaltungen für bis zu 40 Teilnehmer an. Dazu laden wir hauptsächlich bestehende Mandanten ein – die meist aber auch Freunde und Bekannte mitbringen. Das ist die beste Werbung!
Betriebswirtschaftliche Beratung wird nicht über die Gebührenordnung abgerechnet. Wie generieren Sie bei den Mandanten erfolgreich Honorare?
Der Mandant muss unbedingt einen Mehrwert erkennen, der für ihn spürbar ist. Das Honorar ergibt sich in diesem Fall nämlich nicht von selbst. Wir berechnen die Zeit, die wir mit dem Kunden verbringen, wir rechnen also in Stundensätzen je nach Zeitaufwand beziehungsweise Qualifikation der eingesetzten Mitarbeiter ab. Außerdem sprechen wir offensiv an, was auf den Mandanten finanziell zukommt. Beschwerden hatten wir bisher noch keine.
Viele Steuerberater scheuen die betriebswirtschaftliche Beratung wegen des Haftungsrisikos. Können Sie Ihren Kollegen insoweit die Angst nehmen?
Diesen Aspekt sollte jeder Berater unbedingt vorab mit der eigenen Berufshaftpflichtversicherung klären. Gegebenenfalls muss eine Ergänzung oder Erweiterung des Versicherungsumfangs mit dem Haftpflichtversicherer geklärt werden. Bei uns war erstaunlicherweise auch schon mit den bestehenden Konditionen viel möglich.
Wenn Sie betriebswirtschaftliche Beratung mit der klassischen Steuerberatung vergleichen, welche Vorzüge sehen Sie in der neuen Tätigkeit persönlich?
Menschen bei ihren Problemen zu helfen oder gestaltend beraten – das ist wesentlich schöner als das stupide Abtippen von Daten oder das Verwalten von Zahlenfriedhöfen. Die Interaktion mit anderen Menschen ist jedenfalls deutlich abwechslungsreicher, und die positiven Erfolgsmeldungen der Mandanten sind ein Motivationsschub. Wir genießen auch das Learning by Doing, das mit jedem individuellen Fall einhergeht.
Man muss für die Zukunft offen sein, denn es ergeben sich immer wieder neue Betätigungsfelder für den steuerlichen Berater.
Was raten Sie Kollegen, die sich bis heute praktisch noch ausschließlich auf die klassischen Aufgaben des Steuerberaters konzentrieren?
Vor uns liegen spannende Zeiten. Man muss für die Zukunft offen sein, denn es ergeben sich immer wieder neue Betätigungsfelder für den steuerlichen Berater, bei denen er als erster Ansprechpartner der Unternehmen geradezu prädestiniert ist. Ich vergleiche die klassische Steuerberatung häufig mit gebratenen Tauben, die meinen Kollegen direkt aus der selben Höhe und Richtung in den Mund fliegen. Da gab es bisher keinen Grund, etwas zu verändern. Aber Vorsicht, in Zukunft fliegen die Tauben zunehmend in andere Richtungen und Flughöhen und man muss als Berater für diese Veränderung bereit sein und sich anpassen, sonst kommen immer weniger Tauben bei einem an.
UNSER GESPRÄCHSPARTNER
MARTIN KLUMPP
Wirtschaftsprüfer und Steuerberater sowie Partner und Geschäftsführer der Trewitax Deutschland GmbH in Singen. Bis 2018 Dozent an der Dualen Hochschule BW Villingen-Schwenningen im Bereich Steuern und Wirtschaft.
Fotos: Nick David / Getty Images
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