Maßnahmen in der Krise - 28. Oktober 2020

Alternativlose Alternativen

Die anhaltende COVID-19-Pandemie lässt den wirtschaftlich angeschlagenen Unternehmen praktisch keine andere Wahl, als sich nun einen Überblick über die unterschiedlichen Verfahren von Sanierung und Insolvenz zu verschaffen.

Das deutsche Recht der Gesamtvollstreckung als Ausprägung des staatlichen Gewaltenmonopols durchlief zahlreiche Entwicklungen. Zwar war immer das Ziel, den Gleichlauf der Interessen von Gläubiger und Schuldner herbeizuführen. Die jeweils geltenden Regelungen unterschieden sich aber maßgeblich darin, wie dies erreicht werden sollte. So war die Konkursordnung des Deutschen Kaiserreichs von 1877 maßgeblich auf eine Abwicklung des schuldnerischen Unternehmens ausgerichtet. Sie wurde 1935 durch die Vergleichsordnung sowie in der DDR ab 1951 durch die Gesamtvollstreckungsordnung ergänzt. Die Insolvenzordnung (InsO) trat dann 1999 in Kraft, löste die vorgenannten Gesetze ab. Seitdem regelt sie die Verfahren der Gesamtvollstreckung in Deutschland.  Ihr Regelungsregime verfolgt zwar auch das Ziel einer bestmöglichen Befriedigung aller Gläubiger, jedoch räumt es dem schuldnerischen Unternehmen mehr Spielraum ein, um als Einheit fortbestehen zu können. Diese Tendenz zu mehr Autonomie des Insolvenzschuldners hat sich in den letzten Jahren durch das Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) aus 2011 sowie ganz aktuell durch den Referentenentwurf für ein Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (SanInsFoG) verstärkt. Nachfolgend sollen die aktuellen Möglichkeiten und Entwicklungen kurz skizziert werden.

Grundsätzliches

Die gängigen Insolvenz- und Restrukturierungsverfahren lassen sich grundsätzlich in zwei Abschnitte unterteilen. Der erste ist das dem Insolvenzantrag – Fremd- oder Eigenantrag des Schuldners – folgende Eröffnungsverfahren. In diesem Abschnitt wird vom Gericht geprüft, ob ein Insolvenzgrund (Zahlungsunfähigkeit und/oder Überschuldung; bei einem Eigenantrag auch die drohende Zahlungsunfähigkeit) vorliegt und die schuldnerische Masse dazu ausreicht, die zu erwartenden Kosten des Insolvenzverfahrens zu tragen. Wird dies bejaht, wird das Verfahren dann eröffnet und in den zweiten Abschnitt übergeleitet. Diesem ist in all seinen Ausprägungen gemein, dass man die Ansprüche der Gläubiger in ihrer Gesamtheit befriedigt.

Verbraucherinsolvenz

Das Hauptaugenmerk des Verbraucherinsolvenzverfahrens ist neben der bestmöglichen Gläubigerbefriedigung darauf gerichtet, dem Schuldner einen Wiedereinstieg in ein geregeltes Erwerbsleben zu ermöglichen. Dies wird im Wesentlichen dadurch erreicht, dass der Schuldner mit Verfahrensabschluss eine Restschuldbefreiung erhält mit der Folge, dass seine Gläubiger aus diesen Forderungen nicht mehr in sein Vermögen vollstrecken können.

Regelverfahren

Im Regelverfahren wird, soweit das schuldnerische Unternehmen oder die Einzelperson über einen laufenden Geschäftsbetrieb verfügen, vom Insolvenzgericht in der Mehrzahl der Fälle die vorläufige Insolvenzverwaltung angeordnet und ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt. Dieser Sachkundige hat die Aufgabe, das schuldnerische Vermögen zu sichten und zu sichern. Er soll den Status quo bewahren. Ist zu befürchten, dass die Handlungen des Schuldners zu einer Beeinträchtigung der Vermögensmasse des Schuldners führen, kann das Gericht dem vorläufigen Insolvenzverwalter direkt die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das schuldnerische Vermögen übertragen. Mit Verfahrenseröffnung endet dann die Tätigkeit des vorläufigen Insolvenzverwalters und es wird ein endgültiger Insolvenzverwalter bestellt, auf den die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über die Insolvenzmasse übergeht. Er nimmt die Vermögensmasse des Schuldners in Besitz und verwertet sie mit dem Ziel einer bestmöglichen Gläubigerbefriedigung. Im Idealfall wird der Insolvenzverwalter auch in diesen Fällen das schuldnerische Unternehmen erhalten. In der Regel bietet sich hier die übertragende Sanierung im Rahmen eines Asset-Deals an. Dabei werden die Gegenstände des schuldnerischen Vermögens auf einen neuen Rechtsträger übertragen und die Verbindlichkeiten des alten Rechtsträgers (GmbH, AG usw.) verbleiben beim Insolvenzverwalter. Gemäß § 613a des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) gehen mit dem Betrieb auch alle Arbeitnehmer auf den neuen Rechtsträger über.

Eigenverwaltung

Die Eigenverwaltung ermöglicht es, dass die Organe des schuldnerischen Unternehmens weiter über dessen Vermögen verfügen. Daher wird im Eröffnungsverfahren auch kein starker oder schwacher vorläufiger Insolvenzverwalter eingesetzt. Vielmehr wird ein vorläufiger Sachwalter bestellt, der als Bindeglied zwischen Unternehmen und Gericht dient. Dabei bleibt es auch nach Eröffnung des Verfahrens. Der nunmehr bestellte Sachwalter hat lediglich eine Kontrollfunktion, um es dem Gericht gegebenenfalls zu ermöglichen, die Eigenverwaltung aufzuheben und das Verfahren in ein Regelverfahren zu überführen. Eine Spielart der Eigenverwaltung ist das sogenannte Schutzschirmverfahren. Die Besonderheit dieses Verfahrens ist, dass das Gericht auf Antrag des Schuldners ein Vollstreckungsverbot anzuordnen hat und ihm zu erlauben, Masseverbindlichkeiten zu begründen. Bei dieser Verfahrensform muss der Schuldner aber einen Insolvenzplan zur Sanierung des Unternehmens einreichen.

Planverfahren

Das Planverfahren ist – strenggenommen – keine autarke Verfahrensform. Vielmehr stellt es eine Variante dar, wie man die zuvor genannten Verfahren ergänzen kann. Es zielt auf die Vorlage eines Insolvenzplans durch den Schuldner oder den Insolvenzverwalter ab. Grundsätzlich ist es möglich, diesen Plan der Gläubigerversammlung jederzeit zur Abstimmung vorzulegen. Es bietet sich aber an, die wesentlichen Punkte des Plans allen oder zumindest einer Mehrheit der Stimmberechtigten vorab vorzulegen, um sich einen Eindruck über die Erfolgsaussichten des Plans zu verschaffen. Mit dem Plan soll bezüglich der Forderungen aller Gläubiger ein Gesamtvergleich erreicht werden. Abstimmungsberechtigt sind zwar grundsätzlich alle Gläubiger, jedoch bedarf es einer Stimmen- und Kopfmehrheit innerhalb der jeweiligen Abstimmungsgruppen, um die Annahme des Plans herbeizuführen. Wichtig dabei ist, dass der angenommene Plan nicht nur für und gegen die Gläubiger wirkt, die ihm zugestimmt haben, sondern auch gegenüber denjenigen, die dagegen gestimmt oder nicht an der Abstimmung teilgenommen haben.

Vorinsolvenzliches Sanierungsverfahren

Das vorinsolvenzliche Sanierungsverfahren beziehungsweise das (SanInsFoG) befindet sich aktuell noch im Gesetzgebungsverfahren. Zwischenzeitlich liegt neben einem Referenten- auch ein Regierungsentwurf vor, die beide erahnen lassen, welche Richtung hier eingeschlagen werden soll. Mit den neuen Regelungen soll eine Insolvenz und das mit ihr verbundene Stigma vermieden werden. Der Schuldner soll die Möglichkeit erhalten, bei einer drohenden Zahlungsunfähigkeit Schutzmaßnahmen, die dem Insolvenzverfahren vorbehalten waren, wie etwa der Schutz vor einer Zwangsvollstreckung, in Anspruch nehmen zu können. Dies alles dient der Vorlage eines Plans durch den Schuldner, der sich dem Inhalt nach an den Vorgaben des Insolvenzplans orientieren soll. Es soll aber lediglich die fakultative Möglichkeit bestehen, dass, vergleichbar mit der Eigenverwaltung, eine Aufsichtsperson (Restrukturierungsbeauftragter) durch das Insolvenzgericht bestellt wird.  Einem Missbrauch dieses Verfahrens will der Gesetzgeber insbesondere dadurch Einhalt gebieten, dass ein größeres Haftungsrisiko der Organe des schuldnerischen Unternehmens begründet wird, sollte das vorinsolvenzliche Sanierungsverfahren in Anspruch genommen werden. Die Zielsetzung der Bundesregierung, das SanInsFoG bereits zum 01.01.2021 in Kraft treten zu lassen, verdeutlicht, welche Bedeutung die Politik dieser Materie zwischenzeitlich zumisst.

Zum Autor

TS
Thorben Schmidt

Rechtsanwalt und Insolvenzverwalter bei der WINKLER GOSSAK Rechtsanwaltsgesellschaft in Stuttgart

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