Grund­er­werb­steuer - 15. April 2019

Abgekartetes Spiel

Aufgrund offen­sicht­licher Un­gleich­be­hand­lungen bei der Trans­aktion von Grund­stücken ist die Reform des Grund­er­werb­steuer­ge­setzes längst über­fällig. Ob­gleich geplant, liegt immer noch kein Gesetz­ent­wurf vor, sodass über die in­halt­liche Aus­ge­stal­tung der Neu­re­gel­ung nur spe­ku­liert werden kann.

Insbesondere nach der Veröffentlichung der Vorschläge zur geplanten – und nach dem Urteil des Bundes­verfassungsgerichts (BVerfG) vom 10. April 2018 auch notwendig gewordenen – Reform der Grundsteuer droht die am 21. Juni 2018 von den Finanzministern der Länder angekündigte Reform der Grunderwerbsteuer derzeit still und leise in Ver­ges­sen­heit zu geraten. Das hessische Finanzministerium teilt diesen Eindruck offenbar und hat mit einer Pressemitteilung am 29. November 2018 das Bundesfinanzministerium der Finanzen (BMF) aufgefordert, die intern bereits vorliegenden Gesetzesentwürfe nun in das Gesetz­ge­bungs­ver­fahren einzubringen.

Reformbedarf

Gerade für die steuerliche Beratung im Zu­sam­men­hang mit Grundstückstransaktionen ist Letztere jedoch regelmäßig von weit größerer Bedeutung als die unvermeidbare Grund­steuer. Gerade im Bereich der gewerblichen beziehungsweise institutionellen Investoren, aber natürlich auch bei Grundstücken, die von Privatpersonen mittelbar über Gesellschaften gehalten werden, ging die Tendenz jedenfalls bis zur Ankündigung der Reform häufig zur Strukturierung als Share Deal, bei dem anstelle des Grundstücks selbst die Anteile an der Immobiliengesellschaft auf den Käufer übertragen werden. Bei einem Erwerb etwa mit einem Co-Investor, der mindestens 5,1 Prozent der Anteile an der Grundstücksgesellschaft erworben hat, konnte so die mittlerweile fast durchgängig recht hohe Grunderwerbsteuer vermieden werden. Da diese Strukturierung wegen der höheren Komplexität des Share Deals über­pro­por­tio­nal häufig von finanzstarken Investoren und naturgemäß sehr selten für den Erwerb eines durchschnittlichen Eigenheims genutzt wurde und wird, hat sich der Gesetz­geber berufen gefühlt, dieser Ungleichbehandlung durch eine Neu­re­ge­lung der einschlägigen Tatbestände des Grund­er­werb­steuer­ge­setzes ein Ende zu bereiten. Darüber hinaus wurden in den letzten Monaten einige interessante gleichlautende Erlasse der Länder zur Grund­er­werb­steuer im Zusammenhang mit der mittelbaren Übertragung von Grundstücken, die über Ge­sell­schaften gehalten werden, veröffentlicht. Diese sind bei Gestaltungsüberlegungen zu beachten. Die – naturgemäß recht knappe – Verlautbarung der Finanzminister der Länder vom 21. Juni 2018 enthält einige Hinweise auf den möglichen Inhalt der Gesetzesänderung, die allerdings in ihren Einzel­heiten weitgehend unklar oder jedenfalls inter­pre­ta­tions­be­dürftig sind. Ein Gesetzentwurf, der die konkrete Ausgestaltung und ins­be­son­dere auch den zeitlichen Anwendungsbereich der Neuregelung erkennen lassen würde, liegt bisher nicht vor.

Absenkung der maßgeblichen Beteiligungsquote

Kernpunkt der angekündigten Änderung ist es, die Beteiligungsquote, ab welcher ein Übergang des von der Gesellschaft gehaltenen Grundstücks fingiert wird, von derzeit 95 Prozent auf 90 Prozent zu senken. Mangels näherer Informationen ist davon auszugehen, dass sich die Herabsetzung der Quote sowohl auf Kapital- als auch auf Per­so­nen­ge­sell­schaften bezieht. Bei Letzteren wird es weiterhin auf die Kapitalbeteiligung ankommen und nicht auf die gesamt­hän­de­rische Mitberechtigung, die allen Gesellschaftern unabhängig von der Kapital­be­tei­li­gung in gleichem Umfang zusteht.

Beteiligung eines Altgesellschafters

Unklar dabei ist noch, ab welcher Beteiligungsdauer ein Gesellschafter als Altgesellschafter anzusehen ist.

Darüber hinaus wurde die Aufnahme eines zu­sätz­lichen Tatbestands als § 1 Abs. 2b Grund­er­werb­steuer­gesetz (GrEStG) angekündigt. Dieser soll eine parallele Regelung zu § 1 Abs. 2a GrEStG für die Übertragung von Anteilen an Kapitalgesellschaften darstellen, der die Steuerpflicht für Übertragungen von mindestens 95 Prozent der Anteile an einer Per­so­nen­ge­sellschaft auf sogenannte Neu­ge­sell­schafter innerhalb eines Zeitraums von fünf Jahren anordnet. Unklar ist dabei noch, ab welcher Beteiligungsdauer ein Gesellschafter als Alt­ge­sell­schafter anzusehen ist. Systematisch konsequent wäre hier wohl nur, dies ab einer Haltedauer von zehn ­Jahren anzunehmen.

Praxishinweis I

Somit wäre es auch bei Kapitalgesellschaften zukünftig nicht mehr möglich, mit zwei nicht verbundenen Co-Investoren steuerfrei zu erwerben. Vielmehr müssten Erwerber und Käufer sich darauf verständigen, dass der Verkäufer für zehn Jahre mit mindestens 10,1 Prozent an der Gesellschaft beteiligt bleibt. Die bereits zu beobachtende Problematik ist hierbei insbesondere, dass der Verkäufer auf mehr als zehn Prozent des Kaufpreises verzichten muss und dafür unter Umständen eine teure Bürgschaft verlangen wird. Darüber hinaus würde der Erwerb der verbliebenen Anteile nach zehn Jahren – allerdings beschränkt auf diese Anteile – Grund­er­werb­steuer auslösen. Gegebenenfalls kann dem Verkäufer der noch nicht fällige Kaufpreisanteil ganz oder teilweise über ein (partiarisches) Darlehen zur Verfügung gestellt werden.

Zeitlicher Geltungsbereich der Neuregelung

Für aktuell anstehende Transaktionen ist wohl zudie Frage am spannendsten, ab welchem Zeitpunkt die Neuregelung zu beachten ist und ob für deren Anwendung der Zeitpunkt der Unterzeichnung des Kaufvertrags (Signing) oder aber des rechtlichen Übergangs der Gesellschaftsanteile (Closing) maßgeblich ist. Häufig liegen zwischen diesen beiden Zeitpunkten Wochen oder gar Monate. Der all­ge­meine Beratungshinweis, die Zeit zwischen Signing und Closing möglichst kurz – im Optimalfall bei wenigen Tagen – zu halten, ist daher nicht immer mit den übrigen wirtschaftlichen Interessen der Be­tei­lig­ten in Einklang zu bringen. Von einzelnen Beratern wird zwar befürchtet, dass eine Neu­re­ge­lung sogar auf den Tag der Veröffentlichung der Presse­mit­tei­lung, also den 21. Juni 2018, zurück­wirken und alle Transaktionen, die danach beurkundet wurden, betreffen könnte, da ab diesem Zeitpunkt kein schützenswertes Vertrauen mehr in die Fortgeltung der (noch) aktuellen Regelung bestehe. Mit einer solch extensiven Regelung würde sich der Gesetz­geber aber vermutlich über die vom BVerfG in ständiger Rechtsprechung aufgestellten Grundsätze für eine echte Rückwirkung von Gesetzen hinwegsetzen und damit höchst angreifbar machen. Die überwiegende Zahl der Beobachter geht daher von einem Beginn der zeitlichen An­wen­dung ab dem Beginn des Gesetzgebungsverfahrens durch Einbringung eines Gesetz­ent­wurfs in den Bundestag aus. Wann dies der Fall sein wird, ist aber noch nicht absehbar. Ob ein Vorgang in diesen zeitlichen Anwendungsbereich fällt oder nicht, wurde bei bisherigen Gesetzesänderungen häufig von der Verwirklichung des jeweiligen grund­er­werb­steuer­lichen Tatbestands abhängig gemacht. Hier ist grundsätzlich zwischen dem auf Per­so­nen­ge­sell­schaften bezogenen § 1 Abs. 2a GrEStG und dem eher – wenn auch nicht ausschließlich – auf Kapitalgesellschaften anwendbaren § 1 Abs. 3 GrEStG zu unterscheiden. § 1 Abs. 3 GrEStG wird bereits durch den Abschluss des Kaufvertrags über die Gesellschaftsanteile verwirklicht, während dies im Falle von § 1 Abs. 2a GrEStG erst beim dinglichen Übergang der Personengesellschaftsanteile angenommen wird. Da der angekündigte § 1 Abs. 2b GrEStG strukturell vermutlich eng an § 1 Abs. 2a GrEStG angelehnt sein wird, ist zu befürchten, dass dieser neue Tatbestand auch erst mit Übergang der Ge­sell­schafts­an­teile verwirklicht wird.

Praxishinweis II

Das würde in diesem Fall zum Nachteil der Steuer­pflichtigen bedeuten, dass eine Beurkundung des Kauf- und Übertragungsvertrags bezüglich von Anteilen an Kapital­ge­sell­schaften vor Beginn des zeitlichen Anwendungsbereichs der Neuregelung noch nicht dazu führen würde, dass die Transaktion weiterhin unter die (günstigere) Altregelung fällt. Zusätzlich müsste auch das Closing noch vor dem Anwendungsbeginn stattfinden. Sofern hier Gestaltungsspielraum besteht, sollte also versucht werden, die Übertragung der Anteile möglichst frühzeitig stattfinden zu lassen. Das erhöht die Wahrscheinlichkeit, noch von der günstigen Altregelung zu profitieren. Ist die Grund­er­werb­steuer­frei­heit der Transaktion unbedingt erwünscht, sollten vorsorglich aber auch schon Klauseln aufgenommen werden, die die Erfüllung der (antizipierten) Neuregelung sicherstellen, falls das Gesetz­ge­bungs­ver­fahren zwischen Signing und Closing eingeleitet wird.

Ländererlass vom 19. September 2018

Der Bundesfinanzhof (BFH) hatte bereits mit Urteil vom 27. September 2017 (II R 41/15) die Änderung seiner vormaligen Rechtsprechung zur Betrachtung von Personengesellschaften, die im Rahmen des § 1 Abs. 3 GrEStG Gesellschafter einer anderen Ge­sell­schaft sind, bestätigt. Demnach ist bei einer zwischen­ge­schal­te­ten Personengesellschaft nicht mehr die sachenrechtliche Beteiligung am Ge­samt­hands­ver­mögen entscheidend, die stets bei allen Gesellschaftern – inklusive der regelmäßig nicht am Kapital der Gesellschaft beteiligten Komplementär-GmbH – in gleichem Umfang vorhanden ist, sondern die Beteiligung am Kapital der Gesellschaft. Die Finanzverwaltung hat sich nun dieser Auffassung an­ge­schlos­sen. Diese Änderung der Ver­wal­tungs­auf­fas­sung hat allerdings aufgrund der zwischen­zeit­lichen Einführung des § 1 Abs. 3a GrEStG nur noch Auswirkungen auf Vorgänge vor dem 6. Juni 2013. Bis zu diesem Zeitpunkt wurden Personengesellschaften gerne zur Verwässerung der Beteiligung eines Co-Investors genutzt (sogenannte Real-Estate-Transfer-Tax[RETT]-Blocker-Strukturen).

Ländererlass vom 12. November 2018

Der BFH hatte mit Urteil vom 9. Juli 2014 (II R 49/12) entschieden, dass die mittelbare Änderung des Gesellschafterbestands im Rahmen des § 1 Abs. 2a GrEStG nicht nur nach rein gesellschaftsrechtlichen Kriterien, sondern insbesondere auch unter An­wen­dung des § 39 Abs. 2 Nr. 1 Abgabenordnung (AO) zu be­wer­ten sei. Dem hatte die Finanzverwaltung mit gleichlautendem Erlass vom 9. Dezember 2015 ausdrücklich wider­sprochen. Dieser Nicht­an­wen­dungs­erlass wird nun aufgehoben, sodass Über­tra­gun­gen nur des wirt­schaft­lichen Eigen­tums auch bereits im Ver­wal­tungs­ver­fahren zu berücksichtigen sind. Mangels Übergangsregelung in den Erlassen ist diese sehr weitreichende Änderung in allen noch offenen Besteuerungsverfahren zu berücksichtigen.

Zum Autor

FG
Dr. Frank Geyer

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Steuerrecht bei der Kanzlei FPS in Frankfurt am Main

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