Die EU-Erbrechtsverordnung hat nicht nur Auswirkungen auf erbrechtliche Sachverhalte. Zu berücksichtigen sind auch steuerrechtliche Aspekte.
Ab Inkrafttreten der EU-Erbrechtsverordnung (EU-ErbVO) sind weder die Staatsangehörigkeit des Erblassers noch die Belegenheit einer Immobilie entscheidend. Vielmehr richtet sich das anzuwendende Erbrecht ausschließlich nach dem letzten gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers. Nach dem in diesem Staat geltenden Recht wird das gesamte Vermögen des Erblassers vererbt.
Aufgrund dieser Änderung der Anknüpfung stellt sich die Frage, welche steuerlichen Konsequenzen daraus zu ziehen sind. Nach Erwägung 10 und Artikel 1 Abs. 1 Satz 2 EU-ErbVO regelt die Verordnung keinerlei steuerrechtliche Sachverhalte, sondern will lediglich normieren, nach welchem Recht ein Erbfall abzuwickeln ist (siehe auch Wälzholz, NWB 2013, S. 613, 617).
Maßgeblich ist erbschaftsteuerrechtlich § 2 Erbschaftsteuergesetz (ErbStG), der die unbeschränkte beziehungsweise beschränkte Steuerpflicht regelt.
Fallbeispiel 1
Ein deutscher Staatsangehöriger mit letztem Wohnsitz in Frankreich hinterlässt Vermögen dort und in Deutschland. Es stellt sich die Frage, welche erbschaftsteuerrechtlichen Folgen derzeit und zukünftig eintreten. Lässt sich durch Änderung des anwendbaren Erbrechts das deutsche Steuerrecht umgehen? Der Erbe hat seinen gewöhnlichen Aufenthalt und Wohnsitz seit mehr als fünf Jahren in Frankreich.
Erbrechtliche Folgen
Der Todesfall eines deutschen Staatsangehörigen mit letztem gewöhnlichem Aufenthalt in Südfrankreich regelt sich künftig nach französischem Erbrecht.
Das deutsche Erbrecht kommt dann nicht mehr zur Anwendung, auch nicht hinsichtlich in Deutschland belegenen Grundbesitzes, Gesellschaftsanteilen oder Betrieben (Grundsatz der Nachlasseinheit).
Steuerrechtliche Folgen
Die unterschiedliche Anknüpfung führt also tatsächlich nicht zu einer Verschiebung der Erbschaftsteuerbelastung.
Vorliegend ist der Steuerpflichtige in beiden Fällen in Deutschland nicht unbeschränkt steuerpflichtig. Denn dafür kommt es nicht auf das anwendbare Erbrecht an.
Maßgeblich ist vielmehr, ob der deutsche Staatsangehörige schon seit mehr als fünf Jahren seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland und in Deutschland keinen Wohnsitz mehr hat, § 2 Abs. 1 Nr. 1b ErbStG. Dann ist lediglich das Inlandsvermögen nach § 121 Bewertungsgesetz (BewG) in Deutschland steuerpflichtig.
Der deutsche Staatsangehörige mit gewöhnlichem Aufenthalt im Ausland wird also bisher zwar nach deutschem Erbrecht beerbt, unterliegt jedoch nur mit seinem Inlandsvermögen im Sinne des § 121 BewG der deutschen Erbschaftsteuer.
Tritt der Todesfall nach dem Inkrafttreten der EU-ErbVO ein, so richtet sich der vollständige Nachlass nach französischem Erbrecht. Das hat keinerlei Auswirkungen auf die unbeschränkte oder beschränkte Steuerpflicht im Sinne des § 2 ErbStG.
Der deutsche Staatsangehörige mit Wohnsitz und gewöhnlichem Aufenthalt in Frankreich, der seit mindestens fünf Jahren keinen Wohnsitz mehr in Deutschland hat, bleibt also nur beschränkt mit seinem deutschen Inlandsvermögen in Deutschland erbschaftsteuerpflichtig. Gleichzeitig regelt sich die Erbfolge nun nach französischem Erbrecht.
§ 3 ErbStG erfasst allerdings nicht nur die Erbeinsetzung, Vermächtnisse, Auflagen und vergleichbare erbrechtliche Begünstigungen wie auch das Pflichtteilsrecht nach deutschem Erbrecht, sondern erfasst ebenso auch den entsprechenden erbrechtlichen Erwerb nach ausländischem Recht, hier also dem französischen Erbrecht (zum Anwachsungserwerb nach französischem Recht als deutschem erbschaftsteuerpflichtigen Erwerb von Todes wegen siehe BFH vom 04.07.2012, II R 38/10, BStBl. II 2012, S. 782; siehe auch Wälzholz in: Viskorf/Knobel/Schuck, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, Bewertungsgesetz, 4. Aufl. 2012, § 3, Rn. S. 4 f.).
Die unterschiedliche Anknüpfung führt also im vorliegenden Fall tatsächlich nicht zu einer Verschiebung der Erbschaftsteuerbelastung.
Ausländische Erbrechtsinstitute
Das ist jedoch nicht zwingend immer so. Teilweise kennt das ausländische Erbrecht Rechtsinstitute, die deutschen Erwerbstatbeständen wie Erbeinsetzung, Vermächtnis und Pflichtteilsrecht nicht entsprechen und dann gegebenenfalls nicht der deutschen Erbschaftsteuer unterliegen (siehe BFH-Urteile vom 19.10.1956 – III 128/55 U, BFHE 63, S. 431 = BStBl. III 1956, S. 363; BFH vom 15.05.1964 – II 177/61 U, BFHE 79, S. 481 = BStBl. III 1964, S. 408; BFH vom 28.02.1979 – II R 165/74, BFHE 127, S. 432 = BStBl. II 1979, S. 438; BFH vom 07.05.1986 – II R 137/79, BStBl. II 1986, S. 615).
Mittelbar können daher durch den Statutenwechsel, also die Veränderung des anwendbaren Erbrechts, steuerliche Folgewirkungen eintreten.
Fallbeispiel 2
Ein spanischer Staatsangehöriger mit letztem Wohnsitz und gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland verstirbt im einen Fall vor, im anderen Fall nach Inkrafttreten der EU-ErbVO. Der Erbe hat seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland. Vermögen befindet sich sowohl in Spanien als auch in Deutschland.
Bis zum Inkrafttreten der EU-ErbVO findet jeweils spanisches Erbrecht Anwendung, nach Inkrafttreten der EU-ErbVO hingegen deutsches Erbrecht.
Steuerrechtliche Folgen
Erbschaftsteuerrechtlich unterliegt der Erbfall sowohl nach bisherigem als auch nach neuem Erbrecht der unbeschränkten deutschen Steuerpflicht, sodass Deutschland die Erbschaftsteuer nach § 2, 3 ErbStG nach dem Weltvermögen des Erblassers erhebt.
Hinsichtlich des in Spanien belegenen Vermögens, das ebenfalls der spanischen Erbschaftsteuer unterliegt, würde lediglich ein Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) helfen, das im Verhältnis zu Spanien jedoch nicht existiert.
Damit bleibt nur die Anrechnung nach § 21 ErbStG (siehe dazu res-triktiv BFH vom 19.06.2013 – II R 10/12, BStBl. II 2013, S. 746).
Zusammenfassung
Die EU-ErbVO beabsichtigt keinerlei Regelungen im Bereich, sondern will im Wesentlichen nur regeln, welches Erbrecht in einem europäischen Todesfall anwendbar ist.
Die skizzierten Beispiele haben jedoch gezeigt, dass das Inkrafttreten der EU-ErbVO und die damit einhergehende Veränderung des anwendbaren Erbrechts gleichwohl auch steuerrechtliche Auswirkungen haben kann.