Konsequenzen im Steuerrecht - 17. Juli 2014

Standfest, trotz Wandel

Die EU-Erb­rechts­ver­ord­nung hat nicht nur Aus­wir­kun­gen auf erb­recht­liche Sach­ver­halte. Zu be­rück­sich­tigen sind auch steuer­recht­liche Aspekte.

Ab Inkrafttreten der EU-Erbrechtsverordnung (EU-ErbVO) sind weder die Staatsangehörigkeit des Erblassers noch die Belegenheit einer Immobilie entscheidend. Vielmehr richtet sich das anzuwendende Erbrecht ausschließlich nach dem letzten gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers. Nach dem in diesem Staat geltenden Recht wird das gesamte Vermögen des Erblassers vererbt.
Aufgrund dieser Änderung der Anknüpfung stellt sich die Frage, welche steuerlichen Konsequenzen daraus zu ziehen sind. Nach Erwägung 10 und Artikel 1 Abs. 1 Satz 2 EU-ErbVO regelt die Verordnung keinerlei steuerrechtliche Sachverhalte, sondern will lediglich normieren, nach welchem Recht ein Erbfall abzuwickeln ist (siehe auch Wälzholz, NWB 2013, S. 613, 617).
Maßgeblich ist erb­schaft­steuer­recht­lich § 2 Erb­schaft­steuer­gesetz (ErbStG), der die unbeschränkte beziehungsweise beschränkte Steuerpflicht regelt.

Fallbeispiel 1

Ein deutscher Staatsangehöriger mit letztem Wohnsitz in Frankreich hinterlässt Vermögen dort und in Deutschland. Es stellt sich die Frage, welche erb­schaft­steuer­recht­lichen Folgen derzeit und zukünftig eintreten. Lässt sich durch Änderung des anwendbaren Erbrechts das deutsche Steuerrecht umgehen? Der Erbe hat seinen gewöhnlichen Aufenthalt und Wohnsitz seit mehr als fünf Jahren in Frankreich.

Erbrechtliche Folgen

Der Todesfall eines deutschen Staatsangehörigen mit letztem gewöhnlichem Aufenthalt in Südfrankreich regelt sich künftig nach französischem Erbrecht.
Das deutsche Erbrecht kommt dann nicht mehr zur Anwendung, auch nicht hinsichtlich in Deutschland belegenen Grundbesitzes, Gesellschaftsanteilen oder Betrieben (Grundsatz der Nachlasseinheit).

Steuerrechtliche Folgen

Die unter­schied­liche An­knüp­fung führt also tat­säch­lich nicht zu einer Ver­schie­bung der Erb­schaft­steuer­be­lastung.

Vorliegend ist der Steuer­pflich­tige in beiden Fällen in Deutsch­land nicht un­be­schränkt steuer­pflich­tig. Denn dafür kommt es nicht auf das anwendbare Erbrecht an.
Maßgeblich ist vielmehr, ob der deutsche Staats­an­ge­hörige schon seit mehr als fünf Jahren seinen ge­wöhn­lichen Auf­ent­halt im Ausland und in Deutsch­land keinen Wohn­sitz mehr hat, § 2 Abs. 1 Nr. 1b ErbStG. Dann ist ledig­lich das In­lands­ver­mögen nach § 121 Be­wer­tungs­gesetz (BewG) in Deutsch­land steuer­pflichtig.
Der deutsche Staatsangehörige mit gewöhnlichem Aufenthalt im Ausland wird also bisher zwar nach deutschem Erbrecht beerbt, unterliegt jedoch nur mit seinem Inlandsvermögen im Sinne des § 121 BewG der deutschen Erbschaftsteuer.
Tritt der Todesfall nach dem Inkrafttreten der EU-ErbVO ein, so richtet sich der vollständige Nachlass nach französischem Erbrecht. Das hat keinerlei Auswirkungen auf die unbeschränkte oder beschränkte Steuerpflicht im Sinne des § 2 ErbStG.
Der deutsche Staatsangehörige mit Wohnsitz und gewöhnlichem Aufenthalt in Frankreich, der seit mindestens fünf Jahren keinen Wohnsitz mehr in Deutschland hat, bleibt also nur beschränkt mit seinem deutschen Inlandsvermögen in Deutschland erb­schaft­steuer­pflichtig. Gleichzeitig regelt sich die Erbfolge nun nach französischem Erbrecht.
§ 3 ErbStG erfasst allerdings nicht nur die Erbeinsetzung, Vermächtnisse, Auflagen und vergleichbare erbrechtliche Begünstigungen wie auch das Pflichtteilsrecht nach deutschem Erbrecht, sondern erfasst ebenso auch den entsprechenden erbrechtlichen Erwerb nach ausländischem Recht, hier also dem französischen Erbrecht (zum Anwachsungserwerb nach französischem Recht als deutschem erb­schaft­steuer­pflich­tigen Erwerb von Todes wegen siehe BFH vom 04.07.2012, II R 38/10, BStBl. II 2012, S. 782; siehe auch Wälzholz in: Viskorf/Knobel/Schuck, Erbschaftsteuer- und Schen­kung­steuer­gesetz, Bewertungsgesetz, 4. Aufl. 2012, § 3, Rn. S. 4 f.).
Die unterschiedliche Anknüpfung führt also im vorliegenden Fall tatsächlich nicht zu einer Verschiebung der Erb­schaft­steuer­be­lastung.

Ausländische Erbrechtsinstitute

Das ist jedoch nicht zwingend immer so. Teilweise kennt das ausländische Erbrecht Rechtsinstitute, die deutschen Er­werb­stat­be­ständen wie Erbeinsetzung, Vermächtnis und Pflichtteilsrecht nicht entsprechen und dann gegebenenfalls nicht der deutschen Erbschaftsteuer unterliegen (siehe BFH-Urteile vom 19.10.1956 – III 128/55 U, BFHE 63, S. 431 = BStBl. III 1956, S. 363; BFH vom 15.05.1964 – II 177/61 U, BFHE 79, S. 481 = BStBl. III 1964, S. 408; BFH vom 28.02.1979 – II R 165/74, BFHE 127, S. 432 = BStBl. II 1979, S. 438; BFH vom 07.05.1986 – II R 137/79, BStBl. II 1986, S. 615).
Mittelbar können daher durch den Statutenwechsel, also die Veränderung des anwendbaren Erbrechts, steuerliche Folgewirkungen eintreten.

Fallbeispiel 2

Ein spanischer Staatsangehöriger mit letztem Wohnsitz und gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland verstirbt im einen Fall vor, im anderen Fall nach Inkrafttreten der EU-ErbVO. Der Erbe hat seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland. Vermögen befindet sich sowohl in Spanien als auch in Deutschland.
Bis zum Inkrafttreten der EU-ErbVO findet jeweils spanisches Erbrecht Anwendung, nach Inkrafttreten der EU-ErbVO hingegen deutsches Erbrecht.

Steuerrechtliche Folgen

Erbschaftsteuerrechtlich unterliegt der Erbfall sowohl nach bisherigem als auch nach neuem Erbrecht der unbeschränkten deutschen Steuerpflicht, sodass Deutschland die Erbschaftsteuer nach § 2, 3 ErbStG nach dem Weltvermögen des Erblassers erhebt.
Hinsichtlich des in Spanien belegenen Vermögens, das ebenfalls der spanischen Erbschaftsteuer unterliegt, würde lediglich ein Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) helfen, das im Verhältnis zu Spanien jedoch nicht existiert.
Damit bleibt nur die Anrechnung nach § 21 ErbStG (siehe dazu res-triktiv BFH vom 19.06.2013 – II R 10/12, BStBl. II 2013, S. 746).

Zusammenfassung

Die EU-ErbVO beabsichtigt keinerlei Regelungen im Bereich, sondern will im Wesentlichen nur regeln, welches Erbrecht in einem europäischen Todesfall anwendbar ist.
Die skizzierten Beispiele haben jedoch gezeigt, dass das Inkrafttreten der EU-ErbVO und die damit einhergehende Veränderung des anwendbaren Erbrechts gleichwohl auch steuerrechtliche Auswirkungen haben kann.

Zum Autor

EW
Dr. Eckhard Wälzholz

Notar in Füssen sowie Rechtswissenschaftler. Er ist auch Autor, vor allem zu Themen des Gesellschafts- und Steuerrechts, sowie regelmäßig Dozent beim Deutschen Anwaltsinstitut.

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