Bedeutung der ISA für die deutsche Abschlussprüfung - 25. Oktober 2013

Sicheren Tritt finden

Schon heute sind die International Accounting Standards im deutschen ­Prüfungsalltag anerkannt.

Mit dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG) wurde § 317 Abs. 5 Handelsgesetzbuch (HGB) neu in das HGB eingefügt. Danach sind Abschlussprüfer verpflichtet, die von der International Federation for Accountants (IFAC) erarbeiteten internationalen Prüfungsstandards (ISA) anzuwenden. Damit hat der Gesetzgeber den internationalen Standards für deutsche Abschlussprüfungen eine konkrete, normierte Bedeutung zukommen lassen und die internationale Ausrichtung des HGB unterstrichen. Es stellt sich somit die Frage, ob die ISA damit künftig die deutschen Prüfungsstandards des Instituts der Wirtschaftsprüfer (IDW PS) ersetzen werden oder sich die Angleichung der nationalen Prüfungsstandards an die internationalen Standards fortsetzt.
Nach § 317 Abs. 6 HGB ist das Bundesministerium der Justiz, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie durch Rechtsverordnung ermächtigt, die anzuwendenden ISA durch weitere Anforderungen zu erweitern oder eine teilweise Nichtanwendung zu bestimmen, soweit es den gesetzlich bestimmten Prüfungszielen dient. An dieser Stelle öffnet sich der Gesetzgeber eine Hintertür zur verbindlichen Anwendung der internationalen Standards.

Die internationalen Standards dürfen erst in der EU angewendet werden, wenn sie europäisches Recht geworden sind.

Die internationalen Standards dürfen erst in der Europäischen Union (EU) angewendet werden, wenn sie europäisches Recht geworden sind. Dazu müssen sie übersetzt werden und das sogenannte Komitologieverfahren durchlaufen. Im Rahmen der Diskussion des EU-Grünbuchs zur Abschlussprüfung hat die EU-Kommission das Verfahren jedoch ausgesetzt mit der Folge, dass die ISA noch nicht für die Abschlussprüfungen nach §§ 316 ff. HGB verpflichtend anzuwenden sind.
Gleichwohl wirken sich die ISA bereits heute auf die Abschlussprüfungen nach §§ 316 ff. HGB aus, da das IDW die deutschen Prüfungsstandards (PS) bereits in großen Teilen an die ISA angepasst hat. Das IDW ist als Mitglied der IFAC verpflichtet, die internationalen Verlautbarungen in nationale Grundsätze zu transformieren, soweit dies unter nationalen Gegebenheiten möglich ist (vgl. IDW PS 201 Tz 32).

ISA bei freiwilligen Prüfungen

Bei einer freiwilligen Abschlussprüfung können die ISA angewandt werden, wenn dies gesondert beauftragt wurde und sie inhaltlich mit deutschem Recht übereinstimmen. Durch eine entsprechende Beauftragung verzichtet der Auftraggeber auf die Anwendung weitergehender Prüfungsgrundsätze dort, wo die deutschen Prüfungsgrundsätze über die ISA hinausgehen (beispielsweise Prüfungsbericht). Entsprechendes gilt für die Anwendung von anderen international anerkannten Prüfungsgrundsätzen, soweit diese nach dem Urteil des Abschlussprüfers mit den vom IDW festgestellten Grundsätzen ordnungsmäßiger Abschlussprüfung vereinbar sind (vgl. IDW PS 201 Tz 23).

ISA bei Pflichtprüfungen

Bei Pflichtprüfungen nach §§ 316 ff. HGB sind aufgrund der aktuellen Rechtslage die deutschen Prüfungsgrundsätze anzuwenden. Die deutschen Prüfungsgrundsätze umfassen als Prüfungsnormen alle unmittelbar und mittelbar für die Abschlussprüfung geltenden gesetzlichen Vorschriften und als sonstige Prüfungsgrundsätze insbesondere die IDW Prüfungsstandards und die IDW Prüfungshinweise. Zu den sonstigen Prüfungsgrundsätzen zählt auch die gemeinsame Stellungnahme der Wirtschaftsprüferkammer (WPK) und des IDW: Anforderungen an die Qualitätssicherung in der Wirtschaftsprüferpraxis (VO 1/2006). Diese legt die beruflichen und fachlichen Pflichten des Abschlussprüfers fest, die er im Rahmen seiner Eigenverantwortlichkeit zu beachten hat (vgl. IDW PS 201 Tz 22).

ISA und deutsche Prüfungsstandards

Aufgrund der oben geschilderten Pflichten des IDW als Mitglied der IFAC hat dieses in den PS bereits zum großen Teil die Inhalte der ISA übernommen. Bei jedem PS werden in einem gesonderten Kapitel die Übereinstimmungen mit den ISA beschrieben und die Besonderheiten der deutschen Rechtsnormen dargestellt. Die IDW PS berücksichtigen aufgrund ihres Entwicklungsprozesses nationale Besonderheiten, die sich aus handels- und gesellschaftsrechtlichen Regelungen ergeben, in adäquatem Maße. Die ISA enthalten zur Würdigung jener nationalen Besonderheiten zwar Öffnungsklauseln, die jedoch wiederum einen Rückgriff auf die nationalen Normen erfordern. Somit sind die IDW PS künftig trotz faktischer Anwendungspflicht der ISA wegen den zu berücksichtigenden nationalen Besonderheiten im Rahmen der Abschlussprüfung weiterhin anzuwenden (vgl. M.J. Matschke, Seite 45, Zeitwertbilanzierung und Wirtschaftsprüfung).

Anwendung bei deutschen Unternehmen

Bereits heute werden die ISA auch bei der Abschlussprüfung deutscher Unternehmen angewendet, wenn diese international agieren. Im Bestätigungsvermerk kann der Abschlussprüfer bei Bedarf auch auf die ISA hinweisen, sofern die einschlägigen Prüfungsanforderungen der deutschen Grundsätze ordnungsmäßiger Abschlussprüfung als auch die der ergänzenden Prüfungsgrundsätze beachtet werden (vgl. IDW PS 400 Tz 30a).

Fazit

Die ISA finden also schon heute im Prüfungsalltag überwiegend Anwendung, wobei die deutschen Standards aber über die internationalen Anforderungen hinausgehen. Durch die weitere Angleichung der deutschen Prüfungsstandards an die Internationalen Prüfungsvorschriften werden sich auch bei europäischer Umsetzung der ISA für deutsche Wirtschaftsprüfer bei der Durchführung einer Abschlussprüfung nach deutschem Recht keine Überraschungen ergeben. Es besteht kein Konflikt zwischen deutschen Prüfungsstandards und den ISA. Im Gegenteil: Die PS werden sich im Tenor und in der Zieldefinition weiter an die internationalen Standards angleichen. Wirtschaftsprüfer sind deshalb noch stärker als bisher dazu angehalten, sich auch im Bereich der internationalen Standards fachlich trittfest zu bewegen. Entscheidungsspielräume und Bewertungsmaßstäbe bei der Beurteilung komplexer Sachverhalte im Bereich der Rechnungslegung könnten durch Zuhilfenahme der ISA ein konkreteres Bild bei der Anwendung deutscher Prüfungsstandards geben. Somit sind die ISA neben den PS konkrete Auslegungs- und Anwendungshilfen.

Zum Autor

Clemens Dornseifer

Wirt­schafts­prüfer und Partner der HLB TREUMERKUR, ver­ant­wort­lich für den Be­reich Wirt­schafts­prüfung

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