Ausschlussklauseln - 29. September 2016

Rein oder nicht rein?

Ob eine rechtsvernichtende Klausel im Insolvenzplan zulässig ist, hängt entscheidend davon ab, ob sie verteilungsausschließend oder anspruchsvernichtend formuliert ist.

Seit Inkrafttreten des Gesetzes zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) im März 2012 hat das Insolvenzplanverfahren enorm an Bedeutung gewonnen. Gegenstand eines Insolvenzplans ist ein Vergleich zwischen dem Schuldner und seinen Gläubi­gern. Stimmen die Gläubiger dem Plan zu, ist das Unternehmen weitgehend entschuldet und das Eigenkapital wiederhergestellt. Das operativ sanierte Unternehmen bleibt erhalten. In der Praxis ist ab und an zu beobachten, dass nicht alle Gläubiger, die Forderungen gegen den Schuldner haben, diese auch zur Tabelle anmelden, dies aber zu einem späteren Zeitpunkt nachholen. Das kann im schlimmsten Fall zum Scheitern der Sanierung führen, da die Mittel zur Zahlung der Planquote für die Nachzügler fehlen. Aus diesem Grund enthalten Insolvenzpläne regelmäßig Ausschlussklauseln, die verhindern sollen, dass Nachzügler ihre Forderungen verspätet anmelden.

Ausgangssituation

Gemäß § 254b Insolvenzordnung (InsO) wirkt ein Insolvenzplan auch für Insolvenzgläubiger, die ihre Forderung nicht bis zum Erörterungs- und Abstimmungstermin über den Plan angemeldet oder dem Insolvenz-plan widersprochen haben. Dazu folgendes Beispiel (vgl. Bundes­ar­beits­gericht (BAG) vom 12.09.2013 – 6 AZR 907/11): Ein Arbeitnehmer forderte von seinem insolventen Arbeitgeber nicht gezahlten Arbeitslohn. Der Arbeitgeber wurde mittels Insolvenzplan saniert. Im Prozess beruft sich der Arbeitgeber auf eine Ausschlussklausel und lehnt eine Zahlung wegen Fristablaufs ab. Nach der Ausschlussklausel hätten Forderungen bis zum Wirksamwerden des Insolvenzplans angemeldet werden müssen. Danach gelten sie als erlassen.

Anspruchsvernichtende Klauseln

Ob Ausschlussklauseln im Insolvenzplan mit dem Schutz des Eigentums aus Art. 14 Abs. 1 Grundgesetz (GG) vereinbar sind, ist umstritten. Der BGH und das Bundesarbeitsgericht (BAG) haben vor Kurzem entschieden, dass bei der rechtlichen Bewertung und den praktischen Folgen zwischen anspruchsvernichtenden und verteilungsausschließenden Klauseln differenziert werden muss. Nach Ansicht des BGH (Beschluss vom 07.05.2015 – IX ZB 75/14) darf ein Insolvenzplan keine Klauseln vorsehen, welche Gläubiger, die sich am Verfahren nicht durch eine For­de­rungs­an­mel­dung beteiligt haben, mit ihren Forderungen ausschließen und den Erlass der Forderung nach Ablauf einer Ausschlussfrist fingieren. In diesem Fall läge ein Verstoß gegen Art. 14 Abs. 1 GG vor, zu dessen Rechtfertigung es einer ausdrücklichen gesetzlichen Grundlage bedürfe, die in der Insolvenzordnung derzeit fehle. Wird zudem eine eigene Gruppe nur für Nachzügler gebildet, verstoße die Gruppenbildung auch gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz gemäß § 226 Abs. 1 InsO, weil sie Insolvenzgläubiger in passive und aktive Gläubiger unterteile. Die Passivität der Gläubiger ändere weder die Rechtsstellung noch die wirtschaftlichen Interessen dieser Gläubiger. Folgerichtig verstoße eine entsprechende Gruppenbildung auch gegen § 222 Abs. 2 InsO. Der BGH hat diese Entscheidung mit Beschluss vom 03. Dezember 2015 – IX ZA 32/14 bestätigt. Er folgt damit der wohl überwiegenden Ansicht in der Literatur, die unter Verweis auf den ab­schließen­den Charakter von §§ 259a, b InsO, welche besondere Regelungen für die Verjährung und den Vollstreckungsschutz im Planverfahren regeln, argumentiert, dass diese andernfalls leerlaufen würden, da der jeweilige Anwendungsbereich mangels Forderung nicht be­zie­hungs­weise nur dann eröffnet wäre, wenn die Ausschlussklausel im Insolvenzplan unwirksam sei.

Verteilungsausschließende Klauseln

Auch die beste Ausschlussklausel versagt, wenn man beim Sanierungskonzept nicht sorgfältig gearbeitet hat.

Sieht der Insolvenzplan vor, dass Gläubiger be­strit­te­ner For­de­run­gen, die nicht frist­ge­recht eine Fest­stel­lungs­klage er­heben, le­dig­lich bei der Ver­tei­lung nicht be­rück­sich­tigt werden, soll da­ge­gen die Klausel als rein ver­tei­lungs­aus­schließend zu qua­li­fi­zieren sein und damit zu­lässig (BAG vom 19.11.2015 – 6 AZR 559/14). Grund dafür ist, dass diese Klau­sel die For­de­rung nicht dauer­haft ent­wer­tet. Ins­be­son­de­re bleibe es den be­trof­fe­nen Gläu­bi­gern inn­er­halb der Jahres­frist des § 259b InsO unbenommen, die Zahlung der Planquote zu verlangen. Einer vorherigen rechtskräftigen Feststellung der Forderung durch ein Gericht bedürfe es nicht, sofern diese Gläubiger lediglich die Zahlung der Planquote verlangen. Die betreffenden Gläubiger können daher vom Schuldner die Zahlung der Planquote verlangen, sobald der Insolvenzplan rechtskräftig ist und eine gegebenenfalls im Insolvenzplan vorgesehene Nachfrist fruchtlos geblieben ist.
Tabelle und Kreditorenbuchhaltung Allerdings versagt die wohlformulierteste Ausschlussklausel im Plan, wenn schon bei der Erstellung des Sanierungskonzepts nicht mit der gebotenen Sorgfalt gearbeitet wird. Es ist daher dringend zu empfehlen, bei der Erstellung des Ertrags- und Finanz­plans und der Liquidationsrechnung im Insolvenzplan nicht nur auf die Tabelle abzustellen, sondern auch die Kre­di­to­ren­buch­hal­tung des schuldnerischen Unternehmens auf Gläubiger zu überprüfen, die keine Forderung angemeldet haben und gegebenenfalls nachträglich, das heißt nach dem Erörterungs- und Abstimmungstermin über den Insolvenzplan, die Zahlung der Planquote verlangen könnten.

Vollstreckungsschutz und Verjährung

Ferner sollte beachtet werden, dass § 259a InsO einen besonderen Voll­strec­kungs­schutz gegen nach­träg­liche For­de­rungs­an­mel­dun­gen ge­währt und gemäß § 259b InsO eine Ver­jäh­rung der In­sol­venz­for­de­rung ein Jahr nach Fäl­lig­keit der For­de­rung und dem rechts­kräf­ti­gen Be­schluss über die Be­stä­ti­gung des In­sol­venz­plans ein­tritt. Zudem ver­sperrt eine ver­tei­lungs­aus­schließende Klausel im In­sol­venz­plan die Mög­lich­keit zur Auf­nahme in die Ta­bel­le und damit den ver­­ein­­fachten Weg zur Er­lan­gung eines Voll­streckungs­titels (§ 257 Abs. 1 Satz 1 InsO) gegen den Schuld­ner. Der pas­sive Gläu­biger muss also auf nor­malen Weg einen Voll­strec­kungs­titel er­strei­ten, wenn der Schuld­ner nicht frei­willig zahlt. Darüber hinaus findet § 199 BGB keine Anwendung, das heißt, die Verjährungsfrist beginnt nicht erst mit Schluss des Jahres, in dem die Ver­jäh­rungs­vo­raus­set­zun­gen vorliegen. Auch § 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB findet keine Anwendung; als speziellere Regelung gilt § 259b Abs. 1 InsO sogar für bereits titulierte Forderungen, für die ansonsten gemäß § 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB die 30-jährige Verjährungsfrist gelten würde. Außerdem führt der Ausschluss von der Möglichkeit zur Aufnahme in die Tabelle nach Ablauf der im Insolvenzplan angegebenen Fristen dazu, dass keine Hemmung (§ 204 Abs. 1 Nr. 10, Alt. 1 BGB) eintritt.

Fazit

Ausschlussklauseln im Insolvenzplan sind nicht per se unzulässig. Der Teufel steckt jedoch wie immer im Detail. Eine Ausschlussklausel darf nicht so formuliert sein, dass bei Versäumen einer bestimmten Frist die nachträglich angemeldete Forderung als erlassen beziehungsweise ausgeschlossen gilt. Zulässig ist dagegen eine Klausel, die (gegebenenfalls in analoger An­wen­dung von § 189 Abs. 1 InsO) eine bestrittene Forderung, für die nicht rechtzeitig eine Fest­stel­lungs­klage erhoben wird, von der Verteilung ausschließt.

Fotos: Coprid, iñaki antoñana plaza / Getty Images

Zum Autor

Robert Buchalik

Rechtsanwalt und Partner bei Buchalik Brömme­kamp Rechts­an­wälte | Steuer­be­rater, Düssel­dorf, Frank­furt, Berlin und Dresden. Tä­tig­keits­schwer­punkte sind Bank­recht und Fi­nan­zie­rung sowie In­sol­venz­recht und Sa­nie­rung. Vor­stands­vor­sit­zender des Bundes­ver­bands ESUG und Sa­nie­rung Deutschland

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