SanInsFoG - 27. Mai 2021

Sinnvolle Ergänzung

Neue Regelungen für die Praxis, die sich zwischen außergerichtlicher Sanierung und formellem Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung einordnen, sollen eine präventive Restrukturierung von Unternehmen in Schieflage ermöglichen.

Die Richtlinie (EU) 2019/1023 des Europäischen Parlaments sowie des Rats vom 20. Juni 2019 über präventive Restrukturierungsrahmen erfordert ebenso wie die Evaluation des Gesetzes zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) vom 7. Dezember 2011 eine Umsetzung in das deutsche Sanierungs- und Insolvenzrecht. Mit dem Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (SanInsFoG) hat die Bundesregierung ein umfangreiches Normenpaket vorgelegt, damit die besagte EU-Richtlinie über präventive Sanierungsrahmen in nationales Recht umgesetzt werden kann. Daneben erfolgten auf der Basis der ESUG-Evaluation ebenfalls eine Änderung der Insolvenzordnung und zugleich auch eine Anpassung des Sanierungs- und Insolvenzrechts aufgrund der Covid-19-Pandemie. Artikel 1 des SanInsFoG enthält das Gesetz über den Stabilisierungsund Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (StaRUG).

Die präventive Restrukturierung

Mit diesem Gesetz wird eine präventive Restrukturierung von Krisenunternehmen möglich. Das bedeutet, dass eine Sanierung ohne ein gerichtlich begleitetes Insolvenzverfahren erfolgen kann. Das StaRUG ist modular aufgebaut und enthält verschiedene Möglichkeiten und Sanierungsinstrumente. Zudem kann das Sanierungsvorhaben größtenteils außergerichtlich erfolgen. Der Schuldner kann die Restrukturierung solange als privatrechtliches Verfahren betreiben, bis er eines der Sanierungsinstrumente in Anspruch nehmen oder über einen abgeschlossenen Restrukturierungsplan beschließen lassen möchte. Die Verhandlung eines Restrukturierungsplans (§§ 2 ff. StaRUG) sowie die Abstimmung darüber (§§ 20 ff. StaRUG) sind dem Grunde nach vollständig außergerichtlich möglich. Die Planabstimmung erfolgt dann in privater Selbstorganisation und außerhalb des Verfahrensrechts. Lediglich die gerichtliche Planbestätigung ist erforderlich. Der häufig befürchtete Stempel einer klassischen gerichtlichen Insolvenz wird also vermieden. Wenn der Schuldner die Sanierungsinstrumente gemäß § 29 StaRUG in Anspruch nehmen möchte, muss er die Restrukturierungssache vorab beim zuständigen Restrukturierungsgericht anzeigen. Diese Instrumente kann der Schuldner dann, wenn in dem Gesetz keine andere Regelung entgegensteht, vollkommen unabhängig voneinander nutzen. In den Genuss dieser Instrumente soll jeder insolvenzfähige Schuldner kommen sowie natürliche Personen, die unternehmerisch tätig sind (Restrukturierungsfähigkeit gemäß § 30 StaRUG). Ausgenommen sind Unternehmen der Finanzbranche gemäß § 1 (19) Kreditwesengesetz (KWG). Der Vorteil: Die Konzeption des StaRUG ermöglicht es daher, sehr abgestimmt und flexibel auf die Besonderheiten der Restrukturierung im Einzelfall einzugehen. Weiterhin sieht das StaRUG verschiedene Instrumente vor, die sonst vergleichbar nur im Rahmen eines Insolvenzverfahrens zur Verfügung stehen, ohne aber in eine für viele Schuldner mit Unbehagen konnotierte Insolvenzsituation einzutreten.

Der Aufbau des Gesetzes

Das StaRUG gliedert sich in vier Teile. Teil 1 (§ 1) befasst sich mit der Krisenfrüherkennung und dem Krisenmanagement. Teil 2 (§§ 2–93) enthält als Herzstück des StaRUG die Regelungen zum Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen. Dieser, aus sechs Kapiteln bestehende Teil 2, enthält in Kapitel 1 (§§ 2–28) Regelungen zum Restrukturierungsplan. Kapitel 2 (§§ 29–72) regelt die Restrukturierungs- und Stabilisierungsinstrumente. Kern ist hier die gerichtliche Planbestätigung nach den Paragrafen 60 bis 72, die einem nur mehrheitlich angenommenen Plan zur Wirksamkeit gegenüber den überstimmten Gläubigern verhilft. Daneben regelt Kapitel 2 die Instrumente der gerichtlichen Planabstimmung (§§ 45, 46), der gerichtlichen Vorprüfung (§§ 47, 48) und der Stabilisierungsanordnung (§§ 49–59). Kapitel 3 (§§ 73–83) regelt dann die Stellung des Restrukturierungsbeauftragten, während Kapitel 4 (§§ 84–88) die Frage beantwortet, unter welchen Voraussetzungen die Restrukturierungssache öffentlich bekannt gemacht wird. Kapitel 5 (§§ 89–91) beschäftigt sich mit der Privilegierung im Anfechtungs- und Haftungsrecht, während Kapitel 6 (§§ 92, 93) schließlich eine Klarstellung zur Arbeitnehmerbeteiligung enthält. In Teil 3 (§§ 94–100) sind dann die Vorschriften zur Sanierungsmoderation geregelt, während Teil 4 (§§ 101, 102) Regelungen zu sogenannten Frühwarnsystemen enthält, insbesondere eine gesetzliche Pflicht etwa für Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und so weiter, bei der Erstellung von Jahresabschlüssen ihre Mandanten auf etwaige Insolvenzgründe nach den Paragrafen 17 bis 19 Insolvenzordnung (InsO) hinzuweisen.

Eröffnung des Anwendungsbereichs

Die Instrumente können nur in Anspruch genommen werden, um eine drohende Zahlungsunfähigkeit gemäß § 18 Abs. 2 InsO nachhaltig zu beseitigen. Das sichert den Zweck des Verfahrens. Zum einen sollen Fälle vermieden werden, in denen noch keine drohende Zahlungsunfähigkeit vorliegt. Zum anderen setzt die Systematik der Pflichten des Schuldners sowie der Aufhebung der Restrukturierungssache mittelbar voraus, dass die Anzeige auf der Basis einer drohenden Zahlungsunfähigkeit gestellt wurde und noch keine Insolvenzreife in Form von Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO) oder Überschuldung (§ 19 Abs. 2 InsO) eingetreten ist.

Anzeige beim Restrukturierungsgericht

Die Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Stabilisierungsinstrumente ist gemäß § 31 Abs. 1 StaRUG eine schriftliche Anzeige des Restrukturierungsvorhabens durch den Schuldner beim zuständigen Restrukturierungsgericht. Die Anzeige ist als einseitige Verfahrenshandlung ausgestaltet. Dementsprechend unterliegt sie nicht der unmittelbaren Prüfung durch das Restrukturierungsgericht und muss auch nicht beschieden werden. Vielmehr tritt die Rechtshängigkeit gemäß § 31 Abs. 3 StaRUG unabhängig von einer inhaltlichen Prüfung mit der Anzeige des Restrukturierungsvorhabens ein. Die Anzeige unterliegt lediglich einer nachgelagerten Zugangskontrolle über die Aufhebungsgründe in § 33 StaRUG und dient als Grundlage für weitere Anträge hinsichtlich der Restrukturierungsinstrumente. Daher soll die Anzeige dazu führen, dass das Gericht eine hinreichende Informationsgrundlage erhält, um sich mit den tatsächlichen Umständen und den Rahmenbedingungen sowie den rechtlichen Fragestellungen vertraut zu machen und sogar organisatorische Vorbereitungen zu treffen. Außerdem hat das Restrukturierungsgericht von Amts wegen in bestimmten Fällen einen Restrukturierungsbeauftragten zu bestellen und muss demnach die beigefügten Unterlagen auf entsprechende Informationen hin prüfen. Der Anzeige sind verschiedene Unterlagen beizufügen. So wird der Entwurf des Restrukturierungsplans vorausgesetzt, der eine begründete Erklärung zu den Aussichten enthalten muss, dass die drohende Zahlungsunfähigkeit des Schuldners durch den Plan beseitigt wird.

Pflichten nach Rechtshängigkeit

Der Pflichtenmaßstab des Schuldners nach Rechtshängigkeit umfasst die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Sanierungsgeschäftsführers, der die Interessen der Gesamtheit der Gläubiger zu wahren hat (§ 32 Abs. 1 S. 1 StaRUG). Der Schuldner unterliegt außerdem einer Aktualisierung und Auskunftspflicht. Gemäß § 32 Abs. 2 StaRUG ist der Schuldner verpflichtet, dem Gericht jede wesentliche Änderung mitzuteilen, die den Gegenstand des angezeigten Restrukturierungsvorhabens sowie die Darstellung des Verhandlungsstands betrifft. Schließlich hat der Schuldner dem Restrukturierungsgericht unverzüglich anzuzeigen, wenn das Restrukturierungsvorhaben keine Aussicht mehr auf Umsetzung hat (§ 32 Abs. 4 StaRUG) oder wenn Insolvenzreife eingetreten ist (§ 32 Abs. 3 StaRUG). Mit Rechtshängigkeit der Restrukturierungssache ruht die Insolvenzantragspflicht gemäß § 15a InsO, § 42 Abs. 1 StaRUG. Die Anzeigepflicht der Insolvenzreife ist aber auch während der Rechtshängigkeit strafbewehrt (§ 42 Abs. 3 StaRUG), und nach Aufhebung des Verfahrens leben die Insolvenzantragspflichten gemäß § 15a InsO wieder auf (§ 42 Abs. 4 StaRUG).

Restrukturierungsplan und Planbestätigung

Nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG können grundsätzlich alle Forderungen, die gegen den Schuldner begründet sind, im Restrukturierungsplan enthalten sein. Ausgenommen sind lediglich die in § 64 StaRUG genannten Forderungen der Arbeitnehmer aus oder im Zusammenhang mit Arbeitsverhältnissen, einschließlich der Zusagen auf betriebliche Altersversorgung sowie Forderungen aus vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlungen und Forderungen nach § 39 Abs. 1 Nr. 3 InsO. Der Restrukturierungsplan ist an den Insolvenzplan angelehnt und soll ebenfalls in einen darstellenden und gestaltenden Teil gegliedert werden. Bei der Gruppeneinteilung ist zwischen absonderungsberechtigten, ungesicherten und nachrangigen Gläubigern sowie den Inhabern von Anteils- und Mitgliedschaften zu unterteilen. Die Regelungen zum Stimmrecht lehnen sich grundsätzlich an die Vorschriften des Insolvenzplans an. Abweichend davon wird jedoch eine qualifizierte Mehrheit von 75 Prozent in der jeweiligen Plangruppe benötigt. Kopfmehrheiten sind unerheblich. Weiterhin sind Stimmrechte von allen Planbetroffenen relevant, bei der Abstimmung nicht abgegebene Stimmen werden als Negativstimmen gewertet. Dissentierende Gruppen können durch eine gruppenübergreifende Mehrheitsentscheidung (Cross-Class Cram-down) überstimmt werden. Die Planbestätigung stellt dabei das Kernstück der Instrumente dar. Denn durch sie entfaltet der Restrukturierungsplan auch gegenüber den dissentierenden Gläubigern Wirkung (§ 67 Abs. 1 S. 1 StaRUG).

Stabilisierungsanordnung

Weiterhin gibt es die Möglichkeit einer Stabilisierungsanordnung. Soweit dies zur Wahrung der Aussichten auf die Verwirklichung des Restrukturierungsziels erforderlich ist, ordnet das Restrukturierungsgericht auf Antrag des Schuldners eine Vollstreckungssperre gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG sowie eine Verwertungssperre gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG für drei Monate an. Die Stabilisierungsanordnung kann durch Folgeanordnungen auf einen Zeitraum von maximal acht Monaten verlängert werden und richtet sich gegen einzelne, mehrere oder alle Gläubiger.

Fazit

Das Gesetz hat das Potenzial, die deutsche Restrukturierungslandschaft nachhaltig zu prägen. Die modulare Konzeption ist ein großer Vorteil des StaRUG, denn damit kann man passgenau einen Lösungsweg für einen Schuldner konstruieren. Weiterhin ermöglicht das StaRUG verschiedene Instrumente, die sonst nur im Rahmen eines Insolvenzverfahrens zur Verfügung stehen, ohne in eine für viele Schuldner mit Unbehagen konnotierte Insolvenzsituation einzutreten. Das hat jedoch zur Folge, dass das StaRUG aufgrund seiner vielfältigen Optionen ein komplexes Regelwerk darstellt. Es dürfte für einen Schuldner, insbesondere für kleinere Unternehmen kaum möglich sein, ein Restrukturierungsverfahren autonom, ohne Beratung durchzuführen. Auch bietet das StaRUG keine Vorteile für die Verhandlung sowie Durchführung von Personalmaßnahmen und daraus folgenden Kapazitätsanpassungen. Das StaRUG wird aber sicherlich eine Lücke des deutschen Sanierungsrechts zur Durchsetzbarkeit von Sanierungsvergleichen schließen.

Zum Autor

PK
Philip Konen

Rechtsanwalt bei Pluta am Standort Frankfurt/Main

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