Durchsuchungen - 28. Mai 2020

Sich richtig verhalten

Auch als unverdächtiger Dritter kann man in eine Ermittlungsmaßnahme geraten. Vor diesem Hintergrund ist es umso wichtiger, auf eine derartige Ausnahmesituation vorbereitet zu sein, um seine Rechte wahren zu können.

Ermittlungsmaßnahmen, wie besonders Durchsuchungen der Ermittlungsbehörden (Staatsanwaltschaft, Steuerfahndung, Polizei, Zoll), finden für alle Betroffenen, sei es als Beschuldigter oder als unverdächtiger Zeuge, im Regelfall überraschend statt. Gerade aufgrund des Überraschungseffekts sind schnelle und professionelle Reaktionen deshalb immer unabdingbar. Diese sollten erfahrungsgemäß von einem im Steuerstrafrecht versierten Anwalt koordiniert werden. Die Ermittlungsbehörden verfügen über ein umfangreiches Instrumentarium an strafprozessualen Möglichkeiten und Zwangsmaßnahmen. Diese Instrumente sind in der Lage, Rechtsgüter der von den einzelnen Maßnahmen Betroffenen teilweise erheblich zu beeinträchtigen. Aus diesem Grunde ist die Rechtswahrung besonders wichtig. Dies schließt auch ein, dass die Vorgehensweise der Ermittlungsbehörden begleitet und versucht wird, etwaige Rechtsverstöße schnell und konsequent zu unterbinden.

Schadensbegrenzung

Vergegenwärtigt man sich eine typische Durchsuchungssituation, wird schnell klar, dass dem Betroffenen wenig Spielraum verbleibt und lediglich Schadensbegrenzung betrieben werden kann. Dazu sollte man die wichtigsten Punkte bedenken, das Für und Wider einzelner möglicher Rechtsmittel abwägen, um einen effektiven Rechtsschutz gegen die Maßnahmen zu erwirken. Nicht selten führt ein Übermaß an Kooperation sogar zu einer Ausweitung des Verfahrens. Aber auch mangelnde Kooperation kann schlimmstenfalls weitere Sanktionen nach sich ziehen. Wie also soll man sich im Fall der Fälle verhalten?

Zur Beantwortung dieser Frage können im Ernstfall die nachfolgenden Aspekte helfen.

Grundsätzlich Ruhe bewahren

Entscheidend ist, dass man Ruhe bewahrt und sich den Anlass des Tätigwerdens der Ermittlungsbehörden darlegen lässt. Dazu gehört insbesondere, sich im Rahmen von Durchsuchungen den Durchsuchungsbeschluss übergeben zu lassen. Aus diesem Beschluss ist ersichtlich, ob es sich um eine Durchsuchung beim Beschuldigten (Sie sind selbst verdächtigt) oder um eine Durchsuchung bei einem Dritten (jemand anderes ist verdächtigt) handelt. Sollte der Durchsuchungsbeschluss nicht ausgehändigt werden, so sind nachfolgende Inhalte des Beschlusses zu notieren:

  • Datum und Aktenzeichen des Beschlusses
  • Gericht, das den Beschluss erlassen hat
  • durchführende Ermittlungsbehörde sowie deren Aktenzeichen
  • Rechtsgrundlage für die Durchsuchung
  • Beschuldigter des Verfahrens
  • Vorwurf in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht
  • zu beschlagnahmende Beweismittel

In der Praxis wird der Anruf beim Rechtsanwalt im Beisein eines Ermittlungsbeamten
erfolgen.

Es dürfen bei derartigen Ermittlungsverfahren nur solche Unterlagen, die im Beschluss explizit genannt sind, zu den genannten Steuerarten sowie der aufgeführten Jahre beschlagnahmt werden. In der Durchsuchungssituation kann den Mitarbeitern die Existenz eines sogenannten Notfallplans weiterhelfen. In einem solchen Notfallplan sollten die vertretungsberechtigten Organe beziehungsweise Mitarbeiter und die zuständigen Stellen mit den vollständigen und aktuellen Kontakten, welche für den Fall von behördlichen Ermittlungsmaßnahmen benachrichtigt werden sollten, vermerkt sein. Des Weiteren sollte im Notfallplan die Nummer eines im Steuerstrafrecht erfahrenen Anwalts notiert werden, den man im Ernstfall hinzuziehen sollte. Zwar müssen die Ermittlungspersonen grundsätzlich nicht auf das Eintreffen des Rechtsanwalts warten, werden dies aber häufig dennoch tun, wenn dadurch die Maßnahmen nicht übermäßig verzögert werden. Auf jeden Fall darf die Kontaktaufnahme mit einem Anwalt nicht verwehrt werden. In der Praxis wird der Anruf beim Rechtsanwalt häufig im Beisein eines Ermittlungsbeamten erfolgen.

Keine unüberlegten Aussagen

Auf jeden Fall sollte man sich, trotz etwaiger Beteuerungen der Ermittlungspersonen, die Verfahrensdauer durch eine Aussage zu verkürzen, nicht davon leiten lassen. Dies will wohlüberlegt sein, denn der Beschuldigte hat stets das Recht, zu schweigen. Zeugen haben ihrerseits das Recht, die Aussage im Beisein eines Zeugenbeistands zu machen. Ebenfalls gut überlegt sein sollte – trotz einer drängenden Aufforderung –, ob der steuerliche und/oder rechtliche Berater von ihrer Pflicht zur Verschwiegenheit entbunden werden. Eine derartige vermeintliche Kooperation zahlt sich nur selten aus, da zum Zeitpunkt der Entbindung von der Verschwiegenheitspflicht die Stoßrichtung der Ermittlung und diesbezüglichen Fragestellungen noch nicht ermessen werden kann. Vertrauliche Schriftwechsel wären dann ein Quell an Informationen und erleichtern ausschließlich die Ermittlungsarbeit der Behörde. Dem Beschuldigten kommen sie in den seltensten Fällen positiv zu Gute.

Möglichst wenig Außenwirkung

Es sollte des Weitern sichergestellt sein, dass die Ermittlungsmaßnahme mit möglichst geringer Außenwirkung durchgeführt wird. Dies beginnt bereits mit dem Empfang der Ermittlungsbeamten und endet mit deren Verlassen des Unternehmens/Hauses. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Ermittlungsbeamten zu keiner Zeit aktiv bei ihrer Arbeit behindert werden dürfen; in einem solchen Fall droht sonst eine Strafbarkeit wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte. Der üblicherweise vorliegende Durchsuchungsbeschluss ist die Legitimation für deren Erscheinen und deren Auftrag, Beweismittel sicherzustellen. Dies umfasst auch, dass Safes und Schränke auf Verlangen zu öffnen sind, Computer bedient und deren Festplatte gespiegelt werden dürfen. Eine möglichst geringe Außenwirkung wird unter anderem dadurch erreicht, dass das Unternehmen sowohl während als auch nach der Ermittlungsmaßnahme im geregelten Geschäftsgang verbleibt oder kurz gesagt business as usual betrieben werden kann. Es sollte deshalb darauf hingewirkt werden, dass Fotokopien und Sicherungskopien der beschlagnahmten Unterlagen/Dateien zum Verbleib auf Kosten des Beschuldigten beziehungsweise des Unternehmens gefertigt werden, soweit diese im aktuellen Geschäftsablauf benötigt werden.

Pressemeldungen

Nicht immer lässt sich jedoch durch das Erscheinen der ­Ermittlungsbeamten eine Außenwirkung der Maßnahme verhindern. Es sollte aus diesem Grund schon frühzeitig in Erwägung gezogen werden, zusammen mit der internen Kommunikationsabteilung oder externen Pressefachleuten eine Pressemeldung zu dem gegenständlichen Vorfall zu veröffentlichen. Eine derartige Pressemeldung wird wohl unerlässlich sein, wenn die Ermittlungsbehörden – wie bei größeren Verfahren üblich – selbst eine Pressemeldung zu der Maßnahme veröffentlichen werden. Zwar werden diese Pressemeldungen der Ermittlungsbehörden in anonymisierter Form abgegeben, sie lassen aber vielfach Rückschlüsse auf das jeweilige Unternehmen zu, sodass nicht selten Reputationsschäden für das Unternehmen mit einer solchen Veröffentlichung verbunden sind. Eine wohlüberlegte Stellungnahme des Unternehmens lässt weniger Raum für Spekulationen und kann den Reputationsschaden zumindest minimieren.

Zudem ist eine interne Meldung im Unternehmen zum Vorfall selbst sowie eine Anweisung zum weiteren Vorgehen, insbesondere zur Kommunikation mit externen Anfragen, nicht nur überlegenswert, sondern durchaus als sinnvoll zu betrachten.

Dokumentation

Da das amtliche Durchsuchungsprotokoll und das Sicherheitsverzeichnis den Ablauf der Durchsuchungsmaßnahme erfassen sollen, ist bei den notwendigen Erklärungen der Beamten auf Vollständigkeit und Genauigkeit der erwähnten amtlichen Dokumente zu achten. Nicht immer verbleibt eine Durchschrift dieser Dokumente unaufgefordert bei dem von der Durchsuchung Betroffenen. Über die beschlagnahmten Unterlagen muss ein ausführliches Verzeichnis erstellt werden, aus dem zweifelsfrei hervorgeht, um welche Unterlagen es sich handelt und an welchem Auffindeort sich diese befanden. Jede Ungenauigkeit rächt sich im späteren Verfahren.

Rechtsmittel

Auch bei Ermittlungsmaßnahmen existieren für den Beschuldigten oder für Dritte grundsätzlich die Möglichkeiten, Rechtsmittel einzulegen. Bevor jedoch tatsächlich Rechtsmittel eingelegt werden, ist allerdings immer eine prozesstaktische Abwägung erforderlich: Zum einen können Rechtsmittel das Verfahren deutlich verlängern, ohne dass dem Beschuldigten ein wirklicher Nutzen daraus erwächst. In diesem Zusammenhang sei Folgendes erklärt: Dem verständlichen Wunsch des Mandanten, die Ermittlungs-, insbesondere Durchsuchungsmaßnahmen umgehend zu beenden und damit wieder Normalität einziehen zu lassen, kann durch derartige Rechtsmittel nicht entsprochen werden. Des Weiteren ist nach den Erfahrungen der Praxis zu bedenken, dass Rechtsmittel oftmals keinen Erfolg versprechen. Wird ein Rechtsmittel zurückgewiesen, sehen sich die Ermittlungsbehörden geradezu in ihrem Vorgehen bestätigt. Aus diesem Grund sind Rechtsmittel immer nur nach fundierter Abwägung aller Vor- und Nachteile einzulegen, und oftmals macht es mehr Sinn, die Energie der Strafverteidigung in die vollständige oder zumindest teilweise Ausräumung des Tatvorwurfs zu legen und möglichst frühzeitig eine geeignete Verteidigungsstrategie zu entwickeln. Gegen die Ermittlungsmaßnahmen der Steuerfahndung stehen verschiedene Rechtsmittel zur Verfügung. Es kann die Art und Weise der Durchsuchung sowie die Beschlagnahme angegriffen werden. Ob eine Beschwerde gegen den Durchsuchungsbeschluss sinnvoll ist, kann daher nicht pauschal beantwortet werden und muss vor dem Hintergrund der deutlichen Verfahrensverlängerung für jeden Fall individuell geprüft werden.

Wurden Gegenstände beziehungsweise Dokumente beschlagnahmt, auf die der Betroffene dringend angewiesen ist, kann sich die Beschwerde in praktischer Hinsicht durchaus nachteilig auswirken.

Fazit

Die geringen Anforderungen des Gesetzes, nämlich der Verdacht auf Vorliegen von wirtschaftskriminellen Handlungen, machen es den Ermittlungsorganen relativ leicht, eine Durchsuchungsmaßnahme zu begründen. Es ist nicht erforderlich, dass die durchsuchende Behörde absolut davon überzeugt ist, dass tatsächlich eine Straftat in einem Unternehmen begangen worden ist. So kann auch die böswillige, aber anonyme Anzeige, etwa durch ein Konkurrenzunternehmen, schnell die Ermittlungsbehörden auf den Plan rufen und zu der für das Unternehmen extrem belastenden Situation einer Durchsuchung führen. Häufig ist bei Vorliegen des Anfangsverdachts eine Durchsuchungsmaßnahme der seitens der Ermittlungsbehörden eingeschlagene Weg, um durch die hierbei erlangten Kenntnisse (infolge Befragungen und Auffinden von Beweismitteln) im Nachgang sachgerecht prüfen zu können, ob eine Straftat vorliegt. 

Zu den Autoren

UG
Ulrike Grube

Rechtsanwältin sowie Partnerin bei Rödl & Partner in Nürnberg. Sie leitet dort ein Team von Juristen im ­Bereich Prävention und ­Verteidigung, das mittelständische Unternehmen in allen ­wirtschaftlichen und steuerstrafrechtlichen Fragestellungen berät.

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CV
Dr. Christine Varga-Zschau

Rechtsanwältin und Associate Partner bei Rödl & Partner in ­Nürnberg. Sie ist Geldwäschebeauftragte sowie für das Team ­Prävention und Verteidigung im Bereich Wirtschafts-, Zoll- und Steuerstrafrecht tätig.

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