Familienrechtliche Gestaltungen - 28. August 2020

Potenziale ausschöpfen

Zuweilen ist es sinnvoll, sich der Gestaltungsoptionen bei den gesetzlichen Güterständen zu bedienen. So lassen sich nicht nur Pflichtteilsansprüche reduzieren, sondern vor allem auch steuerliche Vorteile nutzen.

Um die Durchführung des Zugewinnausgleichs zu vermeiden, wird oft genug eine Lösung in der jederzeit, außerhalb von Scheidung und Todesfall, frei vereinbaren Beendigung der Zugewinngemeinschaft gesucht. Sie führt zum Güterstand der Gütertrennung (§ 1388 BGB). Die Bezeichnung Gütertrennung wird häufig falsch verstanden. Die meisten Eheleute gehen davon aus, dass mit der Eheschließung ein gemeinsames Eigentumsverhältnis am Ehegattenvermögen entsteht. Wie bereits im DATEV magazin 11/2018 dargelegt, ist dies eben nicht der Fall. Jeder Ehegatte verwaltet, bis auf die Einschränkungen aufgrund der §§ 1365, 1366 BGB sein eigenes Vermögen für sich allein. Folge einer vereinbarten Gütertrennung ist allerdings, dass der steuerfreie Zugewinnausgleichsanspruch entfällt. Diese Auswirkung möchte man häufig vermeiden.

Modifizierte Zugewinngemeinschaft

Gewünscht ist daher überwiegend für den Fall, dass die Ehe Bestand hatte und sie durch den Tod eines Ehepartners beendet wird, dass der Zugewinnausgleichsanspruch erhalten bleibt. Anders, wenn die Ehe durch eine Scheidung beendet wird. Dann soll es nicht zum Zugewinnausgleich kommen. Eine derartige Lösung nennt man modifizierte Zugewinngemeinschaft. Man bedient sich gewissermaßen des Besten aus beiden Welten des Familien- und Erbrechts. Im Scheidungsfall soll keine möglicherweise ungeahnte wirtschaftliche Auswirkungen zeitigender Zugewinnausgleich stattfinden; im Erbfall schon, noch dazu, wenn man dadurch Steuern spart. Die Vereinbarung einer modifizierten Zugewinngemeinschaft ist heute durch die Rechtsprechung und die herrschende Meinung unstrittig anerkannt. Also an dieser Stelle keine Angst vor dem Vorwurf des Gestaltungsmissbrauchs.

Reduktion von Pflichtteilsansprüchen

Der Güterstand der Gütertrennung kommt aber auch bei erbrechtlichen Gestaltungen zum Einsatz, um etwa Pflichtteilsansprüche zu reduzieren. Durch die Vereinbarung der Gütertrennung und den damit zwangsläufig einhergehenden Zugewinnausgleich wird zwar zum einen die vermeintliche Erbmasse reduziert, durch den Wegfall des Zugewinnausgleichs im Todesfall des Erblassers erhöhen sich jedoch die Pflichtteilsansprüche für dessen Abkömmlinge. Der Pflichtteil heißt Pflichtteil, weil er einem Abkömmling des Erblassers gemäß § 2303 BGB einen Pflichtteil gewährt, der in der Hälfte dessen besteht, was man als gesetzlicher Erbe erhalten hätte. Erbteils- und Pflichtteilsberechtigung schließen sich gegenseitig aus. Entweder ist man Erbe und erhält den gesetzlich oder mittels gewillkürter Erbfolge (Testament oder Erbvertrag) festgelegten Erbanspruch oder man ist nicht Erbe, wäre es aber bei Beachtung der gesetzlichen Vorschriften geworden. In letzterem Fall steht einem zumindest der Pflichtteil sowie ein Pflichtteilsergänzungsanspruch gemäß § 2325 BGB zu. Natürlich kann der Erbe den Anfall des Erbteils gemäß § 2346 BGB ausschlagen (sogenannte taktische Ausschlagung), um so in den Genuss des Pflichtteils und des damit korrespondieren Pflichtteilsergänzungsanspruchs zu gelangen.

Exkurs 1: Das Pflichtteilsrecht am Pranger

Der Pflichtteilsanspruch stand seit Jahren in der Kritik und es wurde mit unterschiedlichsten Argumentationen versucht, ihn zu beseitigen. Hauptargument war der Verweis auf Art. 14 Abs. 1. S. 1 sowie Art. 2 Grundgesetz (GG), wonach das Erbrecht gewährleistet ist. Weil aber 25 Prozent des Nachlasses per Gesetz mit Pflichtteilsansprüchen belastet sind, sahen viele darin einen Verfassungsverstoß und wollten den Pflichtteilsanspruch von daher gänzlich abschaffen oder zumindest reduzieren. Im historischen Kontext wurde zudem darauf verwiesen, dass der Pflichtteilsanspruch im ursprüngliche Sinne dazu diente, einem Halbwaisen eine gewisse Anschubfinanzierung zu gewährleisten, der ihm im jugendlichen oder heranwachsendem Alter eine Berufsausbildung oder die Gründung einer Familie ermöglichen sollte. In der heutigen Zeit aber sind die meisten Pflichtteilsberechtigten eher in der Generation 50 plus zu finden, bei der die Berufsausbildung oder Familiengründungsphase bereits abgeschlossen ist und eine berufliche Laufbahn längst eingeschlagen wurde. Darüber hinaus sei die Entziehung des Pflichtteilsanspruchs gesetzlich nur unter den engen Voraussetzungen des § 2333 BGB möglich, dessen Abs. 5 im Jahr 2009 (Führen eines unsittlichen Lebenswandels) zudem ersatzlos gestrichen wurde, argumentierten die Kritiker. In Zeiten, in denen es Menschen in Dschungelcamps zieht, um dort mit der kamerafreundlichen Nahrungsaufnahme von Maden, Mehlwürmern und ähnlichen Köstlichkeiten zu Topsendezeiten Geld zu verdienen, erschien dem Gesetzgeber der Hinweis auf die gebräuchlichen Sitten wohl obsolet zu sein. Tempus fugit! Letztlich setzte das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in seiner Entscheidung vom 19. April 2005 (BVerfGE 112, 332) sämtlichen Spekulationen mit folgender Argumentation ein Ende: „Die grundsätzlich unentziehbare und bedarfsunabhängige wirtschaftliche Mindestbeteiligung der Kinder des Erblassers an dessen Nachlass wird durch die Erbrechtsgarantie des Art. 14 Abs. 1 S. 1 in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 GG gewährleistet. Die Normen des Pflichtteilsrechts der Kinder … sind mit dem Grundgesetz vereinbar.“ Jetzt wissen wir es von höchster Stelle! Mit anderen Worten: „Das war gut so, das haben wir immer so gemacht, dabei bleiben wir!“ Roma locuta, causa finita!

Exkurs 2: Die EU-Erbrechtsverordnung

In diesem Zusammenhang ist aber auch die neuerliche Erweiterung der Kampfzone anzuführen, die mit Inkrafttreten der Europäischen Erbrechtsverordnung (EuErbVO) am 16. August 2012 entstanden ist und Erbfälle ab dem 17. August 2015 erfasst. Die EuErbVO, die weltweite Geltung entfaltet und für alle Staatsbürger der Ratifizierungsländer und damit auch für Staatsangehörige der Bundesrepublik Deutschland gilt, stellt nämlich bei Tod des Erblassers gemäß Art. 21 EuErbVO auf das anzuwendende Rechtsregime des Orts des „letzten gewöhnlichen Aufenthaltsorts“ ab. Was aber, wenn das anzuwendende Recht des letzten gewöhnlichen Aufenthaltsorts des Erblassers gar keine Pflichtteils- geschweige denn entsprechende Ergänzungsansprüche vorsieht, oder schlimmer als das, Frauen in diesem Land nicht erbberechtigt sind? Es sei mir gestattet, insoweit auf weiterführende Hinweise zu diesem Themenbereich zu verweisen (vgl.Burandt in: Burandt/Rojahn, Erbrecht, 3. Auflage, C.H. Beck Verlag, München).

Pflichteilsansprüche und Schenkungen

Durch Wegfall des Zugewinnausgleichs beim verwitweten Ehepartner stehen den Abkömmlingen des Erblassers – das sind wie bereits erwähnt und oft fälschlicherweise kundgetan nicht nur die Kinder, sondern auch deren Kinder, also die Enkel des Erblasser – neben prozentual erhöhten Pflichtteilsansprüchen zusätzlich auch sogenannte Pflichtteilsergänzungsansprüche zu (§§ 2303, 2325 BGB). Derartige Ansprüche beziehen sich auch auf Schenkungen sowie gemischte Schenkungen des Erblassers an Dritte, die innerhalb der letzten zehn Jahre vor Eintritt des Erbfalls seitens des Erblassers getätigt wurden. Gemäß § 2325 Abs. 3 BGB werden diese Zuwendungen pro rata temporis über zehn Jahre hinweg reduziert, sofern sie nicht an den Ehepartner erfolgt sind. In Bezug auf den Ehepartner beginnt nämlich die Frist gemäß § 2325 Abs. 3 S. 3 BGB erst mit Auflösung der Ehe, also mit dem Tod des Erblassers, zu laufen. Im Ergebnis stehen somit Schenkungen an den oder die Geliebte in Bezug auf Pflichtteilsergänzungsansprüche aus Sicht der Berechtigten schlechter da als Zuwendungen an den Ehegatten. Oder vice versa, Schenkungen an Dritte werden privilegiert, Schenkungen an den Ehegatten nicht. Eine Regelung die unter dem Gesichtspunkt des Art. 6 GG zumindest nicht zu erwarten ist.

Die Güterstandsschaukel

Um derartige Auswirkungen zu vermeiden, die zur Erhöhung der Pflichtteilsansprüche der diesbezüglich Berechtigten führen, wird der nochmalige Wechsel vom Güterstand der Gütertrennung zurück in den gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft empfohlen, was dann wiederum zur Reduktion der Pflichtteilsansprüche bei den Pflichtteilsberechtigten führt. Dieser Hin-und-Her-Wechsel zwischen den jeweiligen Güterständen, wird auch als Güterstandsschaukel bezeichnet. Gemeint ist damit ist der Wechsel „hin“ vom Güterstand der Zugewinngemeinschaft in den Güterstand der Gütertrennung und dann wieder „zurück“ vom Güterstand der Gütertrennung in den Güterstand der Zugewinngemeinschaft. Und wer hat das erfunden? Na klar, unsere Kollegen, die Steuerberater, die damit ganz nebenbei auch die Erbschaftsteuer reduzieren beziehungsweise gänzlich vermeiden; dies unter Beachtung der steuerlichen Freigrenzen, die bei Eheleuten innerhalb eines Zeitraums von zehn Jahren gemäß § 16 Erbschaftsteuergesetz (ErbStG) immerhin 500.000 Euro betragen. Derartige Steuergestaltungsmodelle werden natürlich von der Finanzverwaltung mit entsprechendem Argwohn betrachtet, die Behörden erheben an dieser Stelle zumindest latent den Einwand des Gestaltungsmissbrauchs. Insoweit stellt sich die Frage, welche zeitliche Spanne zwischen dem Hin-und-Her-Geschaukel mindestens liegen sollte, um derartigen Anwürfen aus dem Wege zu gehen. Bei der Beantwortung dieser Frage wird häufig der Begriff „angemessen“ ins Spiel gebracht. Doch Vorsicht vor einem derart unbestimmten Rechtsbegriff, auf jeden Fall mit Blick auf dessen zeitlichen Horizont. Wenn sich allerdings die familiären Umstände, etwa durch Heirat, Wegfall eines nahen Angehörigen oder sonstige nachweisbar signifikante Umstände, geändert haben sollten, dürften einem wiederholten Güterstandswechsel vermutlich wohl keine berechtigten Einwände der Finanzverwaltung entgegengehalten werden können. Doch Vorsicht ist auch hier die Mutter der Porzellankiste.

Mehr dazu

Lesen Sie dazu auch das Titelthema „Auf Nummer sicher – Wie Sie Ihr Vermögen schützen“ (DATEV magazin 02/2016).

Kompaktwissen für GmbH-Berater „Die Beratung der familiengeführten GmbH, 2. Auflage“ (Art.-Nr. 35335)

Zum Autor

Prof. Dr. Wolfgang Burandt

Rechtsanwalt, LL.M., M.A., MBA (University of Wales, Cardiff) und Fachanwalt für Erbrecht bzw. Fachanwalt für Familienrecht sowie zertifizierter Mediator (BAFM) in der Kanzlei WIRTSCHAFTSRAT Recht Bremer Woitag Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in Hamburg.

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