Unternehmensnachfolge - 25. August 2022

Patentrezepte gibt es nicht

Die Entscheidung über dieses sensible Thema sollte sorgsam, unter Berücksichtigung betriebswirtschaftlicher, finanzieller und rechtlicher Aspekte sowie persönlicher und familiärer Bedürfnisse getroffen werden. Daher gilt die Empfehlung, sich frühzeitig mit dem eigenen Ruhestand zu beschäftigen.

Mit zunehmendem Alter kommen Unternehmerinnen und Unternehmer nicht umhin, sich mit dem Rückzug aus dem eigenen Betrieb auseinanderzusetzen und sich die Frage zu stellen, was nach ihrem Ausscheiden aus der eigenen Firma werden soll. Grundsätzlich stehen ihnen zwei Handlungsoptio­nen offen: die Fortführung des Betriebs durch einen Nachfolger oder die Stilllegung ihres Unternehmens. Das Gros aller Altei­gentümer strebt die Fortführung ihrer Unternehmen an, nur etwa vier Prozent kommen bereits in der Entscheidungsphase zum Ergebnis, den Betrieb stillzulegen. Jedoch wird nach Ana­lysen des Instituts für Mittelstandsforschung (IfM) Bonn im wei­teren Verlauf des Nachfolgeprozesses – insbesondere in der so­genannten Matching-Phase – noch einmal knapp ein Viertel der Unternehmen stillgelegt, in denen eigentlich eine Nachfolgelö­sung angestrebt wurde. Diese Kluft zwischen Übergabewunsch und -wirklichkeit ver­deutlicht, warum es schwierig ist, die Anzahl der anstehenden Unternehmensübergaben auf Basis von Befragungen zu prog­nostizieren. Zugleich fehlt es aber auch an amtlichen Daten. Die Anzahl der zukünftigen Übergaben lässt sich daher nur annähe­rungsweise bestimmen. Nach Schätzungen des IfM Bonn ste­hen für den Zeitraum 2022 bis 2026 jährlich rund 38.000 Unter­nehmensübergaben an, weil die Eigentümer aufgrund von Al­ter, Krankheit oder Tod aus der Geschäftsführung ausscheiden. Fast die Hälfte der Unternehmensnachfolgen werden im Be­reich der unternehmensnahen Dienstleistungen stattfinden, über ein Viertel im produzierenden Gewerbe. Überdurch­schnittlich viele Übergaben sind dabei in Unternehmen der Größenklasse von 500.000 Euro bis 1 Million Euro Jahresum­satz zu erwarten.

Familieninterne Nachfolge

Nicht alle zur Übergabe stehenden Unternehmen werden auf dem freien Markt angeboten. Etwa die Hälfte der Unternehmen verbleibt nach Schätzungen des IfM Bonn in der Familie. Ein Grund für die Präferenz einer familieninternen Nachfolge mag in der Verbundenheit zum Unternehmen liegen, das die Altei­gentümer selbst gegründet beziehungsweise bereits selbst von der Elterngeneration übernommen haben. Diese Nachfolgelö­sung hat aber auch andere Vorteile: So kennen die Angehörigen das Unternehmen in der Regel sehr gut. Sind sich beide Partei­en einig, kann der oder die Nachfolgende Stück für Stück aufge­baut werden. Als positive Beispiele seien hier die Unternehmer­familien Fielmann, Rossmann oder Vissmann genannt, wo sich die Unternehmerkinder durch die Leitung eines familieneige­nen Start-ups auf die spätere Nachfolge vorbereitet haben. Al­lerdings gibt es auch genügend Beispiele, in denen eine famili­eninterne Lösung nicht funktionierte – sei es, weil es den Fami­lienangehörigen an den nötigen Kompetenzen fehlte oder weil Unternehmertum schlicht nicht mit den eigenen Lebenszielen vereinbar schien. Schließlich erleben gerade die Kinder der Ei­gentümer schon von klein auf, was die Unternehmensverant­wortung für die Lebensgestaltung ihrer Eltern bedeutet. Es empfiehlt sich daher, sich als Unternehmer frühzeitig mit der ei­genen Nachfolge auseinanderzusetzen. Dazu gehört eine realis­tische Betrachtung der Möglichkeit einer familieninternen Lö­sung – aber auch die Vor- und Nachteile einer betriebsinternen oder -externen Übergabe sowie gegebenenfalls einer Stillle­gung.

Alternativen erwägen

Lässt sich eine familieninterne Übergabe nicht realisieren, lohnt es sich, den Verkauf an einen Mitarbeiter in Erwägung zu zie­hen. Häufig befördert gerade das Fehlen eines klassischen Nachfolgers das Interesse von Beschäftigten an einer Übernah­me des Betriebs. Wenn diese zudem Führungserfahrung haben, ergeben sich ähnliche Vorteile wie bei einer familieninternen Übergabe: Der bisherige Inhaber kann die Stärken und Schwä­chen des Mitarbeiters einschätzen. Der Arbeitnehmer, in der Regel eine Führungskraft, dagegen kennt die internen Struktu­ren und das wirtschaftliche Potenzial des Unternehmens. Somit kann eine erfolgreiche und reibungslose Übergabe gelingen. Hinzu kommt, dass eine Übergabe an eine interne Führungs­kraft abseits der Öffentlichkeit vorbereitet und diskret umge­setzt werden kann. Da interne Führungskräfte mehr oder weni­ger direkt für eine Nachfolge im Unternehmen zur Verfügung stehen, ist diese Nachfolgeform außerdem vergleichsweise schnell zu realisieren. Gibt es keine Nachfolgeinteressierten in der Belegschaft oder im geschäftlichen beziehungsweise priva­ten Umfeld, müssen diese erst gesucht werden. Ein solcher Pro­zess braucht Zeit, denn gerade die externen Nachfolgelösungen sind mit mehr Unwägbarkeiten verbunden.

Höheres Stilllegungsrisiko bei externer Nachfolge

Die Suche nach einem passenden Nachfolger ist daher nicht selten vom Zufall bestimmt. Interessiert sich jemand für das Un­ternehmen, ist der Verhandlungsprozess durch mehr Unsicher­heiten bestimmt als bei den internen Nachfolgelösungen, weil alle Seiten einen unterschiedlichen Kenntnisstand über das Un­ternehmen haben. Das kann unter anderem zu starken Unter­schieden in den Vorstellungen über einen adäquaten Kaufpreis führen. Daher haben Unternehmen, die eine familienexterne Nachfolgelösung anstreben, ein höheres Stilllegungsrisiko im Vergleich zu jenen mit familieninternen Nachfolgelösungen, wie eine aktuelle Studie des IfM Bonn zeigt. Wir gehen jedoch davon aus, dass wirtschaftlich erfolgreiche Unternehmen meist eine Nachfolgelösung finden.

Regionale und branchenspezifische Besonderheiten

Gleichwohl dürften beispielsweise Familienunternehmen in ländlichen Regionen tendenziell größere Schwierigkeiten bei der Nachfolgersuche haben als ihre Pendants in städtischen Räumen. Insbesondere im Handwerk ist nicht auszuschließen, dass es Gewerke gibt, für die – trotz guter Zukunftsaussichten – tatsächlich nicht mehr genügend Nachfolger zur Verfügung ste­hen. Für wirtschaftlich weniger attraktive Unternehmen ist es ebenfalls schwierig. Das heißt nicht, dass diese Unternehmen nicht versuchen sollten, einen Nachfolger zu finden. Sie sollten sich aber auch mit einer möglichen Unternehmensstilllegung auseinandersetzen – denn auch diese gilt es vorzubereiten und zu planen. Eine Stilllegung hat im Übrigen wenig mit Scheitern zu tun, denn tatsächlich handelt es sich dabei um eine ökono­misch-rationale unternehmerische Entscheidung, die nach Ab­wägung der Erfolgsaussichten und der Kosten, die mit der Rea­lisierung einer Übergabe verbunden sind, getroffen wird.

Für den Notfall vorsorgen

Nicht jede Übergabe erfolgt geplant. Sie kann auch schon frü­her notwendig werden. Schließlich ist keiner davor gefeit, un­verhofft schwer zu erkranken oder zu versterben. Auch lässt sich aktuell noch nicht abschätzen, wie sich die Folgen von Co­rona-Infektionen langfristig auf die Gesundheit von betroffenen Eigentümern auswirken. Unter solchen Umständen kann eine frühzeitigere Nachfolgeregelung notwendig werden. Neben der Vorsorge zur Absicherung der Familie muss auch Vorsorge für das Unternehmen selbst getroffen werden, beispielsweise die Festlegung von Vollmachten und Unterschriftsberechtigungen oder die Bestimmung einer Stellvertretung. Aktuell sind knapp 80 Prozent der zu übernehmenden Unternehmen kleinbetrieb­lich organisiert und erzielen weniger als 2 Millionen Euro Um­satz im Jahr. Die wenigsten dieser Familienunternehmen verfü­gen über entsprechende Notfallpläne – in kaum einem gibt es eine Führungsebene unterhalb der Geschäftsführung. Gerade kleine Unternehmen sollten aber über die Einführung eines der­artigen Notfallplans nachdenken, denn eine Stellvertretung bringt zwei Vorteile: Kurzfristig ist sie bei plötzlichen Ausfällen hilfreich. Langfristig kann sie eine Nachfolgelösung erleichtern, denn der Schritt vom Stellvertreter zum Unternehmer ist nicht mehr so groß. Der betraute Mitarbeiter kann das Risiko als Un­ternehmer besser einschätzen und erlangt frühzeitig Einblicke in die wichtigen Aspekte der Unternehmensführung. Gerade für kleinere Unternehmen, die deutlich häufiger als größere ein Problem haben, bereitwillige Nachfolger zu finden, kann dies eine gute Option sein.

Sensibilisierung für Risiken von Nachfolgen

Gleichzeitig sollten besonders Inhaber von kleineren Betrieben, die keine familieninternen Nachfolgekandidaten haben und/oder mit einer mangelhaften Ertragslage konfrontiert sind, da­für sensibilisiert werden, dass ein späterer Unternehmensver­kauf schwierig werden dürfte und daher keine verlässliche und alleinige Säule der späteren Altersvorsorge sein kann. Gelingt der Unternehmensverkauf dennoch, stellt der Verkaufspreis aber eine zusätzliche Einnahme neben alternativen Einkünften dar. Aus verschiedenen Befragungen wissen wir, dass mittelständische Unternehmer auch ihren steuerlichen Berater in Fra­gen der Nachfolgeregelung ansprechen, da er das Familienun­ternehmen aufgrund der oft langjährigen Geschäftsbeziehung gut kennt und in der Regel einen wichtigen Beitrag leisten kann.

Zur Nachfolgeschätzung des IfM Bonn

Das Institut für Mittelstandsforschung (IfM) Bonn ermittelt seit knapp 30 Jahren in regelmäßigen Abständen mittels eines spe­ziell hierfür entwickelten Schätzverfahrens die Anzahl der Familienunternehmen in Deutschland, in denen in den kom­menden fünf Jahren die Nachfolgeregelung ansteht. Für die Schätzung kombiniert das IfM Bonn verschiedene amtliche und halbamtliche Daten, etwa des Statistischen Bundesamts und der Deutschen Bundesbank, sowie nutzbare Langzeitstu­dien, wie zum Beispiel das Sozioökonomische Panel und eige­ne Erhebungen.

Mehr dazu

DATEV-Fachbuch: Nachfolge im elterlichen Betrieb, www.datev.de/shop/35473

Kompaktwissen Beratungspraxis: Notfallplanung für Unternehmerinnen und Unternehmer, www.datev.de/shop/35776

DATEV-Fachbuch: Notfallplanung für Unternehmerinnen und Unternehmer, www.datev.de/shop/35493

Mandanten-Info-Broschüre: Notfallplanung für Unterneh­merinnen und Unternehmer, www.datev.de/shop/32542

Kompaktwissen Beratungspraxis: Unternehmertestamente richtig gestalten, 4. Auflage, www.datev.de/shop/35748

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Zur Autorin

NS
Dr. Nadine Schlömer-Laufen

Projektleiterin im Institut für Mittelstandsforschung (IfM) Bonn

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