Betriebsrätemodernisierungsgesetz - 27. Oktober 2022

Neue Formen der Zusammenarbeit

Ein relativ junges Gesetz hat neue Formen für die Zusammenarbeit zwischen den Betriebsparteien auf den Weg gebracht. Dies ist zwar zu begrüßen, jedoch ist eine umfassende Modernisierung der Betriebsverfassung ausgeblieben.

Die Arbeitswelt befindet sich in ständigem Wandel. Mit der fortschreitenden Digitalisierung, beschleunigt durch die Corona-Pandemie, realisieren sich Veränderungen in einer bislang ungekannten Geschwindigkeit. Diese Entwicklung wirkt sich nicht nur auf die Arbeitsbedingungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und auf deren Tätigkeit aus, sondern auch auf die Arbeit des Betriebsrats beziehungsweise auf die Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und diesem Gremium. Die Digitalisierung bei der Zusammenarbeit zwischen den Betriebsparteien hatte im Zuge der Corona- Pandemie – zunächst temporär – durch befristete gesetzliche Regelungen einen Schub erhalten. Mit dem sogenannten Betriebsrätemodernisierungsgesetz hat der Gesetzgeber dann einige Ausprägungen digitaler Betriebsratstätigkeit beziehungsweise des digitalen Zusammenwirkens der Betriebsparteien geregelt, so etwa die Vorgaben für virtuelle Betriebsratssitzungen oder Regeln über den digitalen Abschluss von Betriebsvereinbarungen.

Digitale Zusammenarbeit vor Corona

Bereits in den Jahren vor Beginn der Covid-19-Pandemie hatte sich die Digitalisierung der Arbeitswelt zunehmend auch auf das Betriebsverfassungsrecht sowie auf die Zusammenarbeit der Betriebsparteien ausgewirkt. Erkennen konnte man diese Entwicklung nicht zuletzt an der Rechtsprechung der letzten Jahre vor der Pandemie, beispielsweise als es um die Mitbestimmung des Betriebsrats bei der Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen im Sinne von § 87 Abs. 1 Nr. 6 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) ging, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen. Bereits 2018 entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG), dass die Nutzung von Softwarebasierten Personalverwaltungssystemen der Mitbestimmung des Betriebsrats unterliegt, und zwar selbst dann, wenn diese Systeme lediglich auf einer normalen Standard-Software basieren (im Streitfall Microsoft Excel zur Erfassung von Anwesenheitszeiten der Mitarbeiter – so BAG, Beschluss vom 23.10.2018 – 1 ABN 36/18). Weiter hatten sich die Arbeitsgerichte in diesem Zeitraum unter anderem mit der Frage zu befassen, welche digitalen sachlichen Mittel der Arbeitgeber dem Betriebsrat für dessen Tätigkeit im Rahmen der Erforderlichkeit (§ 40 Abs. 2 BetrVG) zur Verfügung stellen muss. Bejaht wurde die Erforderlichkeit etwa für ein Smartphone, das ein 13-köpfiger Betriebsrat für seine Tätigkeit vom Arbeitgeber verlangt hatte [Landesarbeitsgericht (LAG) Hessen, Beschluss vom 13.03.2017 – 16 TaBV 212/16]. Ebenfalls vor Corona hatte das LAG Hamburg entschieden, dass eine im Betrieb durchgeführte Online-Betriebsratswahl zwar nicht nichtig, jedoch anfechtbar sei, da sie nicht mit der Wahlordnung vereinbart werden könne (LAG Hamburg, Beschluss vom 15.02.2018 – 8 TaBV 5/17). Trotz des digitalen Wandels, der sich also bereits vor Corona auf die Zusammenarbeit der Betriebsparteien auswirkte, kannte das BetrVG vor Beginn der Pandemie aber weder virtuelle Betriebsratssitzungen noch mittels audiovisueller Einrichtungen durchgeführte Betriebsversammlungen beziehungsweise digital abgeschlossene Betriebsvereinbarungen.

Digitale Betriebsratsarbeit infolge Corona

Mit Beginn der Pandemie und den damit einhergehenden Kontaktbeschränkungen wurden aber schlagartig wirksame gesetzliche Regelungen erforderlich. Anderenfalls wäre die Handlungsfähigkeit der Betriebsparteien unter Pandemiebedingungen nicht zu gewährleisten gewesen. Mit dem eilig beschlossenen § 129 BetrVG ermöglichte der Gesetzgeber erstmals mit Wirkung ab dem 1. März 2020 unter anderem digitale Betriebsrats und Wirtschaftsausschusssitzungen sowie Einigungsstellen per Video- oder Telefonkonferenz oder mittels audiovisueller Einrichtungen durchgeführte Betriebs-, Betriebsräte- sowie Jugend- und Auszubildendenversammlungen. Dieser § 129 BetrVG galt zunächst befristet bis zum 30. Juni 2021 und im weiteren Pandemieverlauf dann nochmals in angepasster Fassung für einen weiter befristeten Zeitraum vom 12. Dezember 2021 bis zum 19. März 2022. Von der Möglichkeit, diese Regelung über dieses Datum hinaus, um weitere drei Monate zu verlängern (vgl. § 129 Abs. 3 BetrVG a.F.), machte der Deutsche Bundestag allerdings keinen Gebrauch. Die Regelung endete mit Ablauf des 19. März 2022 – und mit ihr endeten die durch den früheren § 129 BetrVG eingeräumten Möglichkeiten digitaler Betriebsratsarbeit. Übrig blieb allein die Möglichkeit – wenn auch nicht als Regelfall –, digitale Betriebsratssitzungen und -beschlüsse durchzuführen; dies gilt auch für den Gesamt- und Konzernbetriebsrat sowie für die Jugend- und Auszubildendenvertretung. Grund ist das Betriebsrätemodernisierungsgesetz, mit dem die voranstehend skizzierten Möglichkeiten schon mit Wirkung ab dem 18. Juni 2021, also bereits vor Auslaufen der ersten Befristung des § 129 BetrVG, dauerhaft in das BetrVG aufgenommen wurden (vgl. §§ 30, 33, 34, 51 BetrVG).

Das Betriebsrätemodernisierungsgesetz

Das am 18. Juni 2021 in Kraft getretene Betriebsrätemodernisierungsgesetz enthält neben neuen Mitbestimmungsrechten des Betriebsrats beim Einsatz künstlicher Intelligenz sowie bei der Ausgestaltung mobiler Arbeit und der Einführung von Regelungen zur erleichterten Gründung von Betriebsräten beziehungsweise zur Stärkung des Schutzes der Initiatoren von Betriebsratswahlen auch Regelungen zur digitalen Betriebsratsarbeit. Das Betriebsrätemodernisierungsgesetz schuf also einen – nun unbefristeten – neuen rechtlichen Rahmen für digitale Sitzungs- und Beschlussformate des Betriebsrats sowie der voranstehend genannten weiteren Gremien. Danach besteht nun dauerhaft die Möglichkeit, Betriebsratssitzungen per Video- oder Telefonkonferenz abzuhalten. Dafür sind jedoch gemäß § 30 Abs. 2 BetrVG die nachfolgenden strengen Vorgaben einzuhalten, damit die so gefassten Beschlüsse rechtmäßig sind:

  • Die genauen Rahmenbedingungen für die digitalen Sitzungen müssen vorab in einer Geschäftsordnung festgelegt werden (§ 36 BetrVG).
  • In der Geschäftsordnung muss eindeutig der Vorrang der Präsenzsitzung geregelt sein. Es sollte also geklärt werden, zu welchen Themen und in welchen Zeitabständen digitale Sitzungen ausnahmsweise zulässig sind (etwa lediglich für Routineangelegenheiten).
  • Es dürfen einer digitalen Sitzung nicht mehr als ein Viertel der Betriebsratsmitglieder innerhalb einer vom Vorsitzenden bestimmten Frist widersprechen.
  • Es muss sichergestellt sein, dass auch bei digital oder hybrid durchgeführten Sitzungen der Grundsatz der Nichtöffentlichkeit gewahrt ist und kein Unbefugter von den Inhalten der Sitzung Kenntnis nehmen kann.
  • Die Sitzung darf nicht aufgezeichnet werden.

Die Arbeitgeber sind bei der Erforderlichkeit nach § 40 Abs. 2 BetrVG verpflichtet, die für die Sitzungen erforderliche Technik zur Verfügung zu stellen und die dafür entstehenden und zumutbaren Kosten zu tragen. Es empfiehlt sich hier – soweit möglich – ein abgestimmtes Prozedere der Betriebsparteien mit Blick auf die erforderlichen Sachmittel sowie auf die zumutbaren Kosten. Durch das Betriebsrätemodernisierungsgesetz wurde zudem eindeutig geregelt, dass Betriebsvereinbarungen jetzt nach § 77 Abs. 2 S. 3 BetrVG digital geschlossen werden können. Ein bis dato bestehender Streit in Rechtsprechung und Schrifttum ist damit beendet. Abweichend von § 126a Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch ordnet § 77 Abs. 2 S. 3 BetrVG nun an, dass bei einer elektronischen Betriebsvereinbarung der Betriebsrat und der Arbeitgeber dasselbe Dokument elektronisch zu signieren haben.

Ausblick

Der Weg hin zu einer modernen Betriebsverfassung in einer digitalen Arbeitswelt wurde durch das Betriebsrätemodernisierungsgesetz ein Stück weit beschritten. Dies waren erste Schritte in die richtige Richtung, denn für die Betriebsparteien ergeben sich jetzt Möglichkeiten, die Betriebsratsarbeit in der Praxis zeitgemäß zu gestalten und die notwendige Zusammenarbeit der Betriebsparteien auch in Zeiten einer Pandemie aufrechtzuhalten. Dennoch besteht weiterhin Reformbedarf, da durch das Betriebsrätemodernisierungsgesetz lediglich ein Teil der digitalen Möglichkeiten der Betriebsparteien dauerhaft in das BetrVG übernommen wurde. Natürlich ist die Möglichkeit, Betriebsratssitzungen virtuell oder hybrid durchzuführen, grundsätzlich als positiv zu bewerten. Andererseits belässt es der Gesetzgeber aber beim grundsätzlichen Vorrang von Präsenzsitzungen. Und nach wie vor gibt es keine dauerhafte Regelung zu einer virtuellen Einigungsstelle sowie zu Betriebsversammlungen unter Nutzung audiovisueller Einrichtungen. Nach wie vor fehlt es zudem an der Möglichkeit, eine nicht anfechtbare, sicher gültige Online-Betriebsratswahl durchzuführen, was angesichts der zunehmend hybriden Arbeitswelt jedoch erforderlich erscheint. Künftig ist aber mit einer weiteren Digitalisierung der Betriebsratsarbeit zu rechnen. Denn die Ampelkoalition hat das Thema digitale Betriebsratsarbeit mit auf die Agenda gesetzt. Im Koalitionsvertrag ist vorgesehen, dass die Betriebsratsmitglieder künftig selbstbestimmt entscheiden sollen, ob sie analog oder digital arbeiten. Die nun mit dem Betriebsrätemodernisierungsgesetz begonnene Modernisierung soll überprüft und das Gesetz evaluiert werden, um eine möglichst effektive Betriebsratsarbeit für die Zukunft sicherzustellen. Die genauen Pläne für eine Digitalisierung der betrieblichen Mitbestimmung bleiben im Koalitionsvertrag allerdings vage. Insbesondere unklar ist die Entwicklung hin zu einer wirksamen Online-Betriebsratswahl. Der Koalitionsvertrag besagt an dieser Stelle lediglich, dass ein Pilotprojekt die Online-Betriebsratswahlen erproben wird.

Fazit

Die nächsten regelmäßigen Betriebsratswahlen werden zwischen März und Mai 2026 stattfinden. Die Entwicklungen bleiben abzuwarten. Der entscheidende Faktor für Umfang und Tempo hinsichtlich weiterer Umsetzungsschritte könnte wiederum die weiter andauernde Pandemie sein. Eine umfassende Modernisierung der Betriebsverfassung vor dem Hintergrund der fortschreitenden Digitalisierung könnte sich dann ergeben, wenn es im Winter beziehungsweise zum Jahreswechsel wieder zu einschneidenden Maßnahmen für die Unternehmen kommen sollte.

Zum Autor

MG
Markus Gloksin

Rechtsanwalt und Fachwalt für Arbeitsrecht in der Kanzlei DREITOR Partnerschaft von Rechtsanwälten mbB in Reutlingen.

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