Mängelrügen - 15. Dezember 2017

Haftung erweitert

Handwerker und andere Dienstleister werden bei der Gewähr­leistungspflicht gegenüber ihren Kunden entlastet. Sie müs­sen jedoch aufpassen, dass Lieferanten dies nicht mit AGB-Klauseln aushebeln.

Ein paar Jahre hat es schon gedauert, aber nun hat der Gesetzgeber doch noch das neue Gewährleistungsrecht auf den Weg gebracht. Ab 1. Januar 2018 ist die Reform des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) in Kraft, die im Wesentlichen auf das Werkvertragsrecht abzielt und dort auf die sogenannten Einbau- und Ausbaufälle. Die Besonderheit an der Neuregelung ist deren Anwendbarkeit auch auf B2B-Verhältnisse. Zwar konnte man auch nach bisheriger Rechtslage schon Lieferanten in Regress nehmen, aber das war nur möglich, wenn es sich beim letzten Glied der Lieferkette um einen Verbraucher handelte, der die mangelhafte Kaufsache gemäß § 474 Abs. 1 BGB erworben hatte, beziehungsweise dem Lieferanten ein Verschulden zur Last fiel. Der Verkäufer haftete hingegen ohne Verschulden. Jetzt hat der Gesetzgeber diese Lücke geschlossen. Fortan besteht die Regressmöglichkeit auch dann, wenn der Letztkäufer Unternehmer gemäß § 14 BGB ist.

Händler muss die Kosten tragen

Der Verkäufer ist gemäß § 439 Abs. 3 Satz 1 BGB verpflichtet, dem Käufer die erforderlichen Aufwendungen für das Entfernen einer mangelhaften sowie den Einbau oder das Anbringen der nachgebesserten oder gelieferten mangelfreien Sache zu ersetzen. Das können Kacheln sein, die wieder entfernt werden müssen, der Ab- und Wiederanbau von Dachrinnen, aber auch das Aufhängen und Anschließen von Leuchten. Voraussetzung für den Anspruch ist, dass der Käufer die mangelhafte Sache gemäß ihrer Art und ihrem Verwendungszweck in eine andere Sache eingebaut oder an eine andere Sache angebracht hat. Die Vorschrift greift also nicht, wenn der Einbau der mangelhaften Kaufsache atypisch erfolgt, etwa mit einer anderen Sache verbunden wird, für die eine solche Zusammensetzung nicht typisch ist. Ist der Käufer Verbraucher, kann er nach § 475 Abs. 6 BGB im Falle eines Verbrauchsgüterkaufs nach § 474 Abs. 1 BGB sogar einen Vorschuss verlangen.

Kosten auf Lieferanten abwälzen

Jedoch kann der Händler, der in Regress genommen wird, die Aufwendungen unter den Voraussetzungen des § 445a BGB auf seinen Lieferanten abwälzen, der sich wiederum in der Lieferkette bei seinem Lieferanten schadlos halten kann. Auf ein Verschulden kommt es insoweit nicht an. All das gilt allerdings nur für neu hergestellte Sachen, also nicht für Gebrauchtwaren. Außerdem muss der Mangel der Kaufsache, der zum Anspruch des Käufers gegenüber dem Verkäufer führt, bereits bei Übergang der Gefahr vom Lieferanten auf den Verkäufer vorhanden gewesen sein. Den Nachweis muss im Streitfall der Verkäufer führen.

Rügepflichten

Der letzte Absatz im vorstehenden neuen § 445a BGB birgt Probleme. Er verweist auf die handelsrechtlichen Rügepflichten, die unter Kaufleuten gelten und oft auch per AGB auf solche Unternehmer ausgedehnt werden, die keine Kaufleute sind. Danach ist der Käufer verpflichtet, die Ware unverzüglich nach Erhalt zu untersuchen und erkennbare Mängel zu rügen. Zeigt sich der Mangel erst später, muss die Mängelrüge unverzüglich nach Entdeckung erfolgen. Der Lieferant kann also beim Regress einwenden, der Abnehmer habe die Ware nicht ordentlich untersucht beziehungsweise die Rüge nicht rechtzeitig oder gar nicht ausgesprochen. Meldet sich ein Kunde mit einem Mangel, sollte also vorsorglich sofort die Rügeanzeige an den Lieferanten gehen. Durch eine Ergänzung im AGB-Recht in § 309 Nr. 8b BGB soll zudem verhindert werden, dass findige Lieferanten den Regressanspruch in ihren AGB ausschließen. § 309 BGB findet zwar nach § 310 Abs. 1 Satz 1 BGB keine Anwendung im B2B-Geschäft. Aber über eine Inhaltskontrolle nach § 307 BGB sind die Rechtsgedanken übertragbar, soweit es die Gewohnheiten und Gebräuche im Handelsverkehr zulassen.

Fristen und Verjährung

Der Verkäufer muss dem Lieferanten keine Frist setzen, wenn der Verkäufer die Kaufsache infolge des Mangels vom Käufer zurücknehmen musste oder der Käufer den Kaufpreis gemindert hat (§ 445a Abs. 2 BGB). Gemäß § 445a Abs. 3 BGB finden die Regressregelungen in der weiteren Lieferkette entsprechende Anwendung. Der Lieferant kann also die Kosten wiederum auf seinen Lieferanten abwälzen, wenn die Kaufsache bereits beim entsprechenden Gefahrübergang mangelhaft war. Die Verjährungsfrist für die Ansprüche gegenüber den Lieferanten beträgt nach § 445b Abs. 1 BGB zwei Jahre, sie beginnt im Zeitpunkt der Ablieferung der Kaufsache beim jeweiligen Käufer. Rettung bietet hier Abs. 2 der Vorschrift, der die Verjährung frühestens auf den Zeitpunkt von zwei Monaten nach Erfüllung beim Endkunden verlegt. Für diesen können aber sogar Verjährungsfristen von fünf Jahren in Betracht kommen, etwa für Handwerkerleistungen an Gebäuden.

Obergrenze bei der Kostentragungspflicht

Zeigt sich der Mangel erst später, muss die Mängelrüge unverzüglich nach Entdeckung erfolgen.

Die Pflicht des Verkäufers zum Ersatz der Aufwendungen, die für den Aus- und Einbau erforderlich waren, gilt jedoch beim Verbrauchsgüterkauf nicht unbeschränkt. Gemäß § 475 Abs. 4 Satz 2 BGB können Verkäufer die Ersatzpflicht auf einen angemessenen Betrag beschränken, wenn die Nachbesserung (Reparatur der mangelhaften Kaufsache) beziehungsweise Nachlieferung (Lieferung einer neuen, mangelfreien Kaufsache) mit unverhältnismäßig hohen Kosten verbunden ist. Bei der Bemessung des angemessenen Betrags sind nach § 475 Abs. 4 Satz 3 BGB insbesondere der Wert der Kaufsache in mangelfreiem Zustand und die Bedeutung des Mangels zu berücksichtigen.

Wahlrecht gestrichen

Während des Gesetzgebungsverfahrens war noch vorgesehen, dem Verkäufer ein Wahlrecht einzuräumen. Er sollte selbst entscheiden können, ob er den Ausbau der mangelhaften Kaufsache sowie den Einbau der neuen mangelfreien Sache in Eigenregie vornehmen oder bloß die dabei entstehenden oder erforderlichen Kosten übernehmen möchte, etwa wenn der Käufer den Aus- und Einbau selbst vornimmt. Doch im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens wurde das Wahlrecht gestrichen, sodass der Verkäufer das Recht, aber auch die Pflicht hat, die dazu erforderlichen Aufwendungen dem Käufer zu ersetzen. Welche Aufwendungen erforderlich sind, ist anhand des jeweiligen Einzelfalls zu entscheiden. Der Aufwendungsanspruch des Käufers ist ausgeschlossen, wenn er den Mangel beim Einbau oder Anbringen der mangelhaften Kaufsache bereits gekannt hat.

Fazit

Die Neuerungen sind zu begrüßen, obgleich versäumt wurde, für mehr Rechtsklarheit zu sorgen. Wann etwa sind die Kosten für Ein- und Ausbau unverhältnismäßig nach § 475 Abs. 4 BGB? Und auch der Verzicht auf eine fixe Obergrenze seitens des Gesetzgebers leuchtet nicht ein. Bei einem erheblichen Teil der neuen Vorschriften handelt es sich um eine gesetzliche Verankerung der in letzter Zeit von EuGH und BGH aufgestellten Grundsätze. Für Händler bringen die neuen Regelungen durchaus Vorteile. Denn sie können künftig ihnen entstandene Kosten leichter auf ihre Lieferanten abwälzen und laufen daher nicht Gefahr, auf diesen sitzen bleiben zu müssen.

Foto: Zoran Kolundzija / Getty Images

Zum Autor

Rolf Becker

Rechtsanwalt und Partner bei Wienke & Becker Rechtsanwälte in Köln; Autor von Fachbüchern und Fachartikeln zum Wettbewerbs-, Marken- und Vertriebsrecht, insbesondere im Fernabsatz

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