Insolvenz in Eigenverwaltung - 29. September 2022

Gut aufgestellt sein

Eine Sanierung unter eigener Regie kann auch für kleine Unternehmen eine gute Alternative sein. Wer hier einen fachkundigen Berater hinzuziehen kann und mit digitalen Prozessen arbeitet, ist doppelt im Vorteil.

Die Firmeninsolvenzen waren in den vergangenen Jahren hierzulande deutlich rückläufig. Zurückzuführen ist dies vor allem auf die gesetzlichen Sonderregelungen und Wirtschaftshilfen, die im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie beziehungsweise der Hochwasserkatastrophe im Sommer 2021 von staatlicher Seite aus angeordnet wurden. Mittlerweile aber gibt es erste Anzeichen für einen künftigen Anstieg von Firmeninsolvenzen, denn laut Aussage der Mitgliedsunternehmen des Berufsverbands der Insolvenzverwalter und Sachwalter Deutschlands (VID) sei aktuell ein erhöhter Beratungsbedarf zu verzeichnen. Zurückzuführen ist dies auf die Folgen des Kriegs in der Ukraine sowie die stark gestiegenen Energiepreise, die für viele Unternehmen, gerade im Mittelstand, existenzbedrohend werden können.

Insolvenz in Eigenverwaltung

Sofern es zu einer erhöhten Insolvenzgefahr von Personen- und Kapitalgesellschaften beziehungsweise im verarbeitenden Gewerbe kommen sollte, bietet es sich an, die Möglichkeit einer Sanierung in Eigenverwaltung zu prüfen. Zwar ist dieses Verfahren eher nicht für kleine Betriebe geeignet, aber unter gewissen Voraussetzungen kann es jedoch auch für derartige Unternehmen eine gute Alternative sein. Zahlreiche Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung bei kleineren Betrieben, die erfolgreich waren, belegen dies. Im Wesentlichen hängt es von der Struktur der Gesellschaft sowie der Qualität der bisherigen Geschäftsführung ab. Neben einer ordentlichen Verwaltungsstruktur kommt es auch darauf an, dass die alte Geschäftsleitung Nervenstärke zeigt.

Zugangsvoraussetzungen

Für eine Sanierung in Eigenverwaltung wurden die Zugangsvoraussetzungen ab dem 1. Januar 2021 gemäß § 270 a Insolvenzordnung (InsO) deutlich erschwert. Dies ist aber nicht schlimm. Denn die nun geltenden Voraussetzungen des § 270 a Abs. 1 Nr. 1 bis 5 InsO waren auch in der bisherigen Praxis Teil jeder Insolvenz in Eigenverwaltung. Die Vergangenheit hat gezeigt, wie wichtig hier eine ordnungsgemäße Buchhaltung sowie ein internes Controlling sind, mithin ein geordneter Betriebsablauf. Diese Voraussetzungen sollten selbstverständlich sein. Leider sieht die Realität oft ganz anders aus. Das mag an unordentlichen Mandantinnen und Mandanten oder an offenen Honorarrechnungen liegen oder auch einfach daran, dass sich die eigenen Sachbearbeiter angenehmeren Tätigkeiten widmeten.

Qualitative Aspekte

Eine Insolvenz in Eigenverwaltung ist für einen im Insolvenzrecht unerfahrenen Steuerberater allein nicht zu begleiten. Denn es müssen zu viele rechtliche Fragen beantwortet werden. Allein der Umgang mit Kreditgebern ist oft sehr schwierig. Ohne einen erfahrenen Sanierungsberater ist es daher praktisch aussichtslos, die vielschichtigen Anforderungen zu erfüllen. Selbst die steuerlichen Problemstellungen sind nicht ohne Weiteres abzuarbeiten, weil das Steuerrecht während einer Insolvenz ein Sonderrecht ist und für nicht fachkundige Berater zum Minenfeld werden kann. Hier sei nur auf Organschaft, Betriebsaufspaltung sowie die Problematik um den § 55 Abs. 4 InsO hingewiesen. Eine zumindest zeitlich befristete Zusammenarbeit mit einem fachkundigen Berater ist daher zwingend geboten. Darüber hinaus ist eine erfolgreiche Insolvenz in Eigenverwaltung nur möglich, wenn alle Unterlagen geordnet zur Verfügung stehen. Das gilt selbstverständlich auch für die Finanzbuchführung. Die Erfahrung zeigt, dass dies häufig nicht der Fall ist. Gründe dafür sind womöglich offene Honorarforderungen oder der Umstand, dass der bisherige steuerliche Berater das Mandat innerlich bereits aufgegeben hat.

Vorteile der Digitalisierung

Der betroffene Mandant hat während des Insolvenzverfahrens alles, nur keine Zeit. Er ist dankbar für jede Entlastung. Hier schafft die Digitalisierung Freiräume. Jeder Berechtigte hat jederzeit Zugriff auf alle Unterlagen. Mehrfaches Kopieren und Versenden entfällt. Einmal richtig verschlagwortet, findet man alle Dokumente sofort. Die Möglichkeit, alle Unterlagen sehr schnell bereitstellen zu können, schafft Vertrauen während des gesamten Verfahrens. Das beginnt mit dem externen Sanierungsberater, den Stakeholdern und dem (vorläufigen) Sachwalter. Diese Beteiligten sind mehr als erfreut, wenn sie feststellen, dass alle Belege innerhalb eines Tages bereitgestellt werden können und der (vorläufige) Sachwalter direkten Einblick in die Buchführung hat. Noch besser wirkt das Ganze, wenn man das System vor Ort präsentieren kann.

Fazit und Ausblick

Der Mandant verdient, wenn möglich, eine Chance auf ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung. Gehandelt werden muss bereits vor der Krise. Die Einführung digitaler Systeme und Prozesse ist dringend anzuraten. Die Kosten dafür sind in guten Zeiten überschaubar. Zwar sind die Beträge auch in der Krise zu bewältigen, erschweren das Verfahren dann aber unnötig. In jedem Fall ist jedoch zwingend geboten, bei Eintritt einer Krise beim Mandanten Kontakt zu einem auf das Insolvenzrecht versierten Kollegen aufzunehmen.

Mehr dazu

Auch Unternehmen, die nicht akut von einer Insolvenz bedroht sind, sind mit erheblichen Herausforderungen konfrontiert. So sehen Steuerberatungskanzleien bei 80 Prozent ihrer Unternehmensmandanten einen akuten Fachkräftemangel, 70 Prozent sind von steigenden Energiekosten betroffen und 68 Prozent leiden unter den Rohstoffpreisen. Weitere Infos unter www.datev.de/seismograf

Zu den Autoren

AS
Andreas Siedentop

Steuerberater in der Kanzlei Murr in Regensburg

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AM
Anton Murr

Steuerberater und Fachberater für Sanierung und Insolvenzverwaltung (DStV e.V.) in eigener Kanzlei in Regensburg

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