Die Änderungen im Doppelbesteuerungsabkommen mit Österreich tragen der neuen Lebensrealität Rechnung. Seit Beginn des Jahres 2024 sind bei der Grenzgängerregelung nur noch die Tage schädlich, an denen der Arbeitnehmer seine Tätigkeit außerhalb der Grenzzone ausübt.
Homeoffice und mobiles Arbeiten haben seit der Corona-Pandemie auch in der steuerlichen Beratung an Bedeutung gewonnen. Ortsunabhängige Arbeitsmodelle haben zu veränderten Rahmenbedingungen geführt, die vor allem im grenzüberschreitenden Kontext genau betrachtet werden müssen. Für Grenzgängerinnen und Grenzgänger,, also Steuerpflichtige, die in einem Staat wohnen und regelmäßig in einen anderen Staat zur Arbeit pendeln, spielen dabei vor allem die Regelungen in Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) eine wichtige Rolle. Den veränderten Arbeitsformen wurde nun auch in einem Änderungsprotokoll zum bestehenden DBA, das Deutschland (DE) und Österreich (AT) am 21. August 2023 unterzeichneten, Rechnung getragen. Darüber hinaus haben beide Staaten am 20. Dezember 2023 eine Konsultationsvereinbarung zur Auslegung der neuen Grenzgängerregelung abgeschlossen (BMF-Schreiben vom 20.12.2023). Tätigkeiten im Homeoffice haben dabei keine schädlichen Auswirkungen mehr auf den abkommensrechtlichen Grenzgängerstatus. Was genau wurde geändert und wie wirken sich die Neuerungen auf Grenzgänger aus?
Hintergrund der Grenzgängerregelung
Ist ein Arbeitnehmer grenzüberschreitend tätig, greift für die Zuordnung der Besteuerungsrechte nach den DBA in der Regel das Arbeitsortprinzip. Denn obwohl abkommensrechtlich grundsätzlich der Ansässigkeitsstaat des Arbeitnehmers den Arbeitslohn besteuern darf, ordnen die DBA dem Tätigkeitsstaat ein Besteuerungsrecht zu, sobald die Arbeit dort tatsächlich ausgeübt wird. Für Grenzgänger sieht das DBA AT eine Ausnahme von diesem Grundsatz vor. Greift die Grenzgängerregelung, hat weiterhin der Ansässigkeitsstaat das ausschließliche Besteuerungsrecht. Die Sonderbehandlung des Grenzgängers wird damit begründet, dass er in der Regel arbeitstäglich an seinen Wohnsitz zurückkehrt. Der Grenzgänger ist daher nach den Verhältnissen seines täglichen Lebens im Staat des Wohnsitzes zu besteuern und mit anderen Arbeitnehmern, die in unmittelbarer Nähe des Grenzgängers wohnen, aber im Inland arbeiten, gleichzubehandeln [BFH-Urteil vom 01.03.1963 (VI 119/61 U)].
Weniger Pendeln, mehr Homeoffice
Bisher konnte der Wohnsitzstaat weiterhin nach der Grenzgängerregelung besteuern, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt waren:
- Der Arbeitnehmer hatte seinen Wohnsitz in einem Vertragsstaat in der Nähe der Grenze,
- er hatte im anderen Vertragsstaat in der Nähe der Grenze seine Arbeitsstätte und
- er kehrte täglich an seinen Wohnsitz zurück.
Mit dem Änderungsprotokoll wurde der Wortlaut der Grenzgängerregelung neu gefasst (Art. 15 Abs. 6 DBA AT n. F.). Demnach dürfen Arbeitnehmervergütungen nur im Ansässigkeitsstaat besteuert werden, wenn eine in einem Vertragsstaat ansässige Person in diesem Vertragsstaat in der Nähe der Grenze ihren Hauptwohnsitz hat und ihre unselbstständige Tätigkeit üblicherweise in der Nähe der Grenze ausübt. Die Voraussetzung der täglichen Rückkehr des Arbeitnehmers an den Wohnort ist also entfallen. Damit die Grenzgängerregelung gilt, muss nach der Neuregelung künftig der nachfolgende Rahmen gegeben sein.
Grenznaher Hauptwohnsitz
Der Hauptwohnsitz muss sich in der Grenzzone, das bedeutet in der Nähe der Grenze, befinden. Dieser muss nach Auffassung der Finanzverwaltung den Lebensmittelpunkt darstellen. Ein Zweitwohnsitz in der Grenzzone ist nicht ausreichend. Grenznah sind Gemeinden und Städte, deren Gebiet ganz oder teilweise innerhalb einer Zone von 30 Kilometern beiderseits der Grenze liegt. Um festzustellen, ob diese Grenznähe gegeben ist, haben beide Finanzverwaltungen in der Konsultationsvereinbarung alle betroffenen deutschen und österreichischen Gemeinden einschließlich Postleitzahl in Anlagen aufgelistet.
Grenznahe Arbeitsausübung
Der Arbeitnehmer muss die Tätigkeit innerhalb der Grenzzone ausüben. Ein tägliches Pendeln über die Grenze ist nicht mehr erforderlich. Insgesamt kommt es somit nur noch auf den Ort der Arbeitsausübung an und jede Tätigkeit innerhalb der Grenzzone – sei es im Wohnsitz- oder im Tätigkeitsstaat – ist unschädlich. Da das Homeoffice im grenznahen Gebiet liegt, ist die Arbeitsausübung dort nach den neuen Regeln unschädlich für die Eigenschaft als Grenzgänger.
Üblicherweise in der Nähe der Grenze
Bei Vollzeitbeschäftigung waren nach einer Konsultationsvereinbarung zwischen beiden Staaten 45 Arbeitstage ohne Rückkehr zum Wohnsitz unschädlich. Telearbeit oder die Möglichkeit, von zu Hause aus zu arbeiten, galten bisher als Nichtrückkehrtage und flossen demnach als schädliche Tage in die Berechnung der 45-Tage-Grenze ein. Für das Kriterium „üblicherweise“ der Neuregelung ist diese 45-Tage-Regelung weiterhin anwendbar. An maximal 45 Tagen darf der Arbeitnehmer demnach außerhalb der Grenzzone tätig werden, um die Grenzgängereigenschaft nicht zu gefährden. Da das Homeoffice innerhalb der Grenzzone liegt, sind Tage der Heimarbeit unschädlich für den Grenzgängerstatus. Für Teilzeitbeschäftigte gilt, dass sie maximal 20 Prozent der tatsächlichen Arbeitstage außerhalb der Grenzzone verbringen dürfen.
Auch bei Dienstreisen spielt die Neuregelung eine Rolle, denn es kommt darauf an, ob Arbeitnehmer aufgrund der Dienstreise außerhalb der Grenzzone arbeiten. Hier kann es entscheidend sein, in welchem Umfang anteilig Arbeitszeit auf das Gebiet außerhalb der Grenzzone entfällt. Wie Grenzgänger im Homeoffice von der Neuregelung profitieren, verdeutlicht der nachfolgende Beispielsfall.
Fallbeispiel
Ein Arbeitnehmer (A) hat seinen Hauptwohnsitz in Deutschland. Er ist bei einem Arbeitgeber (B) mit Sitz in Österreich vollzeitbeschäftigt. Sowohl die Wohnung des A als auch der Sitz des B liegen in Grenznähe. Im Jahr 2023 pendelte er an 170 von insgesamt 220 Arbeitstagen zum Sitz von B. An zehn Tagen war A auf Dienstreise in Berlin. Die restlichen 40 Arbeitstage verbrachte A im Homeoffice an seinem Hauptwohnsitz. Da nach alter Rechtslage die Tätigkeit im Homeoffice jeweils als Nichtrückkehrtag zählte, kehrte er an mehr als 45 Tagen nicht täglich an seinen Wohnort zurück. Damit kam für ihn die Anwendung der Grenzgängerregelung nicht in Betracht. Der Arbeitslohn war nach den allgemeinen Grundsätzen (BMF-Schreiben vom 20.12.2023) auf die beiden Staaten aufzuteilen. Demnach stand Deutschland das Besteuerungsrecht für 50 Tage und Österreich für 170 Tage zu. Durch die Neuregelung seit dem 1. Januar 2024 sind die 40 Tage Homeoffice nicht mehr schädlich, wenn sich das Homeoffice innerhalb der Grenzzone befindet. Da der Arbeitnehmer dann insgesamt nur an zehn Tagen außerhalb der Grenzzone tätig ist, greift seit 2024 die Vereinfachung der Grenzgängerregelung und Deutschland hat das Besteuerungsrecht für den gesamten Arbeitslohn.
Handlungsempfehlungen für Arbeitgeber
Mit der Neufassung ist die Anwendung der Grenzgängerregelung nicht mehr von Nichtrückkehrtagen abhängig. Als schädliche Arbeitstage gelten seit 2024 nur noch die Tage, an denen der Arbeitnehmer die Tätigkeit außerhalb der Grenzzone ausübt. Für deutsche und österreichische Arbeitgeber ist dies auch im Hinblick auf die Gewährung von Homeoffice eine willkommene Änderung. Auf Arbeitgeberseite entfällt damit in vielen Fällen die Notwendigkeit, in beiden Ländern Lohnabrechnungen zu erstellen. Zudem fallen automatisch mehr Steuerpflichtige unter die neue Grenzgängerregelung. Grenznahe Arbeitgeber sollten daher prüfen, ob aufgrund der Neuregelung eine Anpassung der bisherigen Besteuerung ihrer Arbeitnehmer erforderlich ist.
Dokumentation
Arbeitgeber und Arbeitnehmer müssen weiterhin die Arbeitstage aufzeichnen. Nach Auffassung der Finanzverwaltung sind dabei die Anzahl der tatsächlichen Arbeitstage sowie die Anzahl der Arbeitstage außerhalb der Grenzzone in einem der beiden Vertragsstaaten oder in Drittstaaten in geeigneter Form zu dokumentieren.
