MoPeG - 3. März 2022

Gesellschaften neu ordnen

Die Modernisierung des Personengesellschaftsrechts bringt viele Neuerungen mit sich. Diese betreffen nicht nur neu zu gründende Gesellschaften, sondern sind auch für bereits bestehende relevant.

Die größte Reform des Personengesellschaftsrechts seit über hundert Jahren steht mit dem Ziel an, dieses an die heutigen Bedürfnisse anzupassen. Der Bundestag hat das Personengesellschaftsrechtsmodernisierungsgesetz (MoPeG) am 24. Juni 2021 verabschiedet, bereits am 25. Juni 2021 haben die neuen Vorschriften den Bundesrat passiert. In einer Über­gangszeit bis Ende des Jahres 2023 haben alle bestehenden Unternehmen die Möglichkeit, sich auf die neue Rechtslage, gegebenenfalls durch Anpassung ihrer Gesellschaftsverträge, einzustellen. Ab dem 1. Januar 2024 – ein Jahr später als ur­sprünglich geplant – wird das Gesetz in Kraft treten. Das Herz­stück des MoPeG bildet die Anpassung der Vorschriften über die Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), die offene Han­delsgesellschaft (oHG) sowie die Kommanditgesellschaft (KG) an moderne Bedürfnisse. Neu ist insbesondere, dass auch für die GbR in Zukunft die Möglichkeit und teilweise die Pflicht besteht, sich in einem Register einzutragen. Im Übrigen zeich­net das MoPeG weitgehend das in einem Gesetz nach, was sich in der Rechtsprechung über die letzten hundert Jahre oh­nehin schon herausgebildet hat, klärt dabei aber auch einige aktuell noch kontrovers diskutierte Rechtsfragen.

Änderungen für die GbR

Die Rechtsfähigkeit der GbR ist in der Rechtsprechung seit Lan­gem anerkannt. Nunmehr wird sie auch gesetzlich verankert. Le­diglich die GbR, die als solche nicht nach außen auftritt und auch kein Unternehmen führt, bleibt in der Regel nicht rechtsfähig, wie etwa Stimmbindungsgemeinschaften oder Konsortialab­sprachen. Im Übrigen wird die GbR als rechtsfähig anerkannt. Mit anderen Worten: Rechtsfähigkeit ist der Regelfall. Die GbR kann also verklagt werden oder als GbR klagen, wenn zum Beispiel nicht alle ihre Gesellschafterinnen und Ge­sellschafter bekannt sind. Die Zwangsvoll­streckung findet aus einem Titel gegen die Gesellschaft nur in das Vermögen der Gesell­schaft statt und nicht in das Vermögen der Gesellschafter. Das MoPeG sieht die Einfüh­rung eines Gesellschaftsregisters für die GbR vor. Es besteht eine Registrierungswahlfrei­heit. Jedoch ist die Erfassung im Gesell­schaftsregister Voraussetzung für die Eintra­gung und damit gegebenenfalls für den Er­werb von bestimmten in öffentlichen Registern einzutragenden Rechten. Dies gilt etwa für Rechte an Grundstücken und einge­tragenen Schiffen sowie für die Stellung als Namensaktionär und als Gesellschafter einer GmbH. Als Nebenfolge der Eintragung in das Gesellschaftsregister unterliegt die GbR der Transparenz­registerpublizität. Die eingetragene GbR muss in Zukunft daher Angaben zu ihren wirtschaftlich Berechtigten einholen und an das Transparenzregister übermitteln. Es ist jetzt zudem klarge­stellt, dass zumindest für die eingetragene GbR weitgehend das handelsrechtliche Firmenrecht gilt. Die GbR hat zwingend einen eindeutigen Rechtsformzusatz (eGbR) zu führen, ist im Übrigen aber in der Firmierung ebenso frei wie Personenhandelsgesell­schaften. Das GbR-Beschlussverfahren wird erstmals gesetzlich geregelt. Insofern bestätigt der Gesetzgeber die gebräuchliche Anwendung der Regeln zu den Personenhandelsgesellschaften auf die GbR. Es gilt aber weiterhin, dass im Zweifel Gesellschaf­terbeschlüsse einstimmig durch alle stimmberechtigten Gesell­schafter zu fassen sind, wenn nichts anderes im Gesellschafts­vertrag geregelt ist. Die GbR wird umwandlungsfähig im Sinne des Umwandlungsgesetzes. Es ist der GbR daher nach einer vor­herigen Registrierung als eGbR möglich, an einer Spaltung, ei­ner Verschmelzung oder einem Formwechsel teilzunehmen, was den Gestaltungsspielraum vergrößert. Der identitätswahrende Wechsel zwischen verschiedenen Formen der Personengesell­schaft/Personenhandelsgesellschaft wird vom Umwandlungsge­setz nicht erfasst und ist nunmehr in einem eigenen Verfahren im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) geregelt.

Neuerungen für GbR und Personenhandelsgesellschaften

Das MoPeG stellt nun endlich klar, dass auch für Personenge­sellschaften ein freies Sitzwahlrecht unabhängig vom Ort der Eintragung besteht. Dieses freie Sitzwahlrecht ermöglicht es ei­ner deutschen Personengesellschaft, sämtlichen Geschäftstätig­keiten außerhalb des deutschen Hoheitsgebiets nachzugehen und dennoch eine deutsche Personengesellschaft zu bleiben. Durch diese Klarstellung können Personengesellschaften in Zu­kunft an einem Ort registriert bleiben, wenn sie die Geschäftstä­tigkeit woanders fortsetzen. Gerichte haben bislang häufig ei­nen Wechsel des Registergerichts gefordert, wenn lediglich die Adresse geändert werden sollte. Große praktische Bedeutung hat das freie Sitzwahlrecht auch für KG, die eine Komplementärin mit Sitz im Ausland oder zumindest an einem anderen Ort als die KG haben. Hier war die Rechtslage bisher un­klar. Die bisherige Stimmgewichtung sowie Gewinn- und Verlustverteilung nach Köpfen werden abgeschafft. Stattdessen gilt die in der Praxis ohnehin gebräuchliche Regelung, dass die Stimmkraft und Ergebnisverteilung vorrangig nach den Beteiligungsverhältnis­sen zu bestimmen sind. Falls die Gesell­schafter eine Abweichung von diesem gesetzlichen Regelfall wünschen, muss der Gesellschaftsvertrag abweichende Verein­barungen vorsehen.

Änderungen für Personenhandelsgesellschaften

Das MoPeG sieht erstmals Regelungen zum Beschlussverfahren in der Personenhandelsgesellschaft vor. Der Gesetzgeber hat sich zudem entschieden, das Beschlussmängelrecht für Perso­nenhandelsgesellschaften nach dem aktienrechtlichen Anfech­tungsmodell zu regeln. Dies entspricht der zumindest bei grö­ßeren Personenhandelsgesellschaften ohnehin gängigen gesell­schaftsvertraglichen Gestaltungspraxis und erhöht die Rechtssi­cherheit. Detaillierte Regeln in den Gesellschaftsverträgen bleiben aber auch weiterhin sinnvoll. Die Vorschriften zur Ge­winnermittlung und Gewinnverteilung werden neu gefasst. Die geschäftsführenden Gesellschafter sind verpflichtet, den Jahres­abschluss aufzustellen. Sie entscheiden durch Beschluss über die Feststellung des Jahresabschlusses, wobei – wie bei der GbR – die Anteilsquote maßgeblich für die Gewinn- und Verlust­verteilung ist. Der Gesetzgeber geht für die Gewinnauszahlung vom Prinzip der Vollausschüttung aus. Es ist daher in der Praxis darauf zu achten, dass die gesellschaftsvertraglichen Regelun­gen eine hinreichende Gewinnthesaurierung und Rücklagenbil­dung vorsehen, was bei größeren Gesellschaften ohnehin gän­giger Praxis entspricht. Die Einheitsgesellschaft, also eine GmbH & Co. KG, in der die KG alle Geschäftsanteile des Komplementärs hält, wird erstmals ausdrücklich im Gesetz erwähnt und dabei die bisherige Rechtslage geändert. Die Gesellschaf­terrechte in der GmbH nehmen nun die Kommanditisten wahr. Auch insoweit folgt der Gesetzgeber der in vielen Gesellschafts­verträgen verbreiteten Praxis. Das MoPeG regelt ferner erst­mals die Simultaninsolvenz der GmbH & Co. KG, also den häufi­gen Fall, dass sowohl der persönlich haftende Gesellschafter als auch die KG insolvent werden. Hier ergab sich bislang die Besonderheit, dass die Insolvenz des persönlich haftenden Ge­sellschafters grundsätzlich dessen Ausscheiden aus der KG be­wirkte. Dies führte zu Schwierigkeiten bei der konsolidierten In­solvenzabwicklung des Unternehmens und vereitelte gegebe­nenfalls eine Rechtsträgersanierung insbesondere in der zwei­gliedrigen Gesellschaft.

Neuerungen für die freien Berufe

Die Personenhandelsgesellschaft wird für die freien Berufe ge­öffnet – allerdings unter berufsrechtlichem Vorbehalt. Damit ist Freiberuflern der Weg in die KG und GmbH & Co. KG geebnet, soweit das Berufsrecht dies zulässt; derzeit etwa bereits für Wirtschaftsprüfer und Steuerberater und mit Inkrafttreten der Reform der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) künftig auch für Rechtsanwälte. Bislang können sie ihre Haftung nur für Ver­bindlichkeiten und Schäden wegen fehlerhafter Berufsaus­übung beschränken. Nun ist mit der KG eine generelle Haf­tungsbeschränkung möglich. Die Partnerschaftsgesellschaft und auch die mit beschränkter Berufshaftung bleiben für die freien Berufe jedoch weiterhin zulässige Organisationsformen – ob sie eine Zukunft haben, wird sich zeigen. Eine weitere für Angehörige der rechts- und steuerberatenden Berufe bedeutsa­me Änderung ist zudem die Begrenzung der Nachhaftung. Der ausgeschiedene Gesellschafter haftet für Schadenersatzansprü­che nur noch dann, wenn die Pflichtverletzung vor dem Aus­scheiden eingetreten ist. Haftungsansprüche, die aufgrund von Pflichtverletzungen anderer Mitglieder nach Ausscheiden eines Gesellschafters entstehen, belasten diesen mithin nicht mehr.

Handlungsbedarf

Vor Inkrafttreten des MoPeG sollten vor allem bestehende GbR, die künftig ihre Gesellschafter nicht durch Registrierung offen­legen wollen, prüfen, ob die GbR Inhaber von Rechten ist, bei denen Rechtsänderungen in Zukunft nur für die eGbR möglich sind. Dann mag es sein, dass Strukturänderungen notwendig werden. Mit Inkrafttreten des MoPeG müssen alle Personenge­sellschaften mit weniger ausführlichen Gesellschafterverträgen prüfen, ob die neuen gesetzlichen Regeln als Auffangregeln für sie angemessen sind. Zudem muss im Rechtsverkehr geprüft werden, ob und wann man auf die Eintragung der Vertragsge­genseite bestehen möchte – vor allem für Vergabekammern mag es sinnvoll sein, eine eGbR statt einer nicht eingetragenen Arbeitsgemeinschaft (ARGE) zu verlangen.

Fazit und Ausblick

Das MoPeG wird dem Anspruch der Modernisierung des Perso­nengesellschaftsrechts teilweise gerecht. Die Praxis darf sich darüber freuen, dass die Rechtslage nun nicht mehr aus hun­dert Jahren Rechtsentwicklung herausgearbeitet werden muss. Erfreulicherweise wird in der KG künftig endlich auch in Deutschland eine generelle Haftungsbeschränkung möglich. Ein mutiger Wurf ist die Reform gleichwohl nicht, weil der Ge­setzgeber im Kern lediglich die in Rechtsprechung, Schrifttum und Gestaltungspraxis herausgebildeten Grundsätze kodifiziert. Dabei wird auch deutlich, was die Reform des Personengesell­schaftsrechts noch nicht leistet: Die Digitalisierung des Gesell­schaftsrechts (Gründung, Rechtsänderung, Versammlungen) wird leider ausgespart. Auch der Reform grenzüberschreiten­der Umwandlungen möchte das MoPeG nicht vorgreifen. Zu­dem hat der Gesetzgeber es bewusst unterlassen, ein Sonder­recht für die Publikumspersonengesellschaft zu regeln.

Zu den Autoren

TF
Dr. Tibor Fedke

Rechtsanwalt bei der Noerr Partnerschaftsgesellschaft mbB Rechtsanwälte Steuerberater Wirtschaftsprüfer in Berlin

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MB
Marcel Behringer

Rechtsanwalt bei der Noerr Partnerschaftsgesellschaft mbB Rechtsanwälte Steuerberater Wirtschaftsprüfer in Berlin

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