Gemäß § 122 Abs. 2 der Abgabenordnung gilt ein Bescheid, der dem Steuerpflichtigen zugestellt wird, drei Tage nach Aufgabe zur Post als zugegangen. Auf diese Vorschrift werden sich die Finanzbehörden künftig wohl aber nicht mehr berufen können.
Dieser wohl faktisch ehemals in Stein gemeißelte Grundsatz des fiktiven Zugangs steht aufgrund eines gerichtlichen Verfahrens für das Bundesland Rheinland-Pfalz inzwischen infrage. Jedenfalls dürfte für alle Finanzämter in diesem Bundesland nun feststehen, dass die Aufgabe zur Post nicht nachweisbar ist und man sich seitens der Finanzbehörden daher auch nicht mehr auf die Zugangsfiktion des § 122 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) berufen kann.
Ausgangsfall
Ein betroffener Steuerpflichtiger hatte vor dem Finanzgericht (FG) Rheinland-Pfalz dagegen geklagt, dass das Finanzamt (FA) Mainz im Rahmen einer Entscheidung über seinen Einspruch erklärt hatte, dieses Rechtsmittel sei verspätet eingelegt worden. Das FA hatte das kurz und knapp damit begründet, das Datum der Postaufgabe sowie das Datum des Bescheids würden in aller Regel übereinstimmen.
Erstinstanzliches Verfahren
Dieser Sachvortrag des FA erfolgte auch noch im finanzgerichtlichen Verfahren. Einzige zusätzliche Begründung hierzu war nur noch, man würde das allgemein rechtsverbindliche elektronisch-maschinelle Verfahren anwenden. Das FG Rheinland-Pfalz hat dieser Vortrag der Finanzbehörde überzeugt und es hat mit der Begründung, dass dieses maschinell-elektronische Verfahren allgemein bekannt sei, die vom betroffenen Steuerpflichtigen erhobene Klage abgewiesen.
Nichtzulassungsbeschwerde
Der Steuerpflichtige legte daraufhin eine Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesfinanzhof (BFH) ein mit dem Erfolg, dass die Sache von dort an das FG Rheinland-Pfalz zurückverwiesen wurde. Der BFH machte dem FG die Auflage, den Sachverhalt mit Blick auf den Zeitpunkt Aufgabe zur Post zu ermitteln. Im weiteren Verlauf kam es dann zu einem größeren Schriftsatzwechsel, in dessen Folge auch die vom FA Mainz benannten zwei Zeugen noch einmal explizit zum Sachverhalt gehört wurden.
Beweisaufnahme und rechtliche Würdigung
Das FG Rheinland-Pfalz kam nach gründlicher sowie umfangreicher Beweisaufnahme sowie nach zudem kurzer Vorberatung mit der zuständigen Steuerbehörde dann jedoch zu der Auffassung, dass nicht davon auszugehen sei, dass das FA Mainz den Zeitpunkt Aufgabe zur Post tatsächlich darlegen oder sogar beweisen könne. Um im Weiteren eine unumgängliche Entscheidung durch Urteil zu vermeiden, in dem diese Rechtsauffassung des FG Rheinland-Pfalz explizit begründet worden wäre, hat das FA Mainz sozusagen die Notbremse gezogen und sich verpflichtet, einen Änderungsbescheid entsprechend dem Antrag des Steuerpflichtigen zu erlassen.
Rechtsfolge
Der Ausgang dieses finanzgerichtlichen Verfahrens dürfte richtungsweisend sein. Im zugrunde liegenden Fall konnte das FA Mainz im Rahmen des Prozessvortrags seine Behauptungen nicht belegen. Der Nachweis, dass die Aufgabe des Schreibens an den Steuerpflichtigen zur Post mit dem Datum des Bescheids erfolgt sei, konnte jedenfalls nicht geführt werden. Da es sich bei elektronisch-maschinell erstellten Bescheiden um ein standardisiertes Verfahren handelt, muss das Ergebnis in diesem Prozess auch für andere Steuerpflichtige im Verhältnis zu ihren Steuerbehörden gelten.