Eigenverantwortung und Schutzschirmverfahren - 26. November 2020

Erfolgreich sanieren

Aufgrund der Covid-19-Pandemie sowie der aktuellen politischen Entwicklung werden sich Unternehmen in Schieflage zunehmend mit Fragen rund um Sanierung und Insolvenz beschäftigen müssen. Mit kompetenter Hilfe kann es gelingen, hier das Heft des Handelns in der Hand zu behalten.

Für Betriebe, die wirtschaftlich am Abgrund stehen, führt kein Weg daran vorbei, Aspekte der (außer)gerichtlichen Sanierung, das Prinzip der (vorläufigen) Eigenverwaltung sowie das Schutzschirmverfahren und den Insolvenzplan als Ziel und Ergebnis einer gerichtlichen Sanierung zu thematisieren. Ausgangspunkt dieses Beitrags ist eine Fallkonstellation, wie sie in der Praxis in den kommenden Wochen und Monaten nahezu alltäglich sein dürfte.

Ausgangsfall

Ein Steuerberater wird von seinem langjährigen Mandanten, der in der Rechtsform der GmbH geführt wird, beauftragt, bei der Erstellung des Jahresabschlusses mitzuwirken. Allerdings erwirtschaftet der Geschäftsbetrieb des Mandanten – bei stetem Auftragsrückgang – Verluste, die durch das vorhandene Eigenkapital nicht mehr kompensiert werden können. Der Mandant hat immer häufiger Schwierigkeiten, Forderungen pünktlich zum Fälligkeitsdatum zu bezahlen. Vor diesem Hintergrund hat der Steuerberater Zweifel daran, bei der Erstellung des Jahresabschlusses ohne Einschränkungen mitzuwirken. Er möchte – auch zur Vermeidung eigener Haftungsrisiken – seinen Mandanten ganzheitlich beraten wissen, zumal dessen wirtschaftliche Existenz gefährdet zu sein scheint. In dieser Situation kommen drei Handlungsalternativen in Betracht: Der Steuerberater könnte zunächst trotz seiner Zweifel uneingeschränkt an der Erstellung des Jahresabschlusses mitwirken, was mit Blick auf die BGH-Rechtsprechung (Urteil vom 26.01.2017 – IX ZR 285/14) keine gute Idee sein dürfte. Daneben kommt in Betracht, dass der Steuerberater das Mandat niederlegt. Schließlich könnte er gemeinsam mit seinem Mandanten einen in Insolvenzsachen erfahrenen Berater kontaktieren, um gemeinsam Lösungsmöglichkeiten im Wege einer (gerichtlichen) Sanierung auszuloten.

(Außer)gerichtliche Sanierung

Primär werden Unternehmen in Krisensituationen versuchen, sich durch Teilzahlungsvergleiche mit Gläubigern, durch Zuführung frischen Gelds seitens der Gesellschafter oder durch Sanierungskredit von Banken oder Dritten zu retten. Eine derartige außergerichtliche Sanierung kommt jedoch nur dann in Betracht, wenn keine Insolvenzantragspflicht und/oder kein Sanierungshindernis bestehen. Sobald Insolvenzgründe (Zahlungsunfähigkeit und/oder Überschuldung) vorliegen, ist – vorbehaltlich der Ausnahmeregelungen aufgrund des Covid-19-Insolvenzaussetzungsgesetzes – die Stellung eines Insolvenzantrags für Kapitalgesellschaften gemäß § 15a Insolvenzordnung (InsO) zwingend vorgeschrieben. Bei verzögerter Antragstellung drohen empfindliche – mitunter strafrechtliche – Sanktionen für die verantwortlichen Geschäftsführer oder die Vorstandsmitglieder. Wichtig für den Mandanten in diesem Zusammenhang ist, dass selbst dann, wenn er zur Insolvenzantragstellung verpflichtet sein sollte, dies nicht zwingend mit einer Verwertung seiner Vermögensgegenstände im Einzelnen (sogenannte Liquidation) oder als Gesamtheit (sogenannte übertragende Sanierung oder Asset Deal) einhergehen muss. Zudem müssen die von seinen Gesellschaftern an den Mandanten gehaltenen Mitgliedschaftsrechte nicht wertlos werden. Vielmehr bietet die InsO mit dem Insolvenzplan ein Sanierungsinstrument an, das eine Neuordnung der Rechtsbeziehungen des Mandanten im Wege der gerichtlichen Sanierung ermöglicht. Hierdurch erhält der Mandant die Chance, sich von Verbindlichkeiten sowie unwirtschaftlichen Verträgen zu befreien. Darlehensverbindlichkeiten, Steuer- oder Pensionsrückstellungen können abgeschnitten werden. Mietverträge können mit einer Kündigungsfrist von maximal drei Monaten gekündigt werden. Auch die Kosten des Personalabbaus, an denen außergerichtliche Sanierungen häufig scheitern, können deutlich reduziert werden. So verringern sich etwa bei einem Vergleich von außergerichtlicher Sanierung und gerichtlicher Sanierung die Personalabbaukosten bei einer Betriebszugehörigkeit von 15 Jahren um circa die Hälfte, weil sich die durchschnittliche Kündigungsfrist von sieben Monaten auf drei Monate und die Abfindung von mindestens fünf Monatsgehältern auf höchstens 2,5 Monatsgehälter verkürzt. Die Grundvoraussetzung eines jeden Insolvenzplans ist jedoch das Vorliegen eines Sanierungskonzepts sowie eine im Verhältnis zur Liquidation beziehungsweise übertragenden Sanierung oder zum Asset Deal bessere Gläubigerbefriedigung. Die Wahrscheinlichkeit eines erfolgreichen Insolvenzplans ist dabei umso höher, je nachhaltiger und belastbarer das Sanierungskonzept ist und je professioneller die Sanierung geplant, vorbereitet und umgesetzt wird.

Eröffnung des Insolvenzverfahrens

Der Weg zum Insolvenzplan kann nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über die sogenannte Fremd- oder über die Eigenverwaltung führen. Bei der Fremdverwaltung wird vom Insolvenzgericht ein Insolvenzverwalter bestellt, auf den die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis übergeht. Bei der Eigenverwaltung hingegen bleibt die Geschäftsführung des Unternehmens im Amt. Ihr wird lediglich ein Sachwalter zur Seite gestellt, der die eigenverwaltende Geschäftsführung überwacht. Sofern hier die Sanierung des Mandanten angestrebt wird, kann der Antrag auf Insolvenzeröffnung mit einem Antrag auf Anordnung der Eigenverwaltung verbunden werden – dies vor allem deshalb, weil der Mandant sowohl das eigene Unternehmen als auch sein Marktumfeld sehr viel besser kennen wird als ein (branchenfremder) Insolvenzverwalter. Sofern eine Gefährdung der Gläubigerinteressen nicht zu befürchten oder die Sanierung nicht offenkundig aussichtslos ist, wird das Insolvenzgericht dem Antrag auf Eigenverwaltung stattgeben.

Eigenverwaltung im Eröffnungsverfahren

Das Insolvenzgericht wird bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens die vorläufige Eigenverwaltung zulassen, weil vor allem in dieser Phase wesentliche Weichenstellungen erfolgen, die für das Gelingen einer Sanierung von hoher Bedeutung sind. Die Aussichten auf eine erfolgreiche Sanierung hängen nämlich sowohl von der sofortigen Einleitung liquiditätsverbessernder und  -stabilisierender (Sanierungs-)Maßnahmen als auch von einer konstruktiven Kommunikation mit Gläubigern, Lieferanten, Kunden und Mitarbeitern ab. Der Mandant wird daher unmittelbar nach Anordnung der vorläufigen Eigenverwaltung besondere Vorkehrungen zur Erhaltung des Gesellschaftsvermögens zu treffen haben. Bestimmte Zahlungen, zum Beispiel auf Altverbindlichkeiten und Darlehenstilgungen, darf er nicht mehr ausführen. Infolge der hierdurch ersparten Auszahlungen wird sich die Liquiditätssituation des Mandanten unmittelbar verbessern. Einen weiteren Liquiditätsvorteil bietet das Insolvenzgeld, das regelmäßig durch Kreditinstitute vorfinanziert wird; dadurch muss der Mandant für die Dauer von drei Monaten vor Insolvenzeröffnung keine Löhne und Gehälter zahlen. Bereits die vorläufige Eigenverwaltung erfordert eine umfassende und komplexe Vorbereitung, bei der er durch insolvenzerfahrene Spezialisten (Berater beziehungsweise Sanierungsgeschäftsführer oder Generalbevollmächtigte) und durch seinen Steuerberater unterstützt wird. Hierzu gehören unter anderem folgende Aspekte:

  • die Erstellung eines Sanierungskonzepts (in Grundzügen
  • die Erstellung eines detaillierten Liquiditätsplans unter Insolvenzprämissen
  • die Ansprache des Insolvenzgerichts
  • die Ansprache der Mitglieder des (vorläufigen) Gläubigerausschusses
  • die Vorbereitung der Insolvenzgeldvorfinanzierung und nicht zuletzt
  • die Steuerung der Krisenkommunikation gegenüber Mitarbeitern, Kunden und Gläubigern

Schutzschirmverfahren

Eine besondere Form der vorläufigen Eigenverwaltung stellt das Schutzschirmverfahren dar. Voraussetzung für dessen Einleitung ist, dass im Zeitpunkt der Insolvenzantragstellung keine Zahlungsunfähigkeit eingetreten und die angestrebte Sanierung nicht offensichtlich aussichtslos ist. Beide Voraussetzungen müssen durch eine fachkundige Person – regelmäßig durch einen Steuerberater oder durch einen Wirtschaftsprüfer – bescheinigt werden. Das Schutzschirmverfahren folgt im Wesentlichen denselben Regeln wie das Eröffnungsverfahren in Eigenverwaltung, hat aber einige zusätzliche Vorteile:

  • Der Mandant hat das Recht, einen vorläufigen Sachwalter vorzuschlagen. Er kann also selber auswählen, welche Person ihn überwacht
  • Der Mandant hat zudem das Recht, auf Antrag Masseverbindlichkeiten zu begründen. Dies ermöglicht ihm eine liquiditätsschonende Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs, da seine Vertragspartner nicht gezwungen sind, nur noch gegen Vorkasse zu liefern
  • Das Schutzschirmverfahren hat darüber hinaus einen wesentlich besseren Ruf als ein Regelinsolvenzeröffnungsverfahren, denn es wird in der Öffentlichkeit primär mit einer erfolgreichen Sanierung assoziiert und gilt daher als wirksames Mittel zur Begrenzung des mit einer Insolvenz einhergehenden Reputationsschadens

Insolvenzplan

Der Insolvenzplan ist Ziel und Ergebnis einer gerichtlichen Sanierung. Nach dessen rechtmäßigem Inkrafttreten wird das Insolvenzverfahren kurzfristig beendet. Der Insolvenzplan bedarf der Zustimmung der Gläubiger, wobei die Ablehnung einzelner Gläubiger(gruppen) unerheblich ist, wenn die betroffenen Gläubiger durch den Insolvenzplan im Hinblick auf die zu erwartende Befriedigungsquote nicht schlechter gestellt werden als durch eine Verwertung des Unternehmensvermögens im Wege der Liquidation oder der übertragenden Sanierung. Der Insolvenzplan basiert auf einem durch den Mandanten und seine Berater erstellten Sanierungskonzept. Bestandteil des Insolvenzplans kann sein, dass ihm seine Altverbindlichkeiten, wie etwa Pensions- oder Steuerrückstellungen sowie Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen sowie Darlehensverbindlichkeiten, gegen Zahlung einer Insolvenzquote reduziert oder sogar gänzlich erlassen werden, wodurch sich die Eigenkapitalquote deutlich verbessert. Auch aus steuerlicher Sicht ist ein Insolvenzplan für den Mandanten attraktiv, denn Verlustvorträge aus der Vergangenheit dürfen fortgeschrieben werden und verringern die Steuerlast, während Sanierungsgewinne, etwa durch Auflösung von Rückstellungen und Ausbuchung von Verbindlichkeiten nach Ausschöpfung der Verlustvorträge grundsätzlich steuerfrei sind. Neben umsatz- und ertragssteuerrechtlichen (Abgrenzungs-)Fragen sowie weiteren insolvenzsteuerrechtlichen Fragestellungen wird der Steuerberater seinen Mandanten vor allem in diesem Punkt unterstützen. Bei der Ausarbeitung des Insolvenzplans sind der Kreativität des Mandanten und seiner Berater nahezu keine Grenzen gesetzt. Auch die Umwandlung von Forderungen in Mitgliedschaftsrechte (sogenannter Debt-to-equity- Swap) oder eine anderweitige Partizipation der verzichtenden Gläubiger an zukünftigen Gewinnen können vorgesehen werden. Im günstigsten Fall dauert das Insolvenz(plan)verfahren in Eigenverwaltung über das Vermögen des Mandanten lediglich sechs bis neun Monate. Entscheidend hierfür ist, wie schnell es ihm und seinen Beratern gelingt, einen Insolvenzplan auszuarbeiten, der die Zustimmung der Gläubiger findet.

Fazit

Die (vorläufige) Eigenverwaltung beziehungsweise das Schutzschirmverfahren kann für den Mandanten und seine Gesellschafter wesentlich bessere Chancen bieten als die Fremdverwaltung. In der (vorläufigen) Eigenverwaltung oder dem Schutzschirmverfahren behält der Mandant das Heft in der Hand und kann den Sanierungsprozess in gewissem Umfang nach seinen Vorstellungen steuern. Die (vorläufige) Eigenverwaltung und das Schutzschirmverfahren stellen allerdings auch erhöhte Anforderungen an ihn. Denn dieser hat neben dem operativen Tagesgeschäft sowie den zusätzlichen Herausforderungen der betriebswirtschaftlichen Sanierung zahlreiche rechtliche Besonderheiten zu beachten, bei denen er durch insolvenzerfahrene Berater und seinen Steuerberater unterstützt wird. Eine erfolgreiche Sanierung erfordert regelmäßig neben der Umsetzung tragfähiger Ideen auch kommunikatives Geschick sowie eine professionelle Vorbereitung und Beratung. Je besser es dem Mandanten gelingt, alle erforderlichen Schritte für eine (vorläufige) Eigenverwaltung beziehungsweise ein Schutzschirmverfahren vorzubereiten und umzusetzen, desto erfolgreicher wird seine Sanierung am Ende sein.

Mehr dazu

Kompaktwissen für Berater „Umgang mit insolvenzgefährdeten Mandanten“, Art.-Nr. 35737

Fachseminar „Krisenmandanten frühzeitig erkennen und richtig beraten“, Art.-Nr. 78049

Zum Autor

SS
Stephan Strumpf

Rechtsanwalt und Partner der Kanzlei FINKENHOF Rechtsanwälte in Frankfurt am Main.

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