Erbrechtliche Aspekte - 30. Januar 2025

Die Nachfolge regeln

Ein Aspekt, der von vielen Unternehmern nicht oder nur unzureichend beachtet wird, ist das gesetzliche Pflichtteilsrecht naher Angehöriger. Insoweit ist eine frühzeitige Regelung der Unternehmensnachfolge in der Praxis von zentraler Bedeutung.

In der Praxis kommt es nicht selten vor, dass eine Unternehmerin oder ein Unternehmer den Betrieb erst mit seinem Tod an den angedachten Nachfolger übergibt oder kurze Zeit nach der lebzeitigen Übergabe verstirbt. Oft hatte sich der Unternehmer dabei darauf beschränkt, einen Nachfolger für seine Firma zu benennen. Häufig sieht sich dieser Nachfolger unvorhergesehenen Pflichtteils- oder Pflichtteilsergänzungsansprüchen der übergangenen Verwandten ausgesetzt. Denn bei der Nachfolgeplanung wird gerne übersehen, dass auch der Ehegatte Pflichtteilsberechtigter ist und daher entsprechende Vorkehrungen getroffen werden sollten. Problematisch wird es insbesondere, wenn das Unternehmen einen großen Teil des Vermögens ausmacht. Hier kann eine Konfrontation mit Pflichtteils- oder Pflichtteilsergänzungsansprüchen beim Nachfolger, aber auch dem Unternehmen selbst zu ernsthaften Existenzproblemen führen, wenn das übrige Erbe oder eine weitere Zuwendung nicht ausreicht, um etwaige Ansprüche von Pflichtteilsberechtigten zu bedienen.

Berechtigter Schutz naher Angehöriger

Angemerkt sei, dass Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche grundsätzlich ihre Daseinsberechtigung haben. Der Gesetzgeber wollte sicherstellen, dass die enge familiäre Beziehung zwischen Eltern und Kindern sowie zwischen den Ehegatten auch rechtlich abgesichert bleibt. So sollen die gesetzlichen Regelungen unter anderem dem entgegenwirken, dass nahe Familienangehörige allein wegen zwischenmenschlicher Differenzen vom Familienvermögen, das womöglich über Generationen hinweg erwirtschaftet wurde, gänzlich ausgeschlossen werden. Und so verwundert es nicht, dass Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche einen hohen gesetzlichen Schutz genießen. Nur in Ausnahmefällen, die in der Praxis kaum eine ernsthafte Rolle spielen, ist die vollständige Entziehung von Pflichtteilsansprüchen möglich.

Gestaltungspotenziale

Allerdings kann ein Pflichtteilsberechtigter noch zu Lebzeiten des Erblassers wirksam auf seine Ansprüche verzichten. Dies gewährt im Übrigen den effektivsten Schutz vor späteren Ansprüchen, weshalb diese Möglichkeit in der Praxis eine große Rolle spielt. Zu beachten ist, dass der Pflichtteilsverzicht notariell beurkundet werden muss. Im Regelfall wird der Pflichtteilsberechtigte jedoch nicht gänzlich leer ausgehen, weshalb ihm im Gegenzug eine Abfindungsleistung zugewendet oder rechtlich bindend versprochen wird. Erfolgt die Unternehmensnachfolge unter Ausschluss des Ehegatten, sollte ebenfalls ein Pflichtteilsverzicht des Ehepartners ernsthaft in Erwägung gezogen werden. Dieser könnte im Rahmen eines gemeinschaftlichen Testaments oder eines Erbvertrags festgehalten werden. Dabei ist darauf zu achten, dass der Ehegatte – im Falle einer Zugewinngemeinschaft – nicht nur auf seine Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche, sondern auch auf den Zugewinnausgleich für den Fall der Beendigung der Ehe durch Tod verzichtet.

Frühzeitige Übertragung des Unternehmens

Eine mindestens genauso große Rolle spielt in der Praxis die frühzeitige Übertragung des Unternehmens auf den auserwählten Nachfolger. Sind die Pflichtteilsberechtigten zu einem bindenden Verzicht nicht bereit, sollte mit Blick auf etwaige Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche in Betracht gezogen werden, das Unternehmen zu Lebzeiten, also bereits frühzeitig, zu übertragen. Dies kann selbstverständlich auch schrittweise erfolgen. Bei lebzeitigen Zuwendungen kommen die Bestimmungen der Pflichtteilsergänzungsansprüche zur Anwendung. Der Vorteil liegt darin, dass nur solche Zuwendungen den Pflichtteilsergänzungsansprüchen unterliegen, die in einem Zeitraum von zehn Jahren vor dem Tod des Erblassers erfolgt sind. Lebt der Unternehmer nach Übertragung seines Unternehmens oder seiner Geschäftsanteile noch länger als zehn Jahre, entfallen diesbezügliche Pflichtteilsergänzungsansprüche gänzlich. Darüber hinaus findet bereits zuvor eine Abwertung der Zuwendung in Höhe von jährlich 10 Prozent statt. Überträgt beispielsweise ein Unternehmer (U) sein Einzelunternehmen am 10. Dezember 2019 auf seinen Sohn (S) und verstirbt U am 23. Mai 2024, wird das übertragene Unternehmen bezüglich der Pflichtteilsergänzungsansprüche nur noch mit 60 Prozent des Werts berücksichtigt, da seit
der Schenkung über vier Jahre vergangen sind. Stirbt U hingegen erst nach dem 10. Dezember 2029, entstehen bezüglich der Unternehmensübertragung gar keine Pflichtteilsergänzungsansprüche mehr. Darüber hinaus wäre zu prüfen, ob eine Gegenleistung des Nachfolgers infrage kommt, da Pflichtteilsergänzungsansprüche nur auf Schenkungen Anwendung finden und bei gemischten Schenkungen der pflichtteilsrelevante Wert gemindert werden kann. Hierbei sollte jedoch beachtet werden, dass umfassende Nutzungsrechte sowie ein zurückbehaltener Nießbrauch den Beginn der zehnjährigen Frist hemmen. Alternativ könnte über die Zahlung einer Leibrente beziehungsweise dauernden Last nachgedacht werden.

Gesellschaftsrechtliche Regelungen

In der Praxis durchaus verbreitet ist es auch, die Nachfolge des Betriebs in einer Personengesellschaft, insbesondere einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (GbR), zu regeln. Dabei wird unter Einbringung des Einzelunternehmens eine Personengesellschaft mit dem oder den Nachfolgern gegründet sowie die Beteiligung des Betriebsinhabers schrittweise auf den Nachfolger übertragen. Kommt es zum Tod eines Gesellschafters, sieht das Gesetz die Auflösung der Gesellschaft vor – im Fall einer offenen Handelsgesellschaft (OHG) oder Kommanditgesellschaft (KG) jedenfalls dann, wenn nur noch ein Gesellschafter verbleiben sollte. Deshalb wird vertraglich geregelt, dass die Gesellschaft auch im Todesfall eines Gesellschafters fortgeführt wird. Im Einzelnen ist eine Vielzahl von Regelungen denkbar. Es kann zum Beispiel geregelt werden, dass die Gesellschaft ausschließlich mit den verbleibenden Gesellschaftern fortgeführt wird. Genauso kann jedoch geregelt werden, dass Erben oder Vermächtnisnehmer des verstorbenen Gesellschafters in die Gesellschaft eintreten, wenn sie festgelegte Kriterien oder Voraussetzungen erfüllen.

Abfindungsansprüche

Für den Fall, dass die Gesellschaft ausschließlich mit den übrigen Gesellschaftern fortgeführt wird, steht dem ausscheidenden Gesellschafter beziehungsweise dessen Erben – ohne eine weiter gehende gesellschaftsrechtliche Regelung – ein Abfindungsanspruch zu. Im Regelfall wird der Betriebsinhaber dies jedoch nicht wollen, da hierdurch das Fortbestehen der Gesellschaft erheblich gefährdet werden könnte. Die Gesellschafter können daher rechtlich wirksam einen Abfindungsanspruch der ausgeschlossenen Erben gesellschaftsvertraglich ausschließen. Dies gilt jedoch nicht bei rein vermögensverwaltenden Gesellschaften, da in diesem Fall die Regelung nicht in erster Linie dem Bestand der Gesellschaft dient. Hieran schließt sich jedoch die in der Praxis relevante Frage an, ob ein wirksamer Abfindungsausschluss eine im Rahmen der Pflichtteilsergänzungsansprüche zu berücksichtigende Schenkung darstellt. Nach ständiger Rechtsprechung ist aber ein Abfindungsausschluss auf den Tod eines Gesellschafters im Rahmen des Gesellschaftsvertrags keine pflichtteilsrelevante Schenkung, sofern er für alle Gesellschafter gleichermaßen gilt. Dies wird damit begründet, dass mit dem Ausschluss in erster Linie keine Zuwendung an die übrigen Gesellschafter erfolgen, sondern der Bestand der Gesellschaft gesichert werden soll. Darüber hinaus wäre es dem Zufall überlassen, welcher Gesellschafter zuerst verstirbt und wer letztlich von der Regelung profitiert. Zuletzt gab es jedoch in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) Tendenzen, diesen Grundsatz teilweise einzuschränken. So wird eine Schenkung dann angenommen, wenn beispielsweise aufgrund des Alters, des Gesundheitszustands oder anderer Lebensumstände nicht von einem nahezu gleichen Risiko aufseiten aller Gesellschafter ausgegangen werden kann. Besteht die Gesellschaft zwischen den Ehegatten, dürfte das Risiko für gewöhnlich gleich sein. Wird der Betrieb jedoch an die Kinder übertragen, könnte sich aufgrund des Altersunterschieds bereits eine ungleiche Risikoverteilung und damit eine zu berücksichtigende Schenkung ergeben. In der Praxis wird ein solcher – im schlimmsten Fall Pflichtteilsergänzungsansprüche auslösender – Abfindungsausschluss dennoch zu empfehlen sein.

Ansprüche verjährt – und nun?

Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche verjähren regelmäßig nach drei Jahren, beginnend mit dem Schluss des Jahres, in dem der Pflichtteilsberechtigte von den begründenden Umständen erfahren hat. Wird der Pflichtteilsergänzungsanspruch jedoch nicht gegenüber den Erben, sondern dem Beschenkten geltend gemacht, beginnt die Verjährungsfrist bereits mit dem Todestag. Sind die Ansprüche verjährt, können die Erben beziehungsweise der Beschenkte die Verjährungseinrede erheben und die Zahlung verweigern. Es besteht jedoch weiterhin die Möglichkeit, trotz eingetretener Verjährung geltend gemachte Ansprüche zu erfüllen. Da die erfüllte Pflichtteilslast im Rahmen der Erbschaftsteuer beim Erben als Nachlassverbindlichkeit sowie beim Pflichtteilsberechtigten als steuerpflichtige Zuwendung zu berücksichtigen ist, kann dies im Einzelfall eine Überlegung wert sein, um zum Beispiel beim Pflichtteilsberechtigten nicht ausgeschöpfte Freibeträge zu nutzen. Zu beachten ist jedoch, dass der Bundesfinanzhof (BFH) für die Geltendmachung verlangt, dass der Erbe auf die Verjährungseinrede endgültig verzichtet oder die Leistung tatsächlich erbringt. Eine Ausnahme hiervon bildet der Fall, dass ein Kind nach Ableben des länger lebenden Elternteils im Rahmen eines gemeinschaftlichen Testaments als Schlusserbe eingesetzt wurde (sogenanntes Berliner Testament). Macht der Schlusserbe im Todesfall des ersten Elternteils in Erwartung auf den späteren Schlusserbfall keine Ansprüche geltend und erhält er auch keine oder nur geringe Vermächtnisse zugewandt, bleiben erhebliche Steuerfreibeträge ungenutzt. Im Todesfall des länger lebenden Elternteils erbt das Kind dann das gesamte Familienvermögen, hat jedoch nur den Steuerfreibetrag bezüglich des einen Elternteils in Höhe von 400.000 Euro zur Verfügung. Nun könnte das Kind versuchen, nachträglich gegen sich selbst als Erben seinen Pflichtteilsanspruch in Bezug auf den Todesfall des zuerst verstorbenen Elternteils geltend zu machen und so nicht ausgeschöpfte Freibeträge zu nutzen. Diese Gestaltung wird mittlerweile jedoch einhellig als unzulässig erachtet.

Fazit

Nicht selten müssen Berater feststellen, dass zwar die Unternehmensnachfolge nach den Vorstellungen des Geschäftsinhabers frühzeitig geregelt ist, dabei jedoch übersehen wurde, dass die Nachfolge im Betrieb lediglich einen Teilaspekt innerhalb der erbrechtlichen Vermögensnachfolge darstellt. Daher sollte in der Praxis das Thema Unternehmensnachfolge immer ganzheitlich beleuchtet werden. Anderenfalls drohen erhebliche Gefahren, auch für das zu übergebende Unternehmen selbst, denn das Pflichtteilsrecht beinhaltet Fallstricke, auf die jeder Unternehmer frühzeitig ein besonderes Augenmerk legen sollte.

Zum Autor

TS
Thomas Skora

Rechtsanwalt bei Ecovis

Weitere Artikel des Autors