Mitarbeiter, die während ihres Urlaubs aufgrund einer Covid-19-Infektion in Quarantäne müssen, können entgangene Urlaubstage nicht immer nachholen.
Nach einer Entscheidung des Landesarbeitsgerichts (LAG) Düsseldorf ist eine behördliche Quarantäneanordnung kein Nachweis dafür, dass an Covid-19 erkrankte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch arbeitsunfähig sind. Aufgrund der Begründung des Gerichts trifft die Pflicht zur Nachgewährung von Urlaub den Arbeitgeber nur, wenn der Arbeitnehmer durch Krankheit im Sinne des Entgeltfortzahlungsgesetzes (EntgFG) daran gehindert ist, seinen Arbeitspflichten nachzukommen, sprich arbeitsunfähig ist (Az.: 7 Sa 857/21). Die Vorschrift des § 9 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) unterscheidet zwischen einer Erkrankung des Arbeitnehmers und seiner Arbeitsunfähigkeit. Dort steht wörtlich: „Erkrankt ein Arbeitnehmer während des Urlaubs, so werden die durch ärztliches Zeugnis nachgewiesenen Tage der Arbeitsunfähigkeit auf den Jahresurlaub nicht angerechnet.“
Wann gilt Arbeitsunfähigkeit?
Nicht jede Krankheit führt zur Arbeitsunfähigkeit. Beide Begriffe sind daher nicht gleichzusetzen, sondern voneinander zu unterscheiden. Unter Krankheit versteht das Gesetz einen regelwidrigen Körper- oder Geisteszustand, der einer Heilbehandlung bedarf. Von einer Arbeitsunfähigkeit ist dann auszugehen, wenn der Arbeitnehmer seine vertraglich geschuldete Tätigkeit objektiv nicht ausüben kann oder objektiv nicht ausüben sollte, weil die Heilung nach ärztlicher Prognose verhindert oder verzögert wird. Danach erfordert die Nichtanrechnung der Urlaubstage im Sinne des § 9 BUrlG bei bereits bewilligtem Urlaub, dass durch ein ärztliches Attest nachgewiesen wird, dass aufgrund der Erkrankung eine Arbeitsunfähigkeit gegeben ist. Daran fehle es im vorliegenden Fall, so das LAG Düsseldorf. Aus dem Bescheid des Gesundheitsamts (GA) ergibt sich lediglich, dass die Klägerin an Covid-19 erkrankt war. Eine Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit der Klägerin lag nicht vor und wurde auch nicht von einem Arzt vorgenommen.
Quarantäne nach Anordnung des Gesundheitsamts
In dem entschiedenen Fall hatte eine Arbeitnehmerin von ihrem Arbeitgeber die Gutschrift von zehn Urlaubstagen verlangt. Dieser hatte ihr zuvor drei Wochen Urlaub genehmigt. Allerdings: Gleich in der ersten Urlaubswoche steckte sie sich bei ihrer Tochter mit Covid-19 an. Das GA ordnete daraufhin eine über 14-tägige häusliche Quarantäne an. Das Schreiben des GA enthielt den Hinweis, dass die Mitarbeiterin als Kranke im Sinne des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) anzusehen sei. Eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung durch einen Arzt ließ sich die Infizierte nicht ausstellen. Dennoch verlangte die Mitarbeiterin nach ihrer Rückkehr an den Arbeitsplatz von ihrem Arbeitgeber die Gutschrift von zehn Urlaubstagen für die Zeit der behördlich angeordneten Quarantäne. Sie meinte, diese seien wegen der durch das GA verhängten Quarantäne nicht verbraucht. Der Arbeitgeber lehnte dies mit der Begründung ab, er habe den Urlaubsanspruch wegen der fehlenden Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung der Mitarbeiterin auch in der Quarantänezeit erfüllt.
Covid-19-Infizierte nicht generell arbeitsunfähig
Auch aus dem Bescheid des GA ergebe sich lediglich, dass die Mitarbeiterin an Covid-19 erkrankt war. Insbesondere wurde ihre Arbeitsfähigkeit nicht durch einen Arzt überprüft. Eine über den Wortlaut des § 9 BUrlG hinausgehende Anwendung komme nicht in Betracht, da eine Erkrankung mit Covid-19 bei einem symptomlosen Verlauf nicht automatisch zu einer Arbeitsunfähigkeit führe. Mitarbeiter können im Einzelfall trotz einer Erkrankung mit dem Covid-19-Virus sowie einer Quarantäneanordnung weiterhin die Arbeitsleistung von einem häuslichen Arbeitsplatz aus erbringen, denn eine Erkrankung indiziert nicht immer eine Arbeitsunfähigkeit, und der Zweck des BUrlG, nämlich die Erholung des Arbeitnehmers von seiner Arbeitsleistung, kann mit der Urlaubsgewährung dennoch erreicht werden. Es liegt damit laut dem Gericht bei einer Covid-19-Infektion keine generelle Sachlage vor, die eine entsprechende Anwendung von § 9 BUrlG rechtfertigen würde.
Letzter Ausweg Erfurt
Eine Chance lässt das LAG Düsseldorf der unterlegenen Mitarbeiterin aber dennoch: Sie kann gegen das Urteil innerhalb von einem Monat Revision beim Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt einlegen. Das Urteil steht jedoch im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung zu § 9 BUrlG. Die Vorschrift soll verhindern, dass Arbeitnehmer durch eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit ihren Urlaubsanspruch verlieren. Andere urlaubsstörende Ereignisse fallen grundsätzlich als Teil des persönlichen Lebensschicksals in den Risikobereich des einzelnen Arbeitnehmers. Die behördliche Anordnung einer Quarantäne aufgrund einer Covid-19-Infektion dürfte daher auch als persönliches Lebensschicksal in den Risikobereich jedes einzelnen Arbeitnehmers fallen, auch wenn dies ein erhebliches urlaubsstörendes Ereignis darstellt und der betroffene Arbeitnehmer dem Rechtsirrtum unterliegen dürfte, dass die in behördlicher Quarantäne vergeudete Urlaubszeit automatisch gutgeschrieben werde. Der Wortlaut des § 9 BUrlG erfasst aber nur die Fälle, in denen durch ein ärztliches Attest nachgewiesen ist, dass aufgrund der Erkrankung eine Arbeitsunfähigkeit gegeben ist. Nur in diesen Fällen werden die durch ärztliches Attest nachgewiesenen Tage der Arbeitsunfähigkeit nicht auf den Jahresurlaub angerechnet.