Quarantäne wegen Corona - 27. Januar 2022

Auswirkungen auf gewährten Urlaub

Mitarbeiter, die während ihres Urlaubs aufgrund einer Covid-19-Infektion in Quarantäne müssen, können entgangene Urlaubstage nicht immer nachholen.

Nach einer Entscheidung des Landesarbeitsgerichts (LAG) Düs­seldorf ist eine behördliche Quarantäneanordnung kein Nach­weis dafür, dass an Covid-19 erkrankte Mitarbeiterinnen und Mit­arbeiter auch arbeitsunfähig sind. Aufgrund der Begründung des Gerichts trifft die Pflicht zur Nachgewährung von Urlaub den Ar­beitgeber nur, wenn der Arbeitnehmer durch Krankheit im Sinne des Entgeltfortzahlungsgesetzes (EntgFG) daran gehindert ist, sei­nen Arbeitspflichten nachzukommen, sprich arbeitsunfähig ist (Az.: 7 Sa 857/21). Die Vorschrift des § 9 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) unterscheidet zwischen einer Erkrankung des Arbeit­nehmers und seiner Arbeitsunfähigkeit. Dort steht wört­lich: „Erkrankt ein Arbeitnehmer während des Urlaubs, so werden die durch ärztliches Zeugnis nachgewiese­nen Tage der Arbeitsunfähigkeit auf den Jahresurlaub nicht angerechnet.“

Wann gilt Arbeitsunfähigkeit?

Nicht jede Krankheit führt zur Arbeitsunfähigkeit. Beide Begrif­fe sind daher nicht gleichzusetzen, sondern voneinander zu un­terscheiden. Unter Krankheit versteht das Gesetz einen regel­widrigen Körper- oder Geisteszustand, der einer Heilbehand­lung bedarf. Von einer Arbeitsunfähigkeit ist dann auszugehen, wenn der Arbeitnehmer seine vertraglich geschuldete Tätigkeit objektiv nicht ausüben kann oder objektiv nicht ausüben sollte, weil die Heilung nach ärztlicher Prognose verhindert oder ver­zögert wird. Danach erfordert die Nichtanrechnung der Urlaubs­tage im Sinne des § 9 BUrlG bei bereits bewilligtem Urlaub, dass durch ein ärztliches Attest nachgewiesen wird, dass aufgrund der Er­krankung eine Arbeitsunfähigkeit gegeben ist. Daran fehle es im vorlie­genden Fall, so das LAG Düsseldorf. Aus dem Bescheid des Gesundheitsamts (GA) ergibt sich lediglich, dass die Klägerin an Covid-19 erkrankt war. Eine Beurteilung der Arbeitsunfä­higkeit der Klägerin lag nicht vor und wurde auch nicht von einem Arzt vorgenommen.

Quarantäne nach Anordnung des Gesundheitsamts

In dem entschiedenen Fall hatte eine Arbeit­nehmerin von ihrem Arbeitgeber die Gut­schrift von zehn Urlaubstagen verlangt. Dieser hatte ihr zuvor drei Wochen Ur­laub genehmigt. Aller­dings: Gleich in der ersten Urlaubswoche steckte sie sich bei ihrer Tochter mit Covid-19 an. Das GA ordnete daraufhin eine über 14-tägige häusliche Quarantä­ne an. Das Schreiben des GA enthielt den Hinweis, dass die Mitarbeiterin als Kranke im Sinne des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) anzu­sehen sei. Eine Arbeitsunfähigkeits­bescheinigung durch einen Arzt ließ sich die Infizierte nicht ausstellen. Dennoch verlangte die Mitarbeiterin nach ihrer Rückkehr an den Arbeits­platz von ihrem Arbeitgeber die Gut­schrift von zehn Urlaubstagen für die Zeit der behördlich angeordneten Quarantäne. Sie meinte, diese seien wegen der durch das GA verhängten Quarantäne nicht verbraucht. Der Arbeitgeber lehnte dies mit der Be­gründung ab, er habe den Ur­laubsanspruch wegen der fehlenden Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung der Mitarbeiterin auch in der Quaran­tänezeit erfüllt.

Covid-19-Infizierte nicht generell arbeitsunfähig

Auch aus dem Bescheid des GA ergebe sich lediglich, dass die Mitarbeiterin an Covid-19 erkrankt war. Insbesondere wurde ihre Arbeitsfähigkeit nicht durch einen Arzt überprüft. Eine über den Wortlaut des § 9 BUrlG hinausgehende Anwendung komme nicht in Betracht, da eine Erkrankung mit Covid-19 bei einem symp­tomlosen Verlauf nicht automatisch zu einer Arbeitsunfä­higkeit führe. Mitarbeiter können im Einzelfall trotz einer Erkrankung mit dem Covid-19-Virus sowie einer Quarantä­neanordnung weiterhin die Arbeitsleistung von einem häus­lichen Arbeitsplatz aus erbringen, denn eine Erkrankung in­diziert nicht immer eine Arbeitsunfähigkeit, und der Zweck des BUrlG, nämlich die Erholung des Arbeitnehmers von seiner Arbeitsleistung, kann mit der Urlaubsgewährung dennoch erreicht werden. Es liegt damit laut dem Gericht bei einer Covid-19-Infektion keine gene­relle Sachlage vor, die eine entsprechen­de Anwendung von § 9 BUrlG rechtferti­gen würde.

Letzter Ausweg Erfurt

Eine Chance lässt das LAG Düsseldorf der unterlegenen Mitarbeiterin aber den­noch: Sie kann gegen das Urteil innerhalb von einem Monat Revision beim Bundes­arbeitsgericht (BAG) in Erfurt einlegen. Das Urteil steht jedoch im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung zu § 9 BUrlG. Die Vorschrift soll verhin­dern, dass Arbeitnehmer durch eine krankheitsbedingte Ar­beitsunfähigkeit ihren Urlaubsanspruch verlieren. Andere urlaubsstörende Ereignisse fallen grundsätzlich als Teil des persönlichen Lebensschicksals in den Risikobereich des einzelnen Arbeitnehmers. Die behördliche Anordnung einer Quarantäne aufgrund einer Covid-19-Infektion dürfte daher auch als persönliches Lebensschicksal in den Risikobereich jedes einzelnen Arbeitnehmers fallen, auch wenn dies ein erhebliches urlaubsstörendes Ereignis darstellt und der be­troffene Arbeitnehmer dem Rechtsirrtum unterliegen dürf­te, dass die in behördlicher Quarantäne vergeudete Ur­laubszeit automatisch gutgeschrieben werde. Der Wortlaut des § 9 BUrlG erfasst aber nur die Fälle, in denen durch ein ärztliches Attest nachgewiesen ist, dass aufgrund der Er­krankung eine Arbeitsunfähigkeit gegeben ist. Nur in die­sen Fällen werden die durch ärztliches Attest nachgewiese­nen Tage der Arbeitsunfähigkeit nicht auf den Jahresurlaub angerechnet.

Zum Autor

KK
Katharina Kuschefski, LL.M.

Rechtsanwältin in der Dortmunder Wirtschaftskanzlei Spieker & Jaeger sowie Lehrbeauftragte an der University of Europe for Applied Sciences

Weitere Artikel des Autors