Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz - 7. Oktober 2022

Asien-Pazifik-Geschäfte im Fokus

Zum 1. Januar 2023 treten Vorschriften in Kraft, die Unternehmen mit Sitz oder Niederlassung in Deutschland verpflichten, bei ihren Geschäftspartnern, vor allem in Fernost, mit Blick auf Menschenrechtsverletzungen eine besondere Sorgfalt an den Tag zu legen.

Die Asien-Pazifik Region ist für deutsche Unternehmen die weltweit mit Abstand wichtigste Wirtschaftsregion. Im Jahr 2020 gingen laut Bundesministerium für Wirtschaft und Energie über 15 Prozent der deutschen Warenexporte nach Asien; umgekehrt stammten wiederum mehr als 21 Prozent der Warenimporte aus Asien. Bedeutendster Handelspartner Deutschlands bleibt unverändert China. Aber auch Indien und die Mitglieder des südostasiatischen Staatenbundes ASEAN spielen eine relevante Rolle im deutschen Außenhandel. Das Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten (LkSG) wird auf das Asiengeschäft eine erhebliche Auswirkung haben. Das an internationalen Maßstäben im Bereich der Menschenrechte und Umweltstandards orientierte Gesetz trifft in Asien auf eine politisch, kulturell, sozial und wirtschaftlich vielschichtige Region. Als deutsches Unternehmen hier den Überblick zu behalten und die Anforderungen des LkSG zu gewährleisten, dürfte in den nächsten Jahren eine der großen Herausforderungen für internationale Rechts- und Compliance-Abteilungen werden.

Schutz der Menschenrechte verbessern

Ziel des LkSG ist eine Verbesserung des Menschenrechtsschutzes in globalen Lieferketten. Komplexe globale Beschaffungs- und Absatzmärkte bergen infolge häufig mangelnder Transparenz und einer oft unzureichenden Durchsetzung international anerkannter Menschenrechte hohe Risiken entlang der Lieferkette. Da deutsche Unternehmen aufgrund ihrer starken Einbindung in weltumspannende Absatz- und Beschaffungsmärkte in hohem Maße mit menschenrechtlichen Herausforderungen in ihren Lieferketten konfrontiert werden, obliegt ihnen hier eine gewisse Vorbildfunktion. In Thailand aktive Unternehmen sollten zum Beispiel im Blick haben, dass in der dortigen Fischereiindustrie Fälle von Zwangsarbeit und Menschen­handel bekannt wurden. Menschenhandel und Zwangsarbeit können dort auch in der Lebensmittel- und Textilindustrie sowie im Baugewerbe ein Problem darstellen. Im Jahr 2019 wurden beispielsweise 260 Verstöße gegen Kinderarbeit registriert. In Malaysia hingegen werden regelmäßig Fälle von Zwangsarbeit von Wanderarbeitern auf Palmölplantagen (Zulieferer der Lebensmittel- und Kosmetikindustrie) sowie in der Elektronikindustrie aufgedeckt.

Umsetzung der Sorgfaltspflichten

Dies trifft besonders auf wirtschaftlich bedeutende Branchen wie Automobilindustrie, Maschinenbau, Metallindustrie, Chemie, Textilindustrie, Nahrungs- und Genussmittelindustrie, Groß- und Einzelhandel, Elektronikindustrie und die Energieversorger zu. In Relation zu ihrer jeweiligen Größe, Branche und Position in der Lieferkette nimmt das Gesetz sie in die Pflicht, Menschenrechtsrisiken in ihren Lieferketten zu identifizieren, anzugehen und zu dokumentieren. Die auferlegten Sorgfaltspflichten umfassen die Bereiche Menschenrechte, Arbeitsnormen und Umweltfragen. Das Instrumentarium zur Erfüllung dieser Pflichten umfasst Risikoanalysen, Präventivmaßnahmen, Abhilfemaßnahmen, Dokumentations- und Berichterstattungspflichten sowie strukturelle Maßnahmen, die ein Risikomanagement einschließlich des Einsatzes eines Menschenrechtsbeauftragten, einer Grundsatzerklärung und eines Beschwerdemechanismus umfassen.

Risiken einordnen

Die Länder der Asien-Pazifik Region unterscheiden sich in ihrer Geschichte, ihren Rechtsordnungen und politischen Systemen sowie ihren sozioökonomischen Gegebenheiten. Die dem LkSG und seinen Compliance-Anforderungen zugrundeliegenden internationalen Abkommen wurden in diesen Ländern bislang nicht vollständig ratifiziert und umgesetzt. Aber selbst bei ratifizierten und in Kraft getretenen Abkommen ist Vorsicht geboten, denn die effektive Rechtsdurchsetzung variiert in den verschiedenen Ländern deutlich. Neben der allgemeinen Umsetzung des LkSG im Unternehmen (Zuständigkeiten, interne Verfahren usw.) sollten daher ein umfassendes Verständnis der eigenen Lieferkette erworben und die länder- sowie branchenspezifischen Risiken analysiert werden. Thailands zuständige Behörden führen, um das Beispiel von oben aufzugreifen, sowohl routinemäßige als auch unangekündigte Inspektionen durch. Die meisten Abteilungen haben einen Beschwerdemechanismus eingerichtet, und es gibt Verfahren, bei denen die Behörden interdisziplinär Informationen austauschen, etwa zwischen den Arbeits- und Sozial­abteilungen sowie der Königlich Thailändischen Polizei.

Einkaufsstrukturen prüfen

Im Hinblick auf die dem LkSG zugrundeliegenden Ebenen der Lieferkette sollten Unternehmen ihre Einkaufsstrukturen in Asien kritisch überprüfen. Das LkSG bestimmt den eigenen Geschäftsbereich anhand jeder Tätigkeit einer Gesellschaft als Rechtsträger des Unternehmens zur Erreichung des Unternehmensziels, unabhängig davon ob diese Tätigkeit an einem Standort im In- oder Ausland vorgenommen wurde. Das bedeutet, dass etwa die Einkaufsabteilung in einem asiatischen Standort Teil des so definierten, eigenen Geschäftsbereichs ist. Mit dem eigenen Geschäftsbereich ist der unmittelbare Zulieferer vertraglich oder organisatorisch verbunden und unterliegt ebenfalls den im LkSG bestimmten Sorgfaltspflichten. Der eigene Geschäftsbereich muss sich daher umfassend mit der Compliance seiner unmittelbaren Zulieferer in der Asien-Pazifik-Region auseinandersetzen. Lokale Gegebenheiten und kulturelle Unterschiede werden diese Aufgabe in vielen Fällen erschweren. Vom unmittelbaren Zulieferer unterscheidet sich der mittelbare Zulieferer dadurch, dass er vertraglich mit dem unmittelbaren Zulieferer, nicht aber mit dem eigenen Geschäftsbereich verbunden ist. Aufgrund der lediglich eingeschränkt gegebenen Einflussmöglichkeiten greift das LkSG hier nur bei substantiierter Kenntnis von möglichen Verletzungen geschützter Rechtsgüter. Die Unterscheidung zwischen unmittelbaren und mittelbaren Zulieferern ist daher von zentraler Bedeutung für deutsche Unternehmen.

Verlagerung der Compliance Risiken

Das LkSG regelt ausdrücklich, dass im Falle missbräuchlicher Gestaltung der unmittelbaren Zulieferbeziehungen oder bei Geschäften, die einer Umgehung der Pflichten gegenüber dem unmittelbaren Zulieferer dienen, der mittelbare Zulieferer als unmittelbarer Zulieferer betrachtet wird. Die Einbindung externer Einkaufsgesellschaften zur Verschiebung der Compliance-Risiken ist daher sorgfältig zu prüfen. Externe Einkaufsgesellschaften, die keinen nennenswerten eigenen Wirtschaftstätigkeiten nachgehen oder keine auf Dauer angelegte Präsenz in Gestalt von Geschäftsräumen, Personal oder Ausrüstungsgegenständen vorweisen können, dürften daher nicht als unmittelbarer Zulieferer nach dem LkSG angesehen werden.

Vertragliche Risiken minimieren

Wie oben beschrieben, sind die Anforderungen bezüglich der Sorgfaltspflichten an den unmittelbaren Zulieferer, der in vertraglicher Beziehung zum eigenen Geschäftsbereich steht, sehr hoch. Daher sollten diese unmittelbaren Zulieferer entsprechend vertraglich eingebunden werden. Diese Einbindung kann auf verschiedenen Ebenen erfolgen. Bereits bei der Lieferantenauswahl sollte die LkSG-Compliance eine Rolle spielen. Unternehmen sind angehalten, bei ihren Einkaufsaktivitäten auf Vertragsgestaltung und Vertragsmanagement sowie eine ordentliche Lieferantenauswahl im Sinne der LkSG-Compliance Wert zu legen. Erfolgt die vertragliche Bindung beispielsweise im Rahmen einer Lieferantenvereinbarung, sollte die LkSG-Compliance in einer separaten Klausel festgeschrieben werden. Bestehende Vereinbarungen sind entsprechend zu ändern und zu ergänzen.

Fazit und Ausblick

Deutsche Unternehmen sollten sich daher umfassend mit der LkSG-Compliance in ihrem Asiengeschäft auseinandersetzen und sich vor Inkrafttreten der Vorschriften in 2023 und 2024 um eine umfassende Umsetzung bemühen. Einkaufsaktivitäten sollten zur Vermeidung von Compliance-Risiken stärker rechtlich begleitet werden. Eine Fokussierung auf langfristige Lieferantenanbindungen, soweit geschäftlich möglich, scheint eine sinnvolle Option zur Minimierung der Risiken zu sein.

Weitergehende Informationen

Im Themenspecial „Lieferkettengesetz international“ von Rödl & Partner.

Zu den Autoren

CE
Carla Everhardt

Rechtsanwältin und Associate Partner bei Rödl & Partner im Geschäftsbereich internationales Wirtschaftsrecht mit Fokus auf Nahost und Afrika. Sie begleitet Mandanten beim Markteintritt im deutschen In- und Ausland, auch unter Gesichtspunkten rechtlicher und steuerlicher Nachhaltigkeit.

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MS
Markus Schlüter

Rechtsanwalt und Partner im Geschäftsbereich Asien/Pazifik bei Rödl & Partner in Köln und Bangkok. Er arbeitet auf dem Gebiet des internationalen Handelsrechts sowie der Strukturierung grenzüberschreitender Direktinvestitionen und leitet den ASEAN-Desk in Deutschland.

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