Die andauernde Corona-Krise beeinflusst natürlich auch den Jahresabschluss und den Lagebericht. Daher sollte bereits im Vorfeld geklärt werden, welche Einschränkungen zu erwarten und welche Prüfungshandlungen möglich sind.
Der Ausbruch der Corona-Pandemie hat das private und berufliche Umfeld der Menschen seit Beginn des Jahres 2020 stark verändert. Die Folgewirkungen auf die Bilanzierung von Unternehmen sowie die Durchführung von Abschlussprüfungen können dabei vielschichtig sein. Im Nachfolgenden werden ausgewählte Teilaspekte im Rahmen der Abschlussprüfung beleuchtet, die häufig durch die Pandemie-Auswirkungen beeinflusst sind. Daneben werden ausgewählte Bewertungsrisiken infolge der Corona-Pandemie sowie mögliche Prüfungshandlungen dargestellt.
Die Beurteilung der Going-Concern-Annahmen
Grundsätzlich hat der Abschlussprüfer die Annahmen der gesetzlichen Vertreter zur Unternehmensfortführung unter Beachtung von IDW PS 270 zu beurteilen. Der Abschlussprüfer sollte sich daher zunächst detailliert damit auseinandersetzen, welche Folgen die Corona-Pandemie für das zu prüfende Unternehmen hat. Mögliche Fragestellungen können hier sein:
- Wie haben sich die Umsatzerlöse des Unternehmens entwickelt?
- Ist das Unternehmen auf staatliche Hilfen angewiesen?
- Wurden Mitarbeiter entlassen oder wurde Kurzarbeit eingeführt?
- Sind Restrukturierungen notwendig oder geplant?
- Bestehen Financial Covenants in Finanzierungsverträgen?
- Ist die Branche oder sind wesentliche Kunden/Lieferanten durch die Corona-Pandemie beeinflusst?
Der zu betrachtende Prognosezeitraum beträgt im Normalfall ein Jahr ab dem Bilanzstichtag und verlängert sich bei sogenannten Unternehmen in der Krise auf das aktuelle und darauffolgende Geschäftsjahr. Für das Unternehmen ergeben sich bei Unsicherheiten infolge der Corona-Pandemie entsprechende Erläuterungspflichten im Anhang zu den Angaben zu Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden sowie im Lage-, Prognose- und Chancen- sowie Risikobericht, welche jeweils durch den Abschlussprüfer zu prüfen sind. Hierbei sind verschiedene Prüfungshandlungen möglich. Zunächst sind die Pläne der gesetzlichen Vertreter, die der Going-Concern-Annahme zugrunde liegen, kritisch zu hinterfragen und durch belastbare Nachweise zu verifizieren. Es ist zu beurteilen, ob das Eintreten beziehungsweise die Umsetzung der Maßnahmen hinreichend sicher ist, wobei stets auf die Aktualität der Annahmen zu achten ist. Es empfiehlt sich daher kurz vor Erteilung des Testats, nochmals eine schriftliche Bestätigung bei den gesetzlichen Vertretern einzuholen, ob sich die Planannahmen geändert haben. Weiterhin sollte eine integrierte Unternehmensplanung für den entsprechenden Prognosezeitraum, bestehend aus Bilanz-, Gewinn- und-Verlust- und Cashflow-Planung, eingeholt und hinsichtlich der zugrunde liegenden Annahmen geprüft werden.
Die Durchführung von Inventurbeobachtungen
In Abhängigkeit von dem zu prüfenden Unternehmen kann es notwendig sein, dass der Abschlussprüfer beobachtend an der Inventuraufnahme teilnimmt. Hierdurch soll ein Verständnis über das Vorhandensein, die Vollständigkeit sowie die Beschaffenheit der Vorräte erlangt werden. Aufgrund von möglichen Zugangsbeschränkungen bei den Unternehmen ist eine physische Teilnahme jedoch oftmals nicht möglich. In diesen Fällen sind alternative Prüfungshandlungen durchzuführen, um geeignete und ausreichende Prüfungsnachweise zu erlangen. Da die Art der Inaugenscheinnahme und Inventurteilnahme berufsrechtlich nicht vorgeschrieben ist, ist es möglich, die Inaugenscheinnahme mittels Echtzeitbildübertragung über ein Smartphone oder Tablet-PC durchzuführen, sofern bestimmte Grundvoraussetzungen erfüllt sind. Alternativ kann auch die Nutzung von Drohnen möglich sein, sofern sich die Vorräte im Außenbereich befinden. Grundsätzliche Anforderungen an die Nutzung solcher Technologien sind, dass die Bildübertragung vom Abschlussprüfer gesteuert werden kann und eine geeignete Bild- und Tonqualität gewährleistet ist. Die Inaugenscheinnahme von Vorräten und Inventurbeobachtungen durch Einsatz solcher Technologien können jedoch – je nach den Gegebenheiten des Mandanten – mit höheren Risiken hinsichtlich der Verlässlichkeit der Prüfungsnachweise verbunden sein, als die Inaugenscheinnahme und Beobachtung durch physische Anwesenheit vor Ort. In diesen Fällen wird es erforderlich sein das Vorratsvermögen mittels alternativer Prüfungshandlungen zu prüfen.
Prüfung des internen Kontrollsystems
Die Aufnahme und Prüfung des internen Kontrollsystems des Unternehmens bildet die Basis der Abschlussprüfung. Infolge der Corona-Pandemie kann es jedoch sein, dass die implementierten Kontrollen des Unternehmens nicht während des ganzen Jahres wirksam durchgeführt werden, was sich dann auf das Kontrollrisiko auswirkt. Mögliche Fragestellungen hier sind:
- Wurden Kontrollmechanismen ins Homeoffice verlagert?
- Ist eine Funktionstrennung noch in allen Bereichen möglich, wenn Zugriffsrechte verändert wurden?
- Gab es Änderungen in den Schlüsselkontrollen und wurden gegebenenfalls neue Kontrollmechanismen eingeführt?
- Kann weiterhin eine ausreichend hohe Sicherheit aus den Kontrollen gewonnen werden?
- Ist das Fraud-Risiko aufgrund einer negativen Geschäftsentwicklung gestiegen?
Im Rahmen der Abschlussprüfung sollte daher zunächst eine entsprechende Befragung durchgeführt werden, ob es Veränderungen in Bezug auf die bestehenden Kontrollmechanismen gab und wie das Unternehmen sichergestellt hat, dass beschriebene Kontrollen gelebt wurden. Bei der Prüfung der internen Kontrollen gibt es trotz Zutrittsbeschränkungen mehrere Möglichkeiten, ausreichende Prüfungshandlungen durchzuführen. Möglich ist eine Einsichtnahme im System oder Unterlagen mittels Echtzeitbildübertragung, durch das Einscannen von Aufzeichnungen und die Zuleitung durch den Mandanten oder durch einen externen Zugriff auf das IT-System des Unternehmens. Notwendige Beobachtungen der von den Mitarbeitern durchgeführten Tätigkeiten können auch mittels Live-Bildübertragung, Videoaufzeichnungen oder Web-Meetings durchgeführt werden. Weiterhin können die Kontrollen mittels Daten-/Systemfernzugriff oder anhand von Datenanalysen nachvollzogen werden. Daneben bietet sich die Teilnahme an Besprechungen in Form von Videokonferenzen mit den Verantwortlichen im Unternehmen an. Die Möglichkeit, die oben genannten Prüfungshandlungen durchzuführen, hängt immer von den technischen Möglichkeiten des zu prüfenden Unternehmens ab. Es sollte jedoch auch im Interesse des Abschlussprüfers liegen, trotz etwaiger Zutritts- und Kontaktbeschränkungen, angemessene und ausreichende Prüfungsnachweise zu erlangen, da die Anforderungen an die Prüfungsdokumentation nach IDW PS 460 neue Fassung weiterhin gelten.
Corona-bedingte Bewertungsrisiken
Neben den vorab dargestellten Prognoseunsicherheiten im Lagebericht können sich auch entsprechende Bewertungsrisiken im Jahresabschluss ergeben. Im Bereich des Anlagevermögens können mehrere Bilanzposten betroffen sein. Beispielsweise kann sich die Lebensdauer von immateriellen Vermögensgegenständen und Sachanlagen aufgrund von verminderter Nutzung verringert haben. Dies kann der Fall sein, wenn Gegenstände aufgrund der Änderung der Geschäftstätigkeit stillgelegt oder nicht mehr genutzt werden. Es ist daher zur prüfen, ob von einer dauerhaften Wertminderung auszugehen ist, was durch Inaugenscheinnahme erfolgen kann. Der Wert von bestehenden Finanzanlagen kann ebenso wertgemindert sein. Hier empfiehlt es sich, den Planungsprozess zu beurteilen und die Beteiligungsbewertung nach IDW RS HFA 10 detailliert zu prüfen, um festzustellen, ob eine dauernde oder vorübergehende Wertminderung vorliegt. Im Bereich des Umlaufvermögens können sich Folgewirkungen für das Vorratsvermögen oder die Forderungen ergeben. Es ist daher zu prüfen, ob Hinweise auf eine gesunkene Veräußerbarkeit der Vorräte – mit der Notwendigkeit entsprechender Gängigkeitsabschläge – vorliegen. In Bezug auf die Forderungen kann eine Erhöhung von Pauschal- und Einzelwertberichtigungen notwendig sein. Es sollte daher hinterfragt werden, welche Vorkehrungen und Maßnahmen das Unternehmen zur Vermeidung von Forderungsausfällen getroffen hat. Daneben sollte der Forderungsbestand hinsichtlich der Alters- und Kundenstruktur analysiert werden, da möglicherweise mit vermehrten Zahlungsausfällen zu rechnen ist. Der Ansatz von aktiven latenten Steuern ist nur möglich, sofern in Zukunft ausreichende steuerliche Gewinne zu erwarten sind. Dies erfordert eine Prüfung der steuerlichen Planungsrechnung und deren zugrunde liegenden Annahmen in Bezug auf die Nutzbarkeit von aktiven latenten Steuern. Weiterer Bilanzierungsbedarf kann sich im Bereich von Rückstellungen und Haftungsverhältnissen ergeben. Möglich sind Drohverlustrückstellungen bei langfristigen Auftragsfertigungen sowie Vertragsstrafen aufgrund eines Produktionsstillstands wegen Betriebsschließungen. Sofern Betriebsteile geschlossen und Mitarbeiter ausgestellt werden müssen, können entsprechende Restrukturierungsrückstellungen notwendig sein. Möglich beziehungsweise denkbar sind auch Einstandsverpflichtungen gegenüber den in Not geratenen Tochtergesellschaften. Ein weiterer Rückstellungsbedarf kann sich ergeben, wenn das Unternehmen staatliche Corona-Hilfen in Anspruch genommen hat und die notwendigen Voraussetzungen dafür nicht vorlagen. Sollte festgestellt werden, dass die Auszahlung zu Unrecht erfolgte, hat das Unternehmen eine entsprechende Rückzahlungsverpflichtung in Form einer Rückstellung oder Verbindlichkeit zu bilanzieren. Auch hier sollte der entsprechende Antrag durch den Abschlussprüfer nachvollzogen werden. Ein Verstoß gegen bestehende Covenants (Vereinbarungen) in Kreditverträgen kann weitere Folgen für die Fristigkeit von Verbindlichkeiten haben. Der Abschlussprüfer sollte daher eine genaue Vertragsdurchsicht vornehmen und entsprechende Befragungen vornehmen, um die Vollständigkeit und Bewertung der Rückstellungen nachzuvollziehen.
Fazit
Anhand der dargestellten Prüfungsschritte wird deutlich, dass die Abschlussprüfung aufgrund der Corona-Pandemie mitunter deutlich aufwendiger und zeitintensiver werden kann. Zudem können sich unterschiedliche Folgewirkungen für den Jahresabschluss und Lagebericht ergeben, die durch den Abschlussprüfer zu prüfen sind. Es sollte daher frühzeitig bereits im Vorfeld der Prüfung mit dem Unternehmen abgesprochen werden, welche Einschränkungen bei dem zu prüfenden Unternehmen zu erwarten sind und welche Prüfungshandlungen möglich sind. Ebenso kann der geänderte Prüfungsprozess zu höheren Kosten für den Abschlussprüfer führen, was eine Honoraranpassung zur Folge haben kann.
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Ausblick: Die Broschüre Wirtschaftsprüfung in der Praxis
01/2021 (Art.-Nr. 31407, Versand Ende Februar) behandelt
schwerpunktmäßig die Auswirkungen der Corona-Pandemie
auf die Abschlussprüfung.
Weitere Informationen, wie Sie als Wirtschaftsprüfer die Auswirkungen der Corona-Pandemie meistern, finden Sie hier. Corona-Informationen für Wirtschaftsprüfer