Branchen in Gefahr - 29. Mai 2020

Vorübergehend ohne Gäste

Nahezu alle Unternehmen hierzulande sind von der Corona-Pandemie betroffen. Besonders hart trifft die Krise Hotel- und Gastronomiebetriebe. Jedes dritte Unternehmen ist aktuell von der Pleite bedroht. Mit welchen Auswirkungen ein Beherbergungsbetrieb zu kämpfen hat, der vor allem auf das Saisongeschäft angewiesen ist, möchte ich von dem Hotelier Sieghard Hedwig wissen, der mit seiner Frau Gabriele im mittelfränkischen Treuchtlingen ein Hotel Garni betreibt.

DATEV magazin: Ihr Hotel Stadthof Treuchtlingen an der Altmühl mit rund 60 Betten ist ab jedem Frühjahr eine beliebte Anlaufstelle für Radfahrer, Wanderer und Bootsfahrer. Wie hart wurden Sie von den Maßnahmen gegen das Corona-Virus getroffen, speziell von den betrieblichen Einschränkungen?

SIEGHARD HEDWIG: Privat- beziehungsweise Tourismusreisende durften wir ab dem 21.März nicht mehr annehmen. Und da die Restriktionen nun Mitte April noch einmal  verlängert wurden, herrschte bei den Gästen der mit uns kooperierenden Reiseunternehmen und auch bei diesen selbst immense Verunsicherung. Man muss es im Kontext sehen: Die Gäste waren in der Bredouille, die Reiseunternehmen, die Hotels und natürlich auch die Restaurants und Kneipen.

Ihr Hotel wird auch von Handwerkern, Monteuren, Geschäftsleuten der umliegenden Betriebe und Bahnbediensteten frequentiert. Hat Sie das in der schwierigen Phase nicht über Wasser gehalten?

Der von Ihnen genannte Personenkreis ist ein wichtiger, kontinuierlicher, ganzjähriger, aber eben nicht wirklich entscheidender Teil unseres Geschäfts. Die durch den ausbleibenden Tourismus wegfallenden Einnahmen können wir in der Jahresrechnung so jedenfalls in keiner Weise kompensieren.

Der bayerische Ministerpräsident hat nun aber verkündet, dass die Hotels in Bayern ab dem 30. Mai wieder vollständig öffnen dürfen. Macht Ihnen das nicht wieder Hoffnung?

Die Storni bei uns im Haus reichen mittlerweile bereits in den August hinein und werden wohl auch nicht mehr zurückgenommen, sodass wir uns mit Blick auf die bereits angelaufene diesjährige Saison keinerlei Illusionen mehr machen. Zumal ja noch Mundschutz- und Abstandspflicht sowie die anderen Auflagen weiter bestehen bleiben.

Die Bundesregierung hat ein milliardenschweres Hilfspaket auf den Weg gebracht. Zuschüsse für Kleinunternehmer oder Kredite der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW). Haben Sie von diesen Soforthilfen profitiert oder verfehlen diese Ihrer Meinung nach  den Zweck?

Eine Soforthilfe haben wir bereits am 2. April online beantragt. Diese Hilfe berechnet sich nach der Anzahl der Beschäftigten und würde in unserem Fall maximal 9.000 Euro bringen. Das ist nicht viel, und da wir bisher keinen Rücklauf bekamen, hatte sich meine Frau Ende April bei der Regierung von Mittelfranken als zuständige Ausgabestelle nach dem Bearbeitungsstand erkundigt. Wir haben eine 80.000er Nummer, und aktuell sei man bei den Anträgen im 30.000er Bereich. Die Soforthilfe für uns wir dann wohl ein Weihnachtsgeschenk, das uns nicht wirklich hilft.

Bleibt zu hoffen, dass das große Geld nicht letztlich wieder hauptsächlich den großen Konzernen zugutekommt.

Und wie sieht es mit den möglichen Krediten aus?

Mit Krediten, die nach unserer Kenntnis übrigens dann doch nicht so ohne Weiteres vergeben werden, landet man schnell in der Schuldenfalle. Es scheint, dass seitens der Politik rasch von Hilfe gesprochen wurde, und nicht wenige Protagonisten auf der politischen Bühne die Gelegenheit offenbar zur persönlichen Profilierung nutzten, womöglich auch, um sich für Höheres zu empfehlen. Unterm Strich sieht die Sache für die Bürger und kleineren Betriebe aber dann doch meist etwas anders aus. Bleibt zu hoffen, dass das große Geld nicht letztlich wieder hauptsächlich den großen Konzernen zugutekommt.

Man sagt: Spare in der Zeit, so hast du in der Not. Haben Sie nicht Rücklagen gebildet, die Ihnen über diese schwierige Phase hinweghelfen?

Freilich haben wir in den vergangenen Jahren Rücklagen gebildet. Diese allerdings waren in der Hauptsache als Altersversorgung oder eben für kurzfristige Zwischenfälle beziehungsweise Krisen gedacht. Von einer kurzfristigen Krise kann jetzt allerdings überhaupt keine Rede mehr sein. Denn die eigentliche Krise kommt wohl erst nach der Krise. Kurzum: In unseren Augen kommt das dicke Ende erst noch. Und da die laufenden monatlichen Kosten auch bei ausbleibenden Einnahmen bestehen bleiben, wird es also ohne Rückgriff auf die Reserven sicher nicht abgehen. Wie lange das gut geht, hängt am Ende davon ab, wie lange die Krise noch andauert beziehungsweise Reisebeschränkungen bestehen bleiben.

Laut dem Bundesarbeitsminister soll aufgrund der Krise kein Arbeitsplatz verloren gehen. Mittlerweile wurde auch eine Erhöhung des Kurzarbeitergelds beschlossen. Sie beschäftigen sehr viele Saisonkräfte. Werden Sie diese halten können oder sind betriebsbedingte Kündigungen unvermeidbar?

Es soll kein Arbeitsplatz verloren gehen? Das halten wir für einen schlechten Witz. Nach unserer Kenntnis befand sich Deutschland mit Blick auf die Autoindustrie und den Maschinenbau als deutsche Schlüsselindustrien bei näherer Betrachtung bereits im vergangenen Jahr in einer Rezession. Nun kam heuer Corona praktisch noch oben drauf. Das wird nicht ohne Verlust von Arbeitsplätzen abgehen. Speziell in unserem Haus werden wir versuchen, die sozialversicherungspflichtig Beschäftigten um jeden Preis zu halten. Das Kurzarbeitergeld kommt bei uns allerdings nicht zum Tragen, da selbst die sozialversicherungspflichtig Beschäftigten bei uns keine Fulltime-Jobs haben. Und die Dienste von reinen Stundenkräften werden wir mangels Kundenfrequenz mittelfristig nur eingeschränkt oder gar nicht mehr in Anspruch nehmen können.


Sie haben das Hotel gepachtet. Das von der Regierung auf den Weg gebrachte Gesetzespaket soll auch Mieter und Pächter vor Kündigung schützen; gleiches gilt im Verhältnis zu Strom- und Gaslieferanten oder Internetanbietern. Helfen Ihnen diese Maßnahmen?

Wir haben mit unserem Verpächter ein sehr gutes Einvernehmen. Er hatte uns sogar bereits angeboten, die Pacht vorübergehend zinslos zu stunden. Wir haben das bislang noch nicht in Anspruch genommen, da wir die Entwicklung noch abwarten wollen. Schließlich muss ja auch eine gestundete Pacht irgendwann zurückbezahlt werden, womöglich zu einem für uns ungünstigen Zeitpunkt. Stichwort: Schuldenfalle. Und: Wissen wir heute, wie die Saison im kommenden Jahr verläuft? Von einer Kündigung kann jedenfalls im Moment keine Rede sein, von keiner der beiden Seiten. Und da wir Lieferanten gegenüber bislang noch alle unsere Rechnungen bezahlt haben, können wir speziell zu diesem Punkt keine Aussage treffen.

Die Bundesregierung hat speziell für Ihre Branche weitere Hilfen in Aussicht gestellt. Was versprechen Sie sich davon?

Da überschlagen sich ja täglich die Meldungen. Im Augenblick halten wir davon noch nicht sehr viel.

Ihr Dachverband, der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (DEHOGA), fordert unter anderem einen staatlichen Rettungsfonds mit Direkthilfen für Betriebe, ähnlich der Dürrehilfen für Landwirte 2018. Würde Ihnen das konkret helfen?

Direkthilfen für Hotels und Gastronomiebetriebe wären natürlich eine wichtige und notwendige Unterstützung. Es bleibt abzuwarten, was hier konkret beschlossen werden kann.

Die Bundesregierung hatte zuletzt noch eine Absenkung des Mehrwertsteuersatzes für Hotels und Gaststätten beschlossen. Hilft Ihnen diese Maßnahme?

Ein verminderter Mehrwertsteuersatz ist natürlich hilfreich, macht aber nur Sinn, wenn man auch wirklich Umsatz hat.

In der aktuellen Krise kommt es vor allem auch auf die Unterstützung der Betriebe durch den steuerlichen Berater an. Hat Ihnen Ihr Steuerberater aktuell helfen können?

Unser Steuerbüro informiert uns zeitnah über alle aktuellen Entwicklungen und gibt uns wichtige Tipps. Direkt aus der Krise retten kann es uns natürlich nicht.

Als Ultima Ratio bliebe nur noch, den Geschäftsbetrieb einzustellen, um eine Insolvenz zu vermeiden. Ist das für Sie eine ernsthafte Option?

Im Augenblick nicht. Aber alles hängt natürlich wie gesagt von der Dauer der Corona-Krise ab und von den derzeit kaum absehbaren ökonomischen Folgen, die sich daraus noch ergeben könnten. In letzter Konsequenz ist eine Geschäftsaufgabe nicht ausgeschlossen.  

Zum Autor

Robert Brütting

Rechtsanwalt in Nürnberg und Fachjournalist Recht sowie Redakteur beim DATEV magazin

Weitere Artikel des Autors