Gesellschaftsrecht - 4. November 2020

Spätestens jetzt handeln

Unternehmen in der Rechtsform einer britischen Limited sind hierzulande vom harten Brexit besonders betroffen. Sie müssen daher so schnell wie möglich umstrukturieren und sollten hierfür rechtskundige Expertise in Anspruch nehmen.

Seit seinem Austritt am 1. Februar 2020 ist das Vereinigte Königreich (VK) nicht mehr Mitglied der Europäischen Union (EU). Das Austrittsabkommen sieht einen Übergangszeitraum bis zum 31. Dezember 2020 vor. Bis dahin gilt EU-Recht und damit die Niederlassungsfreiheit fort. Nach einem ungeregelten, endgültigen Austritt des VK aus der EU (harter Brexit) wird es keine Vereinbarung geben, wonach die Niederlassungsfreiheit weiter gilt. Eine Situation, auf die sich insbesondere diejenigen Unternehmen spätestens jetzt einstellen müssen, die in der Rechtsform einer englischen Private Limited Company by Shares (Limited) firmieren. Diese Form einer Kapitalgesellschaft zeichnet sich durch die beschränkte Haftung ihrer Gesellschafter sowie ein geringes Mindestkapital von einem Pfund aus. Für ihre Gründung ist kein Notar erforderlich, lediglich ihre Eintragung in das britische Register. Aufgrund dieser im Vergleich zur GmbH geringen Anforderungen haben insbesondere kleinere Unternehmen die Limited mit Verwaltungssitz in Deutschland für ihren Geschäftsbetrieb gewählt. Bislang können sich die Gesellschafter einer Limited auf die Niederlassungsfreiheit berufen. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat, die Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) umsetzend, die Limited in Deutschland anerkannt und auf diese, trotz ihres inländischen Verwaltungssitzes, das Gesellschaftsrecht ihres Heimatstaats angewandt. Es gilt also das Recht des Staates, in dem sie gegründet wurde (Gründungstheorie).

Auswirkungen eines harten Brexits

Allen Rettungsversuchen zum Trotz – etwa mittels der Konstruktion, das VK würde trotz Brexit im Europäischen Wirtschaftsraum verbleiben, sodass EU-Recht fortgelten könne – wäre das VK nach einem harten Brexit im Verhältnis zur EU als Drittstaat zu behandeln. Daraus folgt, dass nach Beendigung des Übergangszeitraums Ende 2020 in Deutschland neu gegründete Limiteds die Niederlassungsfreiheit nicht mehr in Anspruch nehmen können. Hat eine Limited ihren Verwaltungssitz in Deutschland, gilt deutsches Recht (Sitztheorie). Dies wiederum hat zur Folge, dass die Limited als oHG oder GbR zu qualifizieren wäre, je nachdem, ob sie ein Handelsgewerbe betreibt oder nicht. Also haften ihre Gesellschafter für sämtliche Verbindlichkeiten unbeschränkt. Hat die Limited nur einen Gesellschafter, haftet dieser als Einzelunternehmer unbeschränkt. Damit dürfte feststehen, dass die Wahl der Rechtsform des (Klein-)Unternehmers mit Verwaltungssitz in Deutschland künftig nicht mehr auf die Limited fallen wird. Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob die Konsequenzen eines harten Brexits hinsichtlich der haftungsrechtlichen Folgen auch für bereits bestehende Limiteds gelten würde und wenn ja, welche Handlungsmöglichkeiten jetzt zur Verfügung stehen.

Kein Vertrauensschutz

Auch wenn es Ansätze gab, Vertrauensschutz für Altgesellschaften zu begründen, wird es einen solchen realistischerweise nicht geben. Der Wortlaut der Niederlassungsfreiheit, der auf den Zeitpunkt der Gründung Bezug nimmt, kann dafür nicht bemüht werden, bezieht er sich doch eindeutig auf die Gründung in einem EU-Mitgliedstaat, was für das VK nicht mehr zutreffen wird. Ebenso führt der Versuch, aus Gründen des Vertrauensschutzes über § 122m Umwandlungsgesetz (UmwG) eine befristete Fortgeltung der Gründungstheorie abzuleiten, nicht zum Ziel. Die Regelung ermöglicht auch nach dem Brexit eine grenzüberschreitende Verschmelzung einer britischen Kapitalgesellschaft auf eine deutsche Gesellschaft, sofern der Verschmelzungsplan noch vor dem Brexit beurkundet worden ist und die Verschmelzung unverzüglich (spätestens aber zwei Jahre) nach dem Brexit zum Handelsregister angemeldet wird. Das bedeutet nichts anderes, als dass auf den übertragenden britischen Rechtsträger (die Limited) während des Verschmelzungsverfahrens noch die Gründungstheorie anzuwenden ist und er während dieser Zeit nicht in eine oHG oder GbR umqualifiziert wird. Man wird allerdings aus § 122m UmwG auch folgern müssen, dass der Gesetzgeber für all jene keinen Bestandsschutz schaffen wollte, die nicht rechtzeitig einen beurkundeten Verschmelzungsplan auf den Weg gebracht haben. Die Gesellschafter einer Limited sehen sich also vom 1. Januar 2021 an dem Haftungsregime von oHG oder GbR ausgesetzt, was die Frage nach Handlungsmöglichkeiten aufwirft.

Grenzüberschreitende Verschmelzung

Üblicherweise wird in diesem Kontext in erster Linie die grenzüberschreitende Verschmelzung genannt, deren Vorteil die Gesamtrechtsnachfolge ist. Sämtliche Aktiva und Passiva gehen auf die Zielgesellschaft über. Es bedarf keiner Liquidation der Limited. Freilich gilt es, hierfür stets den Organisations- und Dokumentationsaufwand nebst etwaigen arbeits- und steuerrechtlichen Implikationen sorgfältig abzuwägen. Zu beachten ist allerdings, dass das VK beschlossen hat, die britischen Vorschriften zur grenzüberschreitenden Verschmelzung mit dem Austritt Anfang 2020 außer Kraft zu setzen. Folglich kann man schon seit einiger Zeit nicht mehr erwarten, eine Bescheinigung über die Einhaltung der Voraussetzungen einer Verschmelzung im VK zu erhalten. Eine derartige Bescheinigung ist jedoch Voraussetzung dafür, dass die grenzüberschreitende Verschmelzung in Deutschland eingetragen und wirksam wird. Daraus ergibt sich, dass eine grenzüberschreitende Verschmelzung aktuell keine Option mehr ist. Allenfalls in vereinzelten Fällen, in denen „nur“ noch die Verschmelzungsbescheinigung aussteht, dürfte für eine Verschmelzung einer Limited aus dem VK nach Deutschland noch eine Restwahrscheinlichkeit bestehen.

Grenzüberschreitender Formwechsel

Ebenso dürfte es um den grenzüberschreitenden Formwechsel bestellt sein. Seit der Vale-Entscheidung des EuGHs müssen EU-Staaten, deren Recht inländischen Gesellschaften die Möglichkeit eines Formwechsels eröffnet, auch einen grenzüberschreitenden Formwechsel ermöglichen. Dieses im Grunde bahnbrechende Urteil hilft im konkreten Fall allerdings nicht. Zurzeit treffen weder das britische noch das deutsche Recht ausdrückliche Regelungen für einen grenzüberschreitenden Formwechsel. Da die Zusammenarbeit bereits für die kodifizierte grenzüberschreitende Verschmelzung eingestellt wurde, darf mehr als bezweifelt werden, dass sich die Register und Behörden des VK beim Beschreiten des nicht kodifizierten Wegs eines grenzüberschreitenden Formwechsels kooperativ zeigen werden.

Verlegung des Verwaltungssitzes

Vergleichsweise unkompliziert ist die Verlegung des Verwaltungssitzes in das VK. In Deutschland würde lediglich eine Betriebsstätte verbleiben. Diese Variante dürfte meist daran scheitern, dass der Wegzug in Deutschland wie eine Liquidation behandelt und entsprechend besteuert wird. Künftige Einnahmen wären auch im VK zu versteuern. Und schon aus organisatorischen Gründen ist ein Nebeneinander von Verwaltungssitz und Betriebsstätte kostenintensiv. Da die künftige Ausgestaltung der Wirtschaftsbeziehungen zwischen dem VK und der EU noch völlig unklar ist, kann man zu einem solchen Schritt derzeit nicht raten.

Übertragung per Asset Deal

In Betracht kommt auch, das Vermögen der Limited auf eine deutsche Gesellschaft im Wege eines Asset Deals zu übertragen – mit anschließender Liquidation der Limited. Hier müssen alle Vermögenswerte und Verbindlichkeiten einzeln übertragen werden, was bei der Übertragung von Verträgen nicht ohne die Zustimmungen Dritter gelingt. Auch hier gilt, dass stille Reserven realisiert werden und zu versteuern sind. Immerhin kann ein Asset Deal binnen weniger Wochen durchgeführt werden – vorbehaltlich der Einholung der vorgenannten Zustimmungen. Die Liquidation einer Limited bedarf besonderer Vorbereitung und Sachkunde. Insbesondere sollte man sich davor hüten, Verbindlichkeiten einfach zurückzulassen. Im Recht der Limited gelten zwar Vereinfachungen bei Gründung und Kapitalaufbringung. Die persönliche Haftung von Gesellschaftern und Geschäftsführern in der Insolvenz kann dafür aber umso härter ausfallen – es gibt durchaus einen Gläubigerschutz im Recht der Limited, er ist jedoch zeitlich nachgelagert. Jedenfalls wird man kaum ohne externen Rechtsrat auskommen.

Das Anwachsungsmodell

Da es jetzt vor allem schnell gehen muss und eine Vermeidung von Haftungsrisiken im Vordergrund steht, sollten sich die Gesellschafter einer Limited vor allem mit dem Anwachsungsmodell befassen. Hierfür gründen sie eine deutsche Gesellschaft, etwa eine GmbH, mit gleichen Beteiligungsverhältnissen und bringen ihre Limited-Anteile dort ein. Dadurch wird die GmbH zur Alleingesellschafterin der Limited. Im Falle eines harten Brexits verliert die Limited in Deutschland ihre Rechtsfähigkeit und besteht als GbR oder oHG weiter. Da sie aber nur einen Gesellschafter hat und diese beiden Gesellschaftsformen mindestens zwei Gesellschafter voraussetzen, gehen im Wege der Anwachsung alle Aktiva und Passiva der Limited auf die GmbH über. Zugleich dient die GmbH als Schild gegenüber Haftungsrisiken. Die Einbringung in die Kapitalrücklage kann ohne Durchführung einer formellen Kapitalerhöhung erfolgen, wenn die deutsche GmbH unter voller Kapitalaufbringung gegründet wird und der Wert der Anteile nicht negativ ist. Sollen die Limited-Anteile als Sacheinlage bei einer Kapitalerhöhung eingebracht werden, muss ihr Wert per Gutachten belegt werden. Sind die Gesellschafter nicht willens oder in der Lage, einen etwaigen Differenzbetrag in Geld aufzubringen, ist gegebenenfalls auch eine Gestaltung mittels einer UG möglich.

Irische oder maltesische Limited

Beworben wird zurzeit auch die Umwandlung der englischen in eine irische oder maltesische Limited. Diese sollen (vorgeblich) jeweils einfacher zu handhaben sein als eine GmbH. Womöglich ist das so und es mag auch gelingen, den Weg dorthin rechtssicher zu gestalten. Ob man jetzt unter Zeitdruck dem „Versuch Limited“ gleich die nächste Herausforderung folgen lassen möchte, bleibt jedoch der Experimentierfreude eines jeden Einzelnen überlassen.

Fazit

Alle Gesellschafter einer Limited, die für einen harten Brexit bislang noch nicht vorgesorgt haben, müssen jetzt handeln. Faktisch dürften sich ihre Handlungsoptionen mittlerweile auf einen Asset Deal und das Anwachsungsmodell beschränken. In jedem Fall muss individuell sowie unter Berücksichtigung aller gesellschafts-, steuer- und arbeitsrechtlicher beziehungsweise regulatorischer Aspekte geprüft werden, welcher Weg geeignet ist.

Am 29. Januar 2021 lesen Sie hier und im Titelthema des DATEV magazin 02/2021 mehr zum Brexit und den Auswirkungen auf deutsche Unternehmen, zur Umsatzsteuer und dem deutsch-britischen Verhältnis.

Zu den Autoren

KH
Karin Heydari

Rechtsanwältin und Counsel bei der internationalen Wirtschaftskanzlei Simmons & Simmons LLP am Standort in Düsseldorf. Sie ist auf nationale und internationale M&A-Transaktionen, Joint Ventures, gesellschaftsrechtliche Umstrukturierungen sowie allgemeine wirtschaftsrechtliche Beratung spezialisiert.

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CBM
Dr. Christian Bornhorst, LL.M

Rechtsanwalt und Partner bei der internationalen Wirtschaftskanzlei Simmons & Simmons LLP am Standort in Düsseldorf. Er ist spezialisiert auf internationale M&A- und insbesondere Private Equity Transaktionen, Joint Ventures, Restrukturierungen sowie die Beratung von Gesellschaftsorganen.

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