Des deutschen liebstes Kind ist in Ungnade gefallen. Die gesamte Diesel-Problematik hat der deutschen Automobilindustrie viel an Reputation gekostet. Hoffnung machen da moderne Antriebstechniken, die auf dem Vormarsch sind, und ebenso Bestrebungen der Politik, dem Verkehrschaos – vor allem im Innenstadtbereich wirkungsvoll zu begegnen.
Im Sommer 1990, dem Jahr der Wiedervereinigung, machte sich ein ostdeutscher Familienvater mit seiner Gattin und Tochter auf, um in einem Trabant auf den Spuren Goethes von Bitterfeld nach Neapel zu reisen. Auf dem Kofferraumdeckel stand der von Goethe übermittelte Spruch: „Neapel sehen und sterben“. Etwas melancholisch mag sich der ein oder andere an diese Filmkomödie („Go Trabi, go“) erinnern, angesichts des Verkehrsaufkommens knapp dreißig Jahre später. 3.215 Verkehrstote errechnete der ADAC für 2017, die Neapel nicht erreichten, sondern hierzulande starben, auf deutschen Straßen. Im gleichen Jahr kam es laut ADAC zu 723.000 Staus allein auf deutschen Autobahnen.
Rollende Computer und Roboterautos
Mit Blick auf überfüllte Straßen sowie das tägliche Verkehrsaufkommen in Ballungszentren mutet die Überschrift des Beitrags fast an wie Hohn und es ist wohl nur ein schwacher Trost, dass die neueren Fahrzeuge inzwischen rollende Computer sind mit mehr als 50 Steuergeräten sowie einer Rechnerleistung von 20 modernen PCs. Seit Ende März müssen die neu genehmigten Fahrzeugmodelle in Europa zudem über das Notrufsystem „Ecall“ verfügen, womit der Wagen dann eigenständig die „112“ wählen kann. Längst keine Vision mehr ist das selbstfahrende Roboterauto. Verlockende Aussicht, während der Fahrt lesen zu können, am Laptop zu arbeiten oder gar etwas zu schlafen. Wo doch der Mensch im Schnitt vier Jahre und einen Monate seines Lebens im Auto verbringt. Gleichwohl sollte man beim autonomen Fahren weiter mit Bedacht vorgehen. Kam es in Arizona doch jüngst zu einem tödlichen Unfall durch ein Roboterauto. Der Tod eines Menschen sollte ein Warnschuss sein, denn der Schutz des Menschen muss immer Vorrang haben vor jeder neuen Technologie. Autonome Fahrzeuge sollen das Unfallrisiko minimieren, das muss man von einer Technik, die Sicherheit verspricht, erwarten können. Kalifornien will trotz des Unfalls Roboterautos auf öffentlichen Straßen erlauben. Gleiches gilt für China und die Straßen Pekings.
Ein hart umkämpfter Markt
So mancher hierzulande mag daher ganz froh sein, dass wir der Konkurrenz aus Übersee beziehungsweise Fernost noch hinterherhängen, zumal Roboterautos ja auch Arbeitsplätze bedrohen, wie etwa die der LKW-Fahrer oder Bus- und Taxifahrer. Gerade die Taxi-Branche steht vor schweren Zeiten. Der BGH gab grünes Licht für die Rabatte von MyTaxi, ein Unternehmen des Daimler-Konzerns. Und auch die Fahrdienst-App von Uber plant ein neues Geschäftsmodell für Deutschland. Der Fahrdienstvermittler Uber will in Berlin einen Teil seiner Flotte unter Strom setzen. Weitere deutsche Städte sollen folgen. Die Automobil- beziehungsweise Verkehrsbranche ist und bleibt ein hart umkämpfter Markt, wie auch der aktuelle US-Protektionismus zeigt, der mit Einfuhrzöllen den internationalen Absatz deutscher Autobauer verhindern soll. Des deutschen liebstes Kind hat also nicht nur ein schönes, sondern auch ein hässliches Gesicht.
Der Diesel-Betrug
Dieses Gesicht zeigte sich auch beim Abgas-Skandal. Der Diesel-Betrug verdient eine gerechte Strafe, das glauben viele. Warum auch sollen die geschädigten Autobesitzer hierzulande in die Röhre schauen, während die Konzerne Milliarden verdienen und auch deren Manager kassieren? Hilfe für geprellte Verbraucher verspricht die sogenannte Sammelklage, die seit Anfang November dieses Jahres in Kraft ist. Schon deutlich weiter sind die Kapitalanleger, die den VW-Konzern in Niedersachsen oder Baden-Württemberg verklagen, je nachdem welcher Natur ihre Aktie ist.
Abgesang auf den Dieselmotor
Davon zu trennen ist das „Diesel-Urteil“ des Bundesverwaltungsgerichts. Danach sind Fahrverbote ausnahmsweise zulässig. Zwar sind die Selbstzünder nicht allein schuld an der Misere in den Innenstädten, gleichwohl aber brechen für Diesel-Fahrer harte Zeiten an. Die Autohändler glauben zwar noch fest an diese Technologie, denn für Gewerbetreibende scheint sie nach der Shell Nutzfahrzeug Studie 2016 alternativlos zu sein. Die Verkaufszahlen gehen aber zurück. Zwar wäre der Diesel durch Umrüstungen noch zu retten, aber das erscheint unrentabel. Die Konsumenten jedenfalls haben längst begonnen, sich von dieser Technologie abzuwenden. Mit Blick auf den Restwert der Fahrzeuge drohen Milliardenschäden für Autofahrer und Hersteller.
Blaue Plakette und Fahrverbote
Die Politik versucht zu retten, was wohl nicht mehr zu retten ist. Die vorgeschlagenen Maßnahmen reichen von Umstiegsprämien und Anreizen zum Kauf umweltfreundlicher Autos, einer Blauen Plakette sowie dem Nachrüsten betroffener Fahrzeuge auf Kosten der Besitzer bis hin zur Förderung von Batterieproduktionen für E-Autos. Sogar eine „Diesel-Steuer“ für die zu erwartende finanzielle Brexit-Lücke und Gratistickets im Nahverkehr für Busse und Bahnen wurden diskutiert. Generelle Fahrverbote sind in diesem Zusammenhang als ultima ratio anzusehen. Erste Fahrverbote gibt es schon in Hamburg und ab dem kommenden Jahr in Stuttgart. Die deutschen Unternehmen reagieren weiter gelassen und halten bei ihrer Dienstwagenflotte noch am Diesel fest. Experimente mit E- oder Hybrid-Autos gibt es kaum.
E-Mobilität stottert weiter
Bei der deutschen Post besitzen allerdings von 49.000 Zustellfahrzeugen bereits 5.000 einen Elekroantrieb. Bedauerlicherweise stößt die E-Auto-Prämie immer noch auf verhaltenes Interesse und das Geld droht zu verfallen. Hoffnung macht, dass sich wenigstens die Branchenvertreter bewegen. So hat der VW-Aufsichtsrat ein großes Investitionsprogramm zur E-Mobilität beschlossen – quasi als Antwort auf die Entwicklungen bei Tesla, während der japanische Hersteller Toyota das Aus der Diesel-Antriebstechnik in Europa zum Jahresende verkündete. Und Shell, Europas größter Ölkonzern, beteiligt sich mittlerweile am Ladennetz gleich mehrerer Autokonzerne – Strom laden, statt Sprit tanken. Ob sich die Elektrizität als Triebkraft durchsetzen kann, wird man sehen, bis zum Wasserstoff als Antriebsenergie ist es jedenfalls noch ein weiter Weg.
Fahrrad-Highways in den Städten
Schnell fahren und schnell beschleunigen können sie jedenfalls, die E-Autos und das Ganze praktisch völlig lautlos. Das Verkehrschaos in vielen Städten können aber auch sie nicht auflösen. Hier muss die Politik reagieren und nach dem Vorbild von London, Kopenhagen oder New York für exklusive Fahrrad-Highways sorgen. Zur Freude der Radfahrer zieht die Politik auch hierzulande nach und stellt nun entsprechende Förderprogramme bereit. Doch der Boom der E-Bikes könnte vorbei sein, bevor er richtig begonnen hat, denn die EU plant eine spezielle Versicherungspflicht für Elektro-Fahrräder einzuführen.