Geerbte Immobilien - 27. Februar 2025

Ein Hauen und Stechen

Wenn eine Erbengemeinschaft darüber nachdenkt, die Familienimmobilie zu veräußern und, falls ja, zu welchem Preis, ist Streit vorprogrammiert. Oft sind auch noch Pflichtteilsberechtigte abzufinden – mit jeweils ganz eigenen Vorstellungen zum Wert des Anwesens.

Es gibt viele Gründe, weshalb sich Erbinnen und Erben nicht auf einen gemeinsamen Weg zur Auflösung einer Erbengemeinschaft einigen können. Ganz oben auf der Streitskala befindet sich mit knapp 35 Prozent die gemeinsam geerbte Immobilie. Entweder bestehen zwischen den Miterben unterschiedliche Ansichten darüber, wie die Immobilie genutzt werden soll. Oder man streitet über den Wert der Immobilie. Hinzu kommt oft noch, dass auch andere Stakeholder mitmischen und den Wert des Anwesens ganz unterschiedlich bewerten. Das Finanzamt etwa setzt ihn gerne hoch an, während die Bank das Haus mit einem niedrigen Wert ansetzt. Ein Makler wiederum liegt noch über dem Wert des Finanzamts und ein Sachverständiger irgendwo dazwischen.

Pflichtteilsberechtigte

Viele Erbengemeinschaften sehen sich auch Zahlungsansprüchen von übergangenen oder enterbten nahen Angehörigen ausgesetzt. Hier stellt sich ebenfalls die Frage, von welchem Immobilienwert auszugehen und auf welchen Zeitpunkt dabei abzustellen ist. Wurde das Anwesen bereits veräußert, bevor der Pflichtberechtigte abgefunden wurde, ist unklar, ob das Wertgutachten des Sachverständigen bezogen auf den Zeitpunkt des Erbfalls oder der spätere Kaufpreis als Immobilienwert zugrunde zu legen ist.

Urteil des BGH

Dabei gilt auch im Erbrecht der Grundsatz, dass es für die Wertermittlung entscheidend auf den Stichtag ankommt – und zwar auf den Erbfall und nicht auf den Moment des Verkaufs. Doch wie ist zu entscheiden, wenn die Immobilie zum Zeitpunkt, in dem ein Pflichtteilsberechtigter die Wertermittlung zur späteren Berechnung seines Abfindungsanspruchs beantragt, bereits verkauft wurde? Macht nichts, entschied der Bundesgerichtshof (BGH), die Wertermittlung wird trotzdem durchgeführt (Az. IV ZR 328/20).

Schwankungen bei Wertgutachten

In dem zugrunde liegenden Fall hatte der Erblasser mehrere Erben mit einem Grundstück bedacht. Für das Anwesen gab es verschiedene Wertgutachten, die zwischen 58.000 und 245.000 Euro schwankten. Die Erben veräußerten das Grundstück schließlich für 65.000 Euro. Die Tochter des Erblassers bekam als Pflichtteil rund 33.400 Euro. Dennoch wollte sie unabhängig von der Veräußerung den Verkehrswert des Grundstücks zum Zeitpunkt des Erbfalls ermitteln lassen. Das lehnten die Erben ab.

Verschwenderische Erben sollen ausgebremst werden

Dass das Grundstück bereits verkauft worden war, ändere an dem Anspruch nichts, befanden die Karlsruher Richter. Denn andernfalls könne ein Pflichtteilsberechtigter nicht nachweisen, dass der Verkaufserlös nicht dem Verkehrswert entspricht. Das Urteil ist aus Sicht der Praxis zu begrüßen. Denn auch bei einem frühen Verkauf muss gewährleistet sein, dass die Immobilie nicht weit unter Wert veräußert wurde. Stünde einem Pflichtteilsberechtigten kein Wertermittlungsanspruch zu, hätte es die Erbengemeinschaft in der Hand, über einen geringen Verkaufserlös die Höhe von Pflichtteilsansprüchen zu regulieren. Der Pflichtteilsberechtigte tue deshalb gut daran, zunächst einmal über das Grundbuchamt Akteneinsicht zu nehmen und dort die Verkaufsurkunden durchzulesen.

Jahresgrenze beachten

Nach wie vor höchstrichterlich ungeklärt ist die Frage, ob es entscheidend auf den erzielten Kaufpreis oder das stichtagsbezogene Sachverständigengutachten ankommt. Hier könnte § 198 Abs. 3 Bewertungsgesetz weiterhelfen. Dort heißt es: „Als Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts kann ein im gewöhnlichen Geschäftsverkehr innerhalb eines Jahres vor oder nach dem Bewertungsstichtag zustande gekommener Kaufpreis über das zu bewertende Grundstück dienen, wenn die maßgeblichen Verhältnisse hierfür gegenüber den Verhältnissen am Bewertungsstichtag unverändert sind.“ Jedenfalls die Finanzbehörden stellen in der Praxis bei der Festsetzung der Erbschaftsteuer regelmäßig nur dann auf einen erzielten Kaufpreiserlös ab, wenn dieser innerhalb eines Jahres nach dem Tod des Erblassers erzielt wurde. Werterhöhend kann es sich dann innerhalb der Jahresfrist auswirken, wenn die Immobilie nach dem Tod des Erblassers saniert, entrümpelt oder instand gesetzt wurde. Auch gestiegene Bodenrichtwerte können einen höheren Kaufpreis bewirken. Diese dürfen dann aber nach dem Bewertungsgesetz nicht bei der Wertermittlung zugrunde gelegt werden, weil sich die maßgeblichen Verhältnisse verändert haben. Deshalb darf die Stichtagsregelung nicht durch eine zeitliche Streckung der Verkaufsphase aufgeweicht werden. Eine Entscheidung des BGH zu dieser Frage wäre wünschenswert.

Kompromissbereit sein

Man kann die Mitglieder einer Erbengemeinschaft nur davor warnen, sich angesichts unterschiedlicher Beträge aus der Ruhe bringen zu lassen. Immobilienbewertungen sind stets eine Momentaufnahme. Denn der Markt verändert sich fortlaufend und damit auch der Immobilienwert. Wenn die Erben das nicht akzeptieren, entsteht schnell Streit in der Erbengemeinschaft. Deshalb ist jedem Erben zu empfehlen, sich beim Immobilienwert nicht vorschnell festzulegen. Folglich macht man sich mit einem starren Preisanker im Kopf das Leben unnötig schwer. Daher sollte sich ein jeder Erbe in die Rolle der verschiedenen Immobilienbewerter vom Makler über den Sachverständigen bis hin zum Finanzamt hineinversetzen und aus der jeweiligen Perspektive hinterfragen, was die eigene Immobilie wert ist. Das schafft gedankliche Flexibilität und hilft der Erbengemeinschaft, mit einem potenziellen Käufer einen Kompromiss zu finden. Sturköpfe müssen dagegen nachsitzen und brauchen oft Jahre, bis die Erbengemeinschaft aufgelöst ist.

MEHR DAZU

Kompaktwissen Beratungspraxis „Bewertung von Unternehmen und Immobilien für die Erbschaftsteuer“, 3. Auflage

Ermittlung von Bodenrichtwerten unter www.datev.de/bodenrichtwerte

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Zum Autor

MG
Manfred Gabler

Betriebswirt und Geschäftsführer der ErbTeilung GmbH in Weilheim

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