Grunderwerbsteuer - 19. Dezember 2024

Ein erster Schritt

Durch das Jahressteuergesetz 2024 wird ein umstrittener Erlass der Finanzbehörden zur Grundstückszurechnung korrigiert. Bei der Signing-Closing-Problematik besteht aber weiterhin die Gefahr einer Doppelbesteuerung.

Im Referentenentwurf zum Jahressteuergesetz 2024 (JStG 2024) vom 8. Mai 2024, übernommen durch den Regierungsentwurf vom 4. Juni 2024, ist erstmalig eine gesetzliche Regelung zur grunderwerbsteuerlichen Zurechnung von Grundstücken bei Share Deals vorgesehen. Damit wird der relativ neue und bereits sehr umstrittene Zurechnungserlass der Finanzverwaltung vom Oktober 2023 (Oberste Finanzbehörden der Länder vom 16.10.2023 –S 4501 BStBl 2023 I S. 1872) korrigiert. Der Entwurf des JStG 2024 wurde am 18. Oktober 2024 vom Bundestag angenommen. Der Bundesrat hat am 22. November 2024 dem JStG 2024 zugestimmt.

Hintergrund

Das Grunderwerbsteuergesetz enthält bisher keine Regelung darüber, wann ein Grundstück einer Gesellschaft für grunderwerbsteuerliche Zwecke zuzurechnen ist. Die Auslegung des Begriffs erfolgte daher notwendigerweise durch die Finanzverwaltung und Rechtsprechung, was bedeutsam für die Frage ist, für welche Grundstücke im Zeitpunkt der Anteilsübertragung Grunderwerbsteuer entsteht. Bereits im Zuge der großen Grunderwerbsteuerreform zum 1. Juli 2021 formulierten die obersten Finanzbehörden der Länder in den Erlassen vom 10. Mai 2022 zu § 1 Abs. 2a und 2b Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG) unter Übernahme der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) die Auffassung über die maßgebliche Grundstückszurechnung aus Verwaltungssicht. Demnach gehören zum Vermögen einer Gesellschaft die Grundstücke, die ihr grunderwerbsteuerlich zuzurechnen seien. Es komme nicht auf das zivilrechtliche Eigentum oder die bewertungsrechtliche Zurechnung an. Ein Grundstück gehöre der Gesellschaft, wenn es ihr im Zeitpunkt der Anteilsübertragung aufgrund eines unter § 1 Abs. 1, 2, 3 oder 3a GrEStG fallenden Erwerbsvorgangs grunderwerbsteuerlich zuzurechnen sei. Ein Grundstück gehöre nicht mehr zum Vermögen der Gesellschaft, wenn es zwar noch in ihrem Eigentum stehe beziehungsweise ihr bewertungsrechtlich zuzurechnen sei, es aber vor Entstehung der Steuerschuld Gegenstand eines Veräußerungsvorgangs im Sinne des § 1 Abs. 1, 3 oder 3a GrEStG war. Bei genauer Betrachtung dieser Aufzählung fällt auf, dass die Abs. 2a und 2b weggelassen wurden. Das liegt an der gesetzlichen Fiktion des Erwerbs eines Grundstücks durch eine neue Gesellschaft, die dann selbst Steuerschuldner ist, wenn sich die Anteilseigner zu 90 Prozent oder mehr geändert haben. Damit ist eine abweichende (fiktive) Grundstückszurechnung im Fall dieser beiden Tatbestände bei einer anderen Partei als der Grundstücksgesellschaft selbst nicht möglich. Anders verhält es sich bei der Anteilsvereinigung in einer Hand nach § 1 Abs. 3 und 3a GrEStG. In diesen Fällen wird das Grundstück (fiktiv) dem Erwerber sämtlicher Anteile zugerechnet. Rein zivilrechtlich handelt es sich in beiden Fällen weder um eine neue grundbesitzende Gesellschaft noch um eine Änderung der Eigentumsverhältnisse am Grundstück. Vielmehr dient die Gesetzesfiktion der Besteuerung der Möglichkeit, ein Grundstück wirtschaftlich wie ein Eigentümer zu beherrschen und zu verwerten, weil durch den Erwerb der Anteile an der grundbesitzenden Gesellschaft Verfügungsmacht über deren Vermögen erlangt wird. Entsprechend wird ein Grundstückserwerb durch den Anteilserwerber fingiert. Mit den Ergänzungstatbeständen sollen Steuerumgehungen, die andernfalls durch Einschaltung von Personen- und Kapitalgesellschaften möglich wären, verhindert werden.

Zurechnungserlass von Oktober 2023

Im Oktober 2023 reagierten die obersten Finanzbehörden der Länder auf die komplexe BFH-Rechtsprechung der letzten Jahre mit einem gleichlautenden Anwendungserlass, der sich ausschließlich mit der Grundstückszurechnung bei Anteilsübertragungen befasst. Dieser sorgte für erhebliche Kritik, weil die Finanzverwaltung darin die BFH-Rechtsprechung zwar größtenteils korrekt umsetzt, andererseits aber von den höchstrichterlich entwickelten Grundsätzen abweicht, indem sie unter bestimmten Voraussetzungen eine Doppelzurechnung desselben Grundbesitzes anordnet und damit eine doppelte Besteuerung ermöglicht. Eine fiktive Zurechnung des Grundstücks der Tochtergesellschaft bei der Mutter ist nach dem Erlass möglich, wenn diese einen Ergänzungstatbestand nach § 1 Abs. 3 GrEStG erfüllt hat, also mindestens 90 Prozent der Anteile einer grundbesitzenden (Tochter-)Gesellschaft vereinigt hat. Im Ergebnis werden beide Gesellschaften als grundbesitzend behandelt mit der Folge, dass eine weitere einzelne Anteilsübertragung im Umfang von 90 Prozent zwei Mal Grunderwerbsteuer auslösen kann. Die damit einhergehende Doppelbesteuerung sorgt in der Praxis für Kritik unter dem Gesichtspunkt des Verstoßes gegen das verfassungsrechtlich verankerte Übermaßverbot. Die Tatsache, dass der JStG-Entwurf mit der Neuregelung der Grundstückszurechnung bereits Anfang Mai 2024 veröffentlicht wurde, zeigt, dass der Gesetzgeber es für notwendig hält, die Frage der Grundstückszurechnung zeitnah per Gesetz zu regeln, um der verfassungsrechtlich bedenklichen Ansicht der Finanzverwaltung entgegenzutreten. Der Erlass gilt noch in vollem Umfang bis zum Inkrafttreten des Jahressteuergesetzes (voraussichtlich Ende Dezember) und dürfte danach nur insoweit anwendbar bleiben, als er mit der gesetzlichen Neuregelung nicht im Widerspruch steht. Es wäre daher wünschenswert, der Erlass würde von den obersten Finanzbehörden der Länder geändert oder aufgehoben.

Regelung im JStG 2024

Im Gegensatz zur bisherigen Rechtslage soll die Verwirklichung eines Ergänzungstatbestands des § 1 Abs. 3 oder Abs. 3a GrEStG nach dem neu formulierten § 1 Abs. 4a GrEStG nicht zu einer Veränderung der Zugehörigkeit führen, sodass in diesem Bereich keine Doppelzugehörigkeit eines Grundstücks zum Vermögen zweier Gesellschaften mehr erfolgt. Ein Grundstück soll demnach zum Vermögen der Gesellschaft gehören, die zuletzt einen Grundtatbestand nach § 1 Abs. 1 GrEStG über das Grundstück, etwa durch Kauf, verwirklicht hat, wenn und solange keine Rückgängigmachung des Erwerbs nach § 16 Abs. 1 GrEStG erfolgte. Ein Grundstück soll aber auch dann zum Vermögen einer anderen Gesellschaft gehören, wenn diese an dem Grundstück die Verwertungsbefugnis nach § 1 Abs. 2 GrEStG innehat.

Bedeutung für die Praxis

Nach der Begründung im JStG-Entwurf dient die Neuregelung der Vereinfachung des Rechts sowie der Schaffung von Rechtssicherheit und -klarheit. Sie erfüllt diese Aufgabe insoweit, als sie den bedenklichen Regelungsinhalt des Erlasses negiert. Zu beachten ist allerdings, dass damit die Möglichkeit einer Doppelzurechnung nicht vollständig beseitigt wird. Nach dem neuen § 1 Abs. 4a GrEStG kann ein Grundstück sowohl der Gesellschaft, die es durch Kauf erworben hat, als auch der Gesellschaft, die die Verwertungsbefugnis an diesem Grundstück hat, gleichzeitig zugerechnet werden. Das steht erneut im Widerspruch zur BFH-Rechtsprechung, die der Zurechnung aufgrund der Verwertungsbefugnis, etwa bei Treuhandstrukturen, den Vorrang einräumt. Damit ist das Risiko einer doppelten Zurechnung und einer damit einhergehenden Doppelbesteuerung zwar deutlich geringer, aber nicht vollständig beseitigt. Die vorgesehene Neuregelung im GrEStG bringt eine Erleichterung der Gestaltung von Anteilsübertragungen an grundbesitzenden Gesellschaften, insbesondere bei komplexen Konzernstrukturen. Nach Inkrafttreten des JStG 2024 entfällt die Prüfung, ob neben den tatsächlich grundbesitzenden Gesellschaften auch anderen Konzernmitgliedern Grundstücke fiktiv zuzurechnen sind, wenn diese 90 Prozent oder mehr der Anteile an den grundbesitzenden Gesellschaften halten.

Fazit und Ausblick

Mit dem neuen § 1 Abs. 4a GrEStG gelingt dem Gesetzgeber eine Regelung, die ausnahmsweise keine Verschärfung des geltenden Grunderwerbsteuerrechts darstellt. Handlungsbedarf besteht aber weiterhin in einem anderen Bereich der Share-Deal-Besteuerung, der bei den Steuerpflichtigen sowie Beraterinnen und Beratern unbeliebten Signing-Closing-Problematik. Diese Frage hängt mit der hier behandelten Verwirklichung einer Anteilsvereinigung nach § 1 Abs. 3 GrEStG zusammen. Wann § 1 Abs. 3 GrEStG erfüllt ist, hängt nämlich unter anderem davon ab, ob das Signing, also der Abschluss des Anteilskaufvertrags, sowie das Closing, also die dingliche Anteilsabtretung, gleichzeitig stattfinden oder zeitlich auseinanderfallen. Ist Letzteres der Fall und werden beide Rechtsakte nicht innerhalb der gesetzlich vorgesehenen, knappen Frist von zwei Wochen dem Finanzamt angezeigt, sind die Finanzbehörden nach § 16 Abs. 4a und Abs. 5 GrEStG berechtigt und nach den gleichlautenden Erlassen der Länder zur Anwendung des § 1 Abs. 3 GrEStG vom 5. März 2024 sogar verpflichtet, zu beiden Stichtagen jeweils Grunderwerbsteuer festzusetzen. Zwar dürften nach dem Inkrafttreten des JStG 2024 weniger fiktive Grundstücksübertragungen zu besteuern sein, aber die Signing-Closing-Problematik bleibt und stellt weiterhin ein erhöhtes Risiko für eine Doppelbesteuerung dar. Anders als bei der Grundstückszurechnung stehen der Gesetzgeber und die obersten Finanzbehörden in der Signing- Closing-Debatte auf derselben Seite. Da auch hier die Doppelbesteuerung eines einzigen Erwerbsvorgangs im Raum steht, sind hier allerdings dieselben verfassungsrechtlichen Bedenken zu adressieren. Im Unterschied zu der aktuellen Neuregelung eines bisher gesetzlich nicht normierten Bereiches müsste der Gesetzgeber allerdings nicht nur einer problematischen Verwaltungsansicht eine Absage erteilen, sondern vielmehr die eigene Gesetzgebung korrigieren und damit indirekt einen Fehler zugestehen. Ohne die Einschaltung des Bundesverfassungsgerichts scheint dies wenig realistisch. Eine Chance auf Wegfall dieser komplexen Handhabung besteht in der Umsetzung der geplanten Grunderwerbsteuerreform. Der bisher veröffentlichte Diskussionsentwurf sah diese Doppelbesteuerung nicht vor, ist allerdings an der Ablehnung einiger Bundesländer gescheitert. Mit einer umfassenden gesetzlichen Neuregelung ist voraussichtlich nicht vor 2027 zu rechnen.

MEHR DAZU

Kompaktwissen Beratungspraxis „Aktuelle Entwicklungen im Bilanzrecht und Steuerrecht“, 9. Auflage

Zu den Autoren

AL
Andreas Lichel

Steuerberater sowie Partner bei Forvis Mazars

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PO
Paulina Oster

Rechtsanwältin und Managerin bei Forvis Mazars

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