Energierecht - 23. Juni 2022

Den Klimaschutz im Fokus

Die Regierung plant erhebliche Änderungen der Rahmenbedingungen. So werden die Wettbewerbsvorteile durch eine besondere Ausgleichsregelung gestrichen und auch die Ökostromumlage entfällt. Im Gegenzug wird eine bundeseinheitliche Solarpflicht für Dächer von gewerblich genutzten Gebäuden kommen.

Seit dem 8. Dezember 2021 ist die Regierung aus SPD, Grünen und FDP im Amt. Bereits dem Koalitionsver­trag ließ sich entnehmen, dass die Koalitionäre zahlreiche Änderungen an den aktuellen energierechtlichen Rahmen­bedingungen vornehmen wollen. Mit Blick auf die Belas­tung durch Strompreise sowie den Ausbau erneuerbarer Energien zeichnen sich aktuell die nachfolgenden Ände­rungen ab, wobei für alle bekannten Gesetze und auch Ge­setzesvorschläge gilt, dass Bestandsgebäude nicht betrof­fen sind.

Abschaffung der EEG-Umlage

Bereits im Koalitionsvertrag einigten sich die Regierungs­parteien darauf, die EEG-Umlage (Ökostromumlage) spätes­tens zum 1. Januar 2023 in den Haushalt zu übernehmen. Dies bedeutet die Abschaffung des Wälzungssystems mit Umlage der EEG-Kosten auf die Letztverbraucherinnen und -verbraucher. Der Strompreis soll entlastet werden. Nach dem Osterpaket zum EEG (Erneuerbare-Energien-Gesetz) wird die EEG-Umlage nun bereits zum 1. Juli 2022 abge­schafft. Die Abwicklung der weiter bestehenden Kraft-Wär­me-Kopplungs-Gesetz-(KWKG)-Umlage und Offshore-Umla­ge wird in einem neuen Energie-Umlagen-Gesetz (EnUG) geregelt. Das Paket steht unter Beihilfe­vorbehalt. Das Bundesministerium der Fi­nanzen (BMF) hat die dafür erforderli­chen Mittel zugesagt. Die Abschaffung der EEG-Umlage lässt die Besondere Aus­gleichsregelung (BesAR) entfallen. Diese hatte stromkostenintensiven Unterneh­men, also Unternehmen, bei denen die vom Gesetzgeber vorgegebenen maßgeb­lichen Stromkosten ein bestimmtes Ver­hältnis zur Bruttowertschöpfung über­schreiten, die Begrenzung der EEG-Um­lage auf laufende Stromrechnungen ermöglicht, um Wettbe­werbsnachteilen vorzubeugen. Ab dem 1. Juli 2022 werden die Stromkosten für alle energieintensiven Unternehmen gleichermaßen entlastet.

Begrenzungsanträge stellen

Beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) können nun bis zum 30. Juni 2022 Begrenzungsan­träge gestellt werden, die sich auf die KWKG- und Off­shore-Umlage auswirken werden. Da die Antragstellung Beratungskosten sowie Kosten für ein Wirtschaftsprüfungs­testat verursacht, werden Unternehmen wegen der weitaus geringeren wirtschaftlichen Dimension der genannten an­deren Umlagen genau kalkulieren müssen, ob sich der Auf­wand zur Reduzierung dieser Umlagen in Zukunft noch lohnt.

Konsequenzen für KWK- und StromNEV-Begrenzung

Konsequenzen hat die Abschaffung der EEG-Umlage auch auf die Pflicht zur Einführung eichrechtskonformer Mess­konzepte. So müssen seit dem 1. Januar 2022 alle umlage­pflichtigen Strommengen mit einem Messkonzept eindeutig voneinander abgegrenzt werden. Das betrifft insbesondere von Dritten verbrauchte Strommengen, damit sichergestellt wird, dass eine reduzierte EEG-Umlage in Eigenversor­gungskonzepten (Photovoltaik-Anlagen, Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen) auch nur dem Betreiber dieser Anlagen selbst zugutekommt. Ohne EEG-Umlage – und in der Folge ohne Begünstigung der EEG-Umlage in Eigenversorgungs­konzepten – verlieren die bislang geforderten Messkonzep­te vor dem Hintergrund der Abgrenzung von Strommengen nach dem EEG an Relevanz.

Schnellerer Ausbau erneuerbarer Energien

Darüber hinaus enthält das Osterpaket weitere Änderungen im Rahmen der Novellierung des EEG. Mit der Novellierung sollen die Ausschreibungsmengen für erneuerbare Energi­en so erhöht werden, dass 2030 bereits 80 Prozent des erzeugten Stroms erneu­erbar sind. Gleichzeitig soll die Prognose für den Stromverbrauch im Jahr 2030 auf 715 Terawattstunden erhöht werden.

Mehr Flächen für Solaranlagen

Während die bundesweiten Pläne hierzu – mit Ausnahme eines Gesetzesvorschlags der Grünen vom August 2021 – noch in Ar­beit sind, sind einige Bundesländer schon weiter. Baden-Württemberg ist das erste Flächenland, das eine umfassende Solarpflicht beschlossen hat. Für gewerbli­che Neubauten gilt sie seit dem 1. Januar 2022, für Wohnge­bäude seit dem 1. Mai 2022. In Schleswig-Holstein ist seit dem 1. Januar 2022 eine Installation auf geeigneten Dachflä­chen beim Neubau sowie bei Renovierung von mehr als zehn Prozent der Dachfläche von allen Nichtwohngebäuden vorgeschrieben. In Berlin, Hamburg, Rheinland-Pfalz und Nie­dersachsen gelten ab 2023 unterschiedlich ausgestaltete Gesetze mit einer Solarpflicht. Weitere Länder haben eine Solarpflicht in Planung.

Ausschreibungen für größere Freiflächenanlagen

Auch nach Öffnung der Flächenkulisse für Freiflächenanla­gen werden Betreiber von neuen Photovoltaik-Freiflächenan­lagen mit einer Leistung von über 750 Kilowatt-Peak nur dann eine finanzielle Förderung nach dem EEG erhalten, wenn sie eine Ausschreibung gewinnen. Daneben bleibt das Recht der Anlagenbetreiber, den in ihren Anlagen erzeugten Strom ohne Inanspruchnahme einer finanziellen Förderung direkt zu vermarkten, unberührt. Direktvermarktungsverträ­ge sind vor allem in der Form von Power Purchase Agree­ments (PPA) oder Virtual Power Purchase Agreements (VPPA) zukunftsrelevant.

Zur Autorin

SS
Dr. Sabine Schulte-Beckhausen

Rechtsanwältin und Partnerin bei der WTS Group in Köln

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