Elektronische Rechnungen - 28. August 2014

Papier war gestern

Ein neuer Standard für elek­tro­nische Rech­nun­gen hat das Potenzial, die Papier­rech­nung ab­zu­lösen. Denn damit können nun auch Ein­gangs­rech­nungen weit­ge­hend auto­ma­ti­siert gebucht werden.

Der klassische Pendelordner ist immer noch die meist­ge­nutz­te Va­rian­te, um buch­füh­rungs­re­le­van­te In­for­ma­tio­nen vom Man­dan­ten zum Steu­er­be­ra­ter zu trans­por­tie­ren, da etwa 80 Pro­zent aller Rechnungen in Deutschland in Papierform erstellt und übermittelt werden. Bei den kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) liegt der Anteil noch deutlich höher.

Für Geldkonten und den Rechnungsausgang existieren bereits prak­ti­kable Au­to­ma­ti­ons­ver­fah­ren. Die Buchungen zum Rech­nung­saus­gang lassen sich teil­wei­se be­reits aus der Wa­ren­wirt­schaft oder dem Fak­tu­rie­rungs­pro­gramm exportieren, Kon­to­um­satz­da­ten werden di­rekt von der Haus­bank über das Re­chen­zen­trum an die Fi­nanz­buch­füh­rung über­mit­telt. Die noch fehlende Kon­tie­rung lässt sich durch Lern­da­tei­en, eine gewisse Kon­ti­nui­tät in den Ge­schäfts­be­zieh­un­gen des Mandanten vorausgesetzt, mit Trefferquoten von über 90 Prozent vorbelegen.

Ist-Zustand der Rechnungsbearbeitung

Die elektronische Übermittlung von Rechnungen ist öko­no­misch und öko­lo­gisch über­aus sinnvoll.

Beim Rechnungseingang hingegen steht die Zeit seit über 50 Jah­ren still. Lediglich die Jour­nal­buch­hal­tung ist weit­geh­end durch EDV-Sys­te­me ab­ge­löst wor­den, alle übrigen Prozesse bleiben am Pa­pier­do­ku­ment orien­tiert: Umschlag öffnen, Ein­gangs­stem­pel, Wei­ter­ga­be in den be­triebs­in­ter­nen Prüf­pfad, Abgleich mit Bestellung und Lieferschein, Überprüfung von Rabatt- und Zahlungskonditionen, Erstellung eines Zahlungsträgers oder Kon­trol­le der Last­schrift, Wei­ter­ga­be an den steuerlichen Berater, umsatzsteuerliche Prüfung, Kon­tie­rung, Ver­bu­chung, Rück­ga­be an den Mandanten und dort die Archivierung für zehn Jahre. Währenddessen wer­den oft mehrere Kopien gefertigt. Das Verfahren ist personalintensiv und fehleranfällig. Die Voll­kos­ten pro Ein­gangs­rech­nung in Papierform liegen bei 30 bis 50 Euro pro Rechnung.

Elektronische Rechnung – wer profitiert?

Die elektronische Übermittlung von Rechnungen ist öko­no­misch und öko­lo­gisch über­aus sinn­voll. Doch wer profitiert davon? Derzeit primär der Rech­nungs­aus­stel­ler, der erhebliche Kosten für Ausdruck, Kuvertierung und Versand einspart. Zudem werden elek­tro­ni­sche Rech­nun­gen im Durchschnitt früher beglichen und laufen seltener ins Mahnverfahren. Auf­seiten des Rech­nungs­emp­fän­gers ge­stal­tet sich die Ver­arbeitung elektronisch eingehender Rech­nun­gen im Ver­gleich zur Pa­pier­va­rian­te bislang nur selten effizienter: In über 80 Pro­zent der Klein­un­ter­neh­men wer­den elek­tro­n­ische Rechnungen ausgedruckt, händisch weiterbearbeitet und, ob­wohl nicht ge­setz­es­kon­form, als Aus­druck archiviert. Zwar lässt sich bei elektronischen und ge­scann­ten Pa­pier­rech­nun­gen mittels Texterkennung (OCR) jedes Zeichen maschinell verwertbar aus­lesen, dies kann aber we­gen der un­ter­schiedlichen Be­leg­auf­bau­ten und Beleg­qua­li­tä­ten nie bei 100 Pro­zent liegen.
Die Industrie kennt seit etlichen Jahren Standards zum Austausch von Rech­nungs­da­ten in struk­tu­rier­ter Form (EDI). Diese sind jedoch meist branchenspezifisch und erfordern auf Aussteller- und Empfängerseite eine Absprache über den zu verwendenden Standard und eine auf­wen­di­ge Sys­tem­ein­rich­tung. Ohne ein entsprechendes System kann die EDI-Rechnung weder gelesen noch verarbeitet werden.

ZUGFeRD

Im Forum elektronische Rechnung Deutschland (FeRD) haben sich Vertreter der Ver­wal­tung, zahl­rei­che Ver­bän­de und Unternehmen, hierunter auch die DATEV eG, zu­sam­men­ge­schlos­sen. Ziel ist, ein standardisiertes elektronisches Rech­nungs­format zu schaffen, das ei­ner­seits ohne Ab­spra­chen und mit minimaler technischer Ausstattung empfangen und gelesen werden, gleichzeitig aber – optional – digital weiterverarbeitet werden kann.
Das Ergebnis des Projekts ist ein Hybridmodell: Die ZUGFeRD-Rechnung (ZUGFeRD = Zen­tra­ler User Guide des Forums elektronische Rechnung Deutschland) ist dem Grunde nach ein PDF-Do­ku­ment, kann also mit jedem gängigen Betriebssystem visualisiert, gespeichert und aus­ge­druckt wer­den.
Dieses Dokument enthält in einem Anhang ein Doppel der Rechnung (§ 14 Abs. 4 UStG) in Form eines struk­tu­rier­ten Da­ten­satzes. ZUGFeRD-kom­pa­ti­ble Systeme können die Rech­nungs­da­ten oh­ne Medienbruch in der Be­leg­be­ar­bei­tung, im Zah­lung­sver­kehr, in der Fi­nanz­buch­füh­rung und für die Archivierung auslesen und verarbeiten. Verfügt der Rech­nungs­emp­fän­ger nicht über ei­ne sol­che Soft­ware, kann er die Rechnung wie jedes PDF-Dokument ansehen, ausdrucken oder spei­chern.

Technische Plattform

ZUGFeRD nutzt als Plattform den relativ jungen PDF/A-3-Standard, der durch eine Rei­he von Vor­ga­ben sicherstellt, dass die Dokumente auch auf künftigen, bislang nicht be­kann­ten Be­triebs­sys­te­men unverändert lesbar sind. Der PDF/A-3-Standard ermöglicht erstmals, andere Da­tei­en mit einem bestimmten Bezug zum PDF-Dokument anzuhängen. Bei der ZUGFeRD-Rech­nung wird eine Datei im XML-Format in das PDF eingebettet, die die Rechnungsdaten in struk­tu­rier­ter Form enthält. Dort steht beispielsweise vor dem Rechnungsdatum die ma­schi­nell les­ba­re An­wei­sung „IssueDateTime“, die das Ausstellungsdatum eindeutig und standardisiert vom Be­stell- oder Lie­fer­da­tum abgrenzt.

Verschiedene Profile

Der Berater ist gefragt, die Entwicklungen bei der elektronischen Rechnung zu ­erkennen.

Je nach gewünschtem Auto­ma­tions­grad der am Rech­nungs­aus­tausch Beteiligten stellt ZUGFeRD der­zeit drei Profile mit ver­schie­de­nen Struk­tu­rierungs­tie­fen zur Verfügung. Während das Basic-Profil nur die zur Verbuchung und zur Ein­lei­tung des Zah­lungs­ver­kehrs er­for­der­li­chen Min­dest­an­ga­ben beinhaltet, können im Ex­ten­ded-Pro­fil auch Be­stell­re­fe­ren­zen oder eigene und fremde Artikelnummern übermittelt werden. Dazwischen liegt das Comfort-Pro­fil, das alle Angaben zur finanzbuchhalterischen, digitalen und automatischen Verarbeitung ent­hält. Grundsätzlich gilt die Devise:
We­niger ist mehr. Denn alles, was strukturiert übermittelt und gespeichert wird, kann auch im Rah­men einer Betriebsprüfung maschinell ausgewertet werden.

Europäische Norm

Die Europäische Kommission fokussiert mit der Digitalen Agenda die Förderung di­gi­ta­ler Ab­läu­fe in der eu­ro­pä­ischen Wirtschaft. Zu den geplanten Maßnahmen zählen ins­be­son­de­re die Her­stellung einheitlicher rechtlicher Rahmenbedingungen für die Nutzung elek­tro­ni­scher Rech­nun­gen und die Erarbeitung eines einheitlichen Rechnungsdatenstandards. ZUGFeRD ist ein deut­sches Produkt, basiert aber auf europäischen Normen für elektronische Rechnungen und ist da­mit europaweit nutzbar. Das Projekt hat für eine Reihe anderer Mit­glied­staa­ten Re­fe­renz­cha­rak­ter und damit das Potenzial, zum europäischen Standard für elek­tro­ni­sche Rech­nun­gen zu werden. Ob sich das Format durchsetzen wird, hängt von der Akzeptanz durch Po­li­tik, Ver­wal­tung und Wirtschaft der anderen Mitgliedstaaten ab. Der eindeutige Wille der Politik ist erklärt und im Zuge der E-Government-Prozesse auch teilweise bereits gesetzlich ver­ein­bart.

Wann wird ZUGFeRD nutzbar?

Das ZUGFeRD-Format ist in der Version 1.0 seit dem 25. Juni 2014 nutzbar. Eine Reihe von Wa­ren­wirt­schafts- und ERP-Systemen sind bereits heute in der Lage, ZUGFeRD bei der Er­stel­lung von Ausgangs- und der Verarbeitung von Eingangsrechnungen zu nutzen. Die DATEV eG hat die­se Funktionalitäten in ihre Programme Rechnungswesen, Unternehmen online, DATEV DMS und DATEV Dokumentenablage implementiert und stellt diese mit der Herbst-DVD allen An­wen­dern zur Verfügung.

Praxis

Vorausgesetzt der Mandant hat entsprechende ZUGFeRD-kompatible Software im Ein­satz, könn­te sich der Rech­nungs­ein­gangs­pro­zess künf­tig so darstellen: Im Mandantenbetrieb wird eine ei­ge­ne E-Mail-Adresse für elektronische Rechnungen eingerichtet und den Lieferanten für den Rech­nungs­ver­sand mit­ge­teilt. Bei den unter dieser Adresse eingehenden E-Mails wird die an­hän­gen­de Rech­nung programmgesteuert in einem bestimmten Ordner abgelegt, den das Wa­ren­wirt­schafts­sys­tem laufend überwacht. Eingangsrechnungen werden so auto­ma­tisch mit der Be­stel­lung und den gespeicherten Konditionen abgeglichen und zur Zahlung freigegeben. Die Rechnung wird per Drag-and-drop ins Zahlungsverkehrsprogramm übergeben und erzeugt automatisch eine Terminüberweisung. Nach Wahl mit oder ohne Skonto. Parallel wird ein Bu­chungs­satz mit al­len Rech­nungs­in­for­mationen im Rechnungseingangsbuch erzeugt, der als Buchungszeile in die FIBU übernommen werden kann. Die Rechnung wird in einem separaten Archivverzeichnis oder schon bei Eingang im Dokumenten-Managementsystem hinterlegt. Je­der dieser Schritte kann wahlweise im Mandantenbetrieb oder über eine Re­chen­zen­trums­schnitt­stel­le beim Be­ra­ter abgebildet werden. Im Idealfall wird damit aus der rei­nen Bu­chungs­zei­le ein Full-Service-Produkt für die Bearbeitung von Eingangsrechnungen.

Fazit

Die antiquarischen Prozesse um Eingangsrechnungen sind überholt. Der Berater ist gefragt, die­se Entwicklung zu erkennen und sich frühzeitig darauf einzustellen. Hierzu sollte er ein ent­sp­re­chen­des Dienstleistungsangebot entwickeln. Das hierzu erforderliche tech­ni­sche Know-how kann durch entsprechend fortgebildete Mitarbeiter oder durch externe Ko­ope­ra­ti­on­s­part­ner vor­ge­hal­ten werden.
Es gilt für den Steuerberater, sich diesen revolutionären Prozessen frühzeitig zu stellen und Lö­sun­gen für die Kanzlei und den Mandanten zu implementieren. Denn diese Ver­än­de­run­gen der digitalen Prozesse sehen gewerbliche Anbieter als Chance, in den Steu­er­be­ra­ter­markt zu drän­gen und mit Steuerberatern gerade im Bereich der Finanz- und Lohnbuchhaltung in Kon­kur­renz zu treten.

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In­for­mie­ren Sie sich über das The­­ma ZUG­FeRD bei den ak­­tu­­el­­len Ver­­an­­stal­­tun­­gen des IT-Clubs.

Termine und An­­mel­­dung un­­ter
www.datev.de/it-club.

Speziell für Ihre in­­te­­res­­sier­­ten Man­­dan­­ten gibt es den Un­­ter­­neh­­mer-Club, wei­­te­­re In­­for­­ma­tio­­nen un­ter

www.datev.de/unterneh­mer-club

Wie die DATEV-Pro­­gram­­me elek­tro­­ni­­sche Rech­­nun­­gen im ZUGFeRD-For­­mat ver­­ar­­bei­­ten, er­­fah­­ren Sie im Bei­­trag „ZUG­FeRD-Stan­­dard in DATEV-Pro­­gram­­me in­­te­­griert“ auf Seite 37.

Zu den Autoren

Markus Gutenberg

Steuerberater, Fachberater für Heilberufe, beherrschender Sozius der Kanzlei Irnich & Gutenberg in Neuss, Mitglied des Aufsichtsrates der DATEV eG

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Hans-Jörg Stemmer

Rechtsanwalt und Steuerberater, Gründungspartner der Stemmer & Partner mbB Steuerberatungsgesellschaft in Oberhausen

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