Jahresabschluss und Bilanzdelikte - 28. Mai 2014

Nach Betrug fahnden?

Die Öffentlichkeit erwartet von den Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern, dass Betrugsfälle bei der Abschlussprüfung und der Jahresabschlusserstellung aufgedeckt werden. Es stellt sich die Frage, ob gezielt nach Delikten gesucht werden muss.

An den Arbeitsergebnissen der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer ist in der Regel nicht nur das beauftragende Management interessiert. Aufsichtsräte, Anteilseigner sowie Finanzbehörden, Banken oder Anleger gehen ebenfalls davon aus, dass sie einen zuverlässigen Blick auf den Vermögensstatus und die Ergebnisse von Unternehmen erhalten. Angesichts dieser Erwartungshaltung erscheint es sinnvoll, dass sich die Wirtschaftsprüfer potenziellen Vermögensdelikten betreuter Mandate professionell zuwenden. Zu dieser primär ethisch ableitbaren Pflicht gesellen sich einschlägige Standards, die eine kritische Grundhaltung gegenüber Angaben der Auftraggeber einfordern. Den dargestellten Erwartungen und Vorgaben an die Tätigkeit stehen einschlägige Merkmale typischer Vermögens- und Bilanzdelikte diametral entgegen.

Heimlichkeitsdelikte

Im Unterschied zu Fehlern oder Unzulänglichkeiten, die bei einer angemessenen Nachschau zutage treten, handelt es sich bei Vermögensdelikten oder Bilanzmanipulationen um Einflüsse, die gezielt mit mehr oder weniger Geschick bei der Erstellung beziehungsweise Prüfung der Jahresrechnung verborgen werden. Die steuerliche und prüferische Expertise soll mithin nicht zum Tragen kommen.

Persönlichkeitsdelikte

Selten werden betriebliche Prozesse oder Computer an der Strandbar karibischer Sonnenstaaten mit einem Cocktail auf die Früchte profitabler Vermögensdelikte anstoßen. Es sind vielmehr Menschen, Geschäftsführer wie Angestellte, die sich begünstigen. Dieses erfordert, abseits aller akademischen Erörterungen um Prozess- oder Einzelfallprüfungen, die Akzeptanz für Revisionen, die auf entsprechende Personen ausgerichtet sind.

Einzelfälle

Die fehlende Konvergenz zwischen Erwartungen an die Berufsträger und Merkmalen von Ver­mögens­delikten ist offensichtlich.

Wenngleich viele Veröffentlichungen zu Betrugs­delikten Gegen­tei­liges sug­ge­rieren, sind Ver­mögens­delikte Aus­nahme­sach­verhalte in einem ansonsten recht­schaf­fenen betrieb­lichen Umfeld. Ihre Merkmale mani­fes­tieren sich im Rech­nungs­wesen betroffener Unter­nehmen sowie in den buchungs­be­grün­denden Unterlagen oder Belegen lediglich in homöo­pathischen Dosen. Als Nadel im Heuhaufen erfordern sie vollständige Betrachtungen. Die fehlende Konvergenz zwischen Erwartungen an die Berufsträger und Merkmalen von Vermögensdelikten ist offensichtlich. Ohne Zweifel könnten diese sehr viel häufiger durch die Wirtschaftsprüfer aufgehellt werden, vorausgesetzt, die hierfür erforderliche Akzeptanz für vertiefte, auch an Personen orientierte Prüfungshandlungen wäre gegeben und das erforderliche Budget zur lückenlosen Prüfung würde bereitgestellt. Auch wenn sich der Optimismus für entsprechende Entwicklungen in Grenzen hält, gilt es gleichwohl, Revisionsansätze zu entwickeln, die zu einer Reduzierung der aufgeführten Erwartungslücke beitragen. Welches sind wirkungsvolle Optionen?

Beschränkung als Lösungsstrategie

Primärer Zweck einer Jahres­ab­schluss­prüfung ist es, den Angaben der be­trieb­lichen Rech­nungs­legung Ver­läss­lich­keit zu be­schei­nigen oder zu be­stä­tigen. Dies impli­ziert, dass nicht bereits ein Mani­pu­la­tions­verdacht im Vorder­grund steht. Dieses gilt ebenfalls nicht für Ver­mögens­delikte, die zwar die Ertrags­kraft eines Unternehmens schwächen, jedoch beispielsweise als Inventur­differenz im Anschluss an ein unentdecktes Dieb­stahl­vergehen ordnungsgemäß im Jahresabschluss verarbeitet wurden. Aus beidem ergibt sich, dass die Prüfer nicht a priori und gezielt nach allen möglichen Manipulationen der Rechnungslegung forschen müssen, sondern sich zweckorientiert beschränken können. Sie sind insoweit nicht polizeilichen oder steuerlichen Ermittlern gleichzusetzen. Ein an normalen Fehlerrisiken orientierter und auf Stichproben abgestimmter Prozess wäre angesichts der aufgeführten Betrugsmerkmale überdies völlig ungeeignet, um entsprechenden Taten mit hinreichender Sicherheit auf die Spur zu kommen.

IDW-Prüfungsstandard 210

Der IDW-Prüfungsstandard 210 (Zur Aufdeckung von Unregelmäßigkeiten im Rahmen der Abschlussprüfung) vermittelt Hinweise, um sich diesem Dilemma zu nähern. Hierzu gehören unter anderem der Verweis auf eine stringentere berufsübliche Skepsis, die besondere Berücksichtigung von Bereichen mit hohem Risikopotenzial (beispielsweise Umsatzrealisierung), eine Einbeziehung inhaltlicher und zeitlicher Überraschungsmomente während der Prüfung sowie die Fokussierung auf außergewöhnliche Geschäftsvorfälle, welche mit einer Aushebelung interner Kontrollen einhergehen. Entlang dieses Vorgehensmodells können Datenanalysen mittels Revisions-Software wirkungsvolle Unterstützung sowohl bei der Prüfung als auch bei der Erstellung leisten. Hierzu wurden in den letzten Jahren spezielle Ansätze entwickelt, die nachfolgend in einigen Beispielen vorgestellt werden.

Prüf-Software

DATEV stellt für prüferische Recherchen innerhalb betrieblicher Massendaten des Rechnungswesens ACL-Prüf-Software mit speziellen Zusatzfunktionen zur Verfügung, welche unter anderem die rasche Aufdeckung von Rechnungslegungsmanipulationen unterstützen. Dies folgt einem Trend, der, gefördert durch die digitale steuerliche Betriebsprüfung, weitgehend automatisiert nach Betrugsmustern innerhalb betrieblicher Daten forscht. Ein Betrugsmuster sind beispielsweise Buchungen zu ungewöhnlichen Zeitpunkten. Insbesondere im Bereich der Umsatzrealisation können Rechnungserfassungen oder Stornierungen zu beziehungsweise nach den Bilanzstichtagen auf Auffälligkeiten hindeuten, die mittels Prüf-Software zuverlässig zu identifizieren sind. Je nach Zwecksetzung und Fantasie betrieblicher Täter gehören zu auffälligen Konten- und Gegenkontenkombinationen Positionen des Geldverkehrs, welche direkt gegen Kostenkonten abgesetzt werden, typische Verschleierungsbuchungen auf selten abgestimmte Verrechnungskonten, innerbetriebliche Umlagerungen, welche die Gängigkeit von Warengruppen suggerieren, und weitere entsprechende Vorgänge. Durch das Splitten von Aufträgen, Bestellungen oder Zahlungsanweisungen sollen erforderliche Zweitunterschriften vermieden werden. Die Prüf-Software erkennt, wenn diese internen Kontrollen ausgehebelt werden sollen. Kunden bzw. Lieferanten, die ausschließlich für Bilanzmanipulationen sowie Vermögensdelikte und nicht im Rahmen üblicher betrieblicher Prozesse verwendet werden, sind an typischen Merkmalen erkennbar, die mit Prüf-Software ermittelt und im Rahmen eines Risiko-Rankings für nachfolgende manuelle Sichtungen bewertet werden können. Besonders schwer erkennbar sind dabei Manipulationen, bei welchen kleinere zu größeren Werten (Umsätze) oder umgekehrt (Kosten) transferiert werden. Im Allgemeinen fehlen Sollstellungen, welche erkennen lassen, in welchem Umfang beispielsweise kleinere, mittlere und größere Umsatzpositionen im Datenbestand eines Mandanten enthalten sein sollten. Ein Lösungsansatz mittels Prüf-Software besteht in logarithmischen Betrachtungen. Durch eine entsprechende – automatische – Umwandlung werden ansonsten inhomogene Umsatzbeträge in eine harmonische Gleichverteilung (logarithmische Normalverteilung) überführt, welche es nun ermöglicht, statistisch auf die Anzahl jeweils zu erwartender Umsatzpositionen in bestimmten Größenordnungen zu schließen. Stellt man diesen Werten deren tatsächliche Anzahl gegenüber, lassen sich beispielsweise bei hohen Umsatzpositionen auffällige Abweichungen identifizieren. Über die dargestellten speziellen Auswertungen hinaus ergeben sich durch digitale Plausi­bi­li­täts­be­ur­teilungen mithilfe von Kennzahlen und Branchen­ver­gleichen weitere Ansatz­punkte, die zu Bilanz­delikten führen. Insgesamt tragen solche Analysen in unterschiedlicher Weise zu einer besseren Erstellungs- und Prüfungsqualität bei. Zum einen wirken sie gemeinsam mit einem geschärften Kontroll­bewusstsein präventiv im Hinblick auf mögliche Manipulationen. Zum anderen sind sie dazu geeignet, eine möglichst umgehende Auf­deckung zu ermöglichen. Zuletzt sind sie ein Mittel, um die Jahres­ab­schluss­er­stellung, also auch die Abschluss­prüfung, nach einschlägigen Standards zu unterstützen.

Fazit

Die Wirtschaftsprüfer sind nicht die Bilanzpolizei der Unternehmen.

Die Wirtschaftsprüfer sind trotz gegen­teiliger öffent­licher An­mu­tungen nicht die Bilanz­polizei der Unter­nehmen. Angesichts der beson­deren Merkmale von rechnungs­legungs­relevanten Betrugs­handlungen sind für hierauf gerichtete spezielle Prüfungen im Rahmen der normalen Erstellungs­tätigkeit wie auch der Prüfung weder die Akzeptanz noch das Budget vorhanden. Gleichwohl bieten computer­ge­stützte Prüfungs­techniken die Möglichkeit, sich entsprechenden Fragestellungen wirksamer als bisher zuzuwenden. Sie sollten genutzt werden.

Mengenverteilung in logarithmischen Werteklassen

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Zum Autor

Roger Odenthal

ist geschäftsführender Gesellschafter einer Revisions- und Beratungsgesellschaft. Nach langjähriger Tätigkeit als Geschäftsführer und Vorstand verschiedener Prüfungsunternehmen liegen seine Schwerpunkte auf der Delikt- und IT-Revision. Er unterstützt namhafte Unternehmen und die Verwaltung bei deren Prüfungen. Als Autor zahlreicher Veröffentlichungen und Fachbücher vermittelt er seine Erfahrung in Fortbildungsveranstaltungen verschiedener Institutionen und Hochschulen.

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