Jobmotor Mittelstand - 28. August 2014

Mitten in der Mitte

Als Stütze der Gesellschaft wurde der deutsche Mittelstand schon früher bezeichnet. Heute ist er mehr als das: Er sorgt für Wachstum, Bewegung und Fachkräfte. Für Steuerberater der ideale Nährboden, um darauf zu wachsen.

Erreicht der DAX wieder die magische Marke von 10.000 und bleibt die deutsche Wirtschaft auf Erfolgskurs? Diese Frage beherrscht die Nachrichten. Tatsächlich aber sind es nicht Konzerne, die die Konjunktur antreiben, sondern der Mittelstand. Das sind kleine und mittlere Unternehmen, vor allem Handwerk, Handel, Industrie und viele Selbstständige, die oft als Freiberufler ihren Teil zum Wirtschaftswachstum beitragen. 3,65 Millionen Unternehmen nennt das Institut für Mittelstandsforschung (IfM) Bonn – 99,6 Prozent der Privatwirtschaft. Der Umsatz des deutschen Mittelstands liegt bei rund 2,1 Billionen Euro im Jahr. Damit ist der Mittelstand der wichtigste Markt für Steuerberater. Hier haben sie ihre meisten Mandanten aus der Wirtschaft und müssen neue gewinnen, wenn bisherige Kunden altersbedingt ausscheiden oder die Kanzleien wechseln.
Rund 60 Prozent der Beschäftigten arbeiten laut IfM in klein- und mittelständischen Unternehmen. „Der Jobmotor Mittelstand läuft“, stellt das Mittelstandspanel 2013 der KfW-Bankengruppe fest. Am stärksten boomt der Sozialmarkt: Die Freie Wohlfahrtspflege gehört laut der Studie Wirtschaftsfaktor Wohlfahrtsverbände der Deutschen Bank zu den größten Arbeitgebern in Deutschland und ist „in zukunftsrelevanten Märkten“ aktiv. Insgesamt über 1,54 Millionen Menschen beschäftigen Arbeiterwohlfahrt, Caritas, Deutsches Rotes Kreuz, Diakonie, Paritätischer Wohlfahrtsverband und die Zentralwohlfahrtsstelle der Juden. Seit 1970 hat sich die Zahl der Mitarbeiter in 102.000 Einrichtungen vervierfacht. Durch den zügigen Ausbau von Kindertagesstätten und Pflegediensten wächst die Branche weiter rasant. Nach Schätzungen der Deutschen Bank lag der Umsatz der Freien Wohlfahrtspflege in marktnahen Bereichen 2008 bereits bei 38 Milliarden Euro.
Das Handwerk, nach der Industrie die zweitwichtigste Branche der Wirtschaft, beeindruckt mit noch höheren Zahlen: Bedingt durch die meist kleinen Betriebe nennt der Zentralverband des Deutschen Handwerks im Jahresmittelstandsbericht 2014 über eine Million Unternehmen mit insgesamt 5,3 Millionen Beschäftigten. Zusammen erwirtschaften sie einen Umsatz von rund 600 Milliarden Euro.

Ganze Familie packt mit an

Du lebst vom Mittelstand, also stelle dich auch optimal auf dessen Bedürfnisse ein.

Eines der größeren Handwerksunternehmen ist die Jakob Kerker GmbH in Schwabmünchen bei Augsburg. 1983 vom Namensgeber gegründet, leitet heute dessen Sohn Manfred Kerker den Handwerksbetrieb für Sanitär, Heizung und Klima. 70 Mitarbeiter, darunter zwölf Auszubildende, tragen zum Jahresumsatz von 7,5 Millionen Euro bei. „Unsere Aufträge kommen zu je einem Drittel von Gewerbekunden, von Privatkunden und aus dem Bereich Service für alle Kunden“, berichtet der Handwerksmeister und Betriebswirt des Handwerks. Von Heizung und Bad im Einfamilienhaus bis zu kompletten Haustechniksystemen für Gewerbe und Industrie bietet die Jakob Kerker GmbH die gesamte Palette der Branche an. Mit dabei im Familienunternehmen ist Ehefrau Christine Kerker, die sich zusammen mit dem Steuerberater vor allem um die Finanzbuchführung und um die Vorbereitung der Lohnabrechnungen kümmert. Auch Außenstände gehören zu ihrem Bereich. „Doch dank von vornherein klar vereinbarter Abschlagszahlungen haben wir damit kein größeres Problem“, freut sich der Chef. Der jüngste Sohn, Sebastian Kerker, ist im dritten Lehrjahr zum Anlagenmechaniker, wird dann den Meister machen und irgendwann in dritter Generation das Unternehmen leiten.
Wie die Jakob Kerker GmbH, so arbeiten die meisten mittelständischen Firmen mit ihrem Steuerberater zusammen. Für Dr. Holger Stein, Präsident der Steuerberaterkammer Mecklenburg-Vorpommern, sind sie die wichtigsten selbstständigen Mandanten. Die Bandbreite in seiner Rostocker Kanzlei reicht vom kleinen Handwerksbetrieb bis zum mittelgroßen Unternehmen. „Ich besuche zum Beispiel morgens einen Mandanten mit zwei Beschäftigten, abends einen Hotelier, der fünf Häuser betreibt und 300 Leute beschäftigt.“ Auch angesichts der sich ändernden Mandantenstruktur müsse der Steuerberater neben den steuerlichen Dienstleistungen weitaus mehr bieten: „Er ist ein interdisziplinärer Coach, manchmal auch Seelsorger und Psychiater“, so Stein. Denn mittelständische Firmen sind meist auch Familienbetriebe – da hängt unternehmerisches und privates Handeln eng miteinander zusammen. „Ob es dem Mandantenbetrieb gut oder schlecht geht und wie es der Familie geht, der Steuerberater weiß meistens alles, und sein Rat ist gefragt“, berichtet der Experte. Da der Steuerberater selbst Mittelständler ist, lautet Steins Motto: „Du lebst vom Mittelstand, also stelle dich optimal auf dessen Bedürfnisse ein.“

Persönlicher Kontakt entscheidet

Doch wie gewinnt der Steuerberater neue mittelständische Mandanten? „Am besten über seine Arbeit und Aura“, weiß Holger Stein. Auch über Vereine, soziales und sportliches Engagement. Am besten fahre der Steuerberater zum neuen Mandanten erst mal in den Betrieb. „Er lernt so das Unternehmen und die Menschen, die dort etwas zu sagen haben, am besten kennen. Dabei erkennt er auch den grundsätzlichen Beratungsbedarf.“ Sein Kollege Armin Heßler vom Deutschen Steuerberaterverband stimmt ihm zu: „Ich besuche bestehende und neue mittelständische Mandanten regelmäßig im Betrieb. Sie freuen sich über den Besuch, viele einzelne Themen und Fragen ergeben sich am besten im Gespräch mit dem Unternehmer vor Ort.“ Das koste zwar einerseits Zeit, spare diese aber auch wieder ein, weil sich der Rechercheaufwand von der Kanzlei aus verringere, so der Experte, der sich intensiv mit Marketing in Steuerberatungskanzleien beschäftigt.
So wie die meisten Mittelständler vom Steuerberater mehr erwarten als Expertenhilfe, Steuererklärungen und Jahresabschlüsse, bevorzugen auch viele Kunden die Firma mit einer umfassenderen Leistung. Wie etwa bei der Jakob Kerker GmbH. Gleich mit dem Auftrag können die Kunden einen Servicevertrag abschließen. „Das ist mit zurzeit 1.800 Verträgen unser stärkster Wachstumsbereich“, freut sich Manfred Kerker. Ganzjährig und rund um die Uhr steht der Notdienst für plötzliche Systemausfälle bereit. „Innerhalb von zwei Stunden ist einer unserer Mitarbeiter vor Ort und behebt das Problem.“ Wenn etwa nachts in einer Bäckerei das Blockkraftheizwerk ausfällt, sorgt der Notdienst dafür, dass die Produktion nicht zu lange unterbrochen wird. Auch stark nachgefragt ist etwa das Bad aus einer Hand. Der Kunde bekommt ein Komplettangebot für alle Gewerke, wie Sanitär-, Heizung-, Klima-, Maurer-, Fliesenleger- und Schreinerarbeiten. „Die Federführung haben wir“, erklärt der Handwerksunternehmer.

Kurze Wege zur erfolgreichen Beratung

Der Unternehmer muss seinen Steuerberater erreichen können, wenn er Fragen oder ein Problem hat.

Wichtig für Handwerksunternehmer und andere mittelständische Mandanten ist, dass sie ihren Steuerberater möglichst schnell kontaktieren können. „Der Unternehmer muss seinen Steuerberater erreichen können, wenn er Fragen oder ein Problem hat“, sagt Holger Stein. In seiner Kanzlei mit 400 Mandanten laufen die Fragen zunächst im Büro auf. Er arbeitet sie ab und ruft noch am selben Tag beim Mandanten an.
Der Steuerberater kennt auch das Problem Fachkräftemangel im Mittelstand. Ältere Mitarbeiter scheiden aus, Auszubildende rücken wegen des demografischen Wandels nicht in ausreichender Zahl nach. So meldet der Jahresmittelstandsbericht 2014 mit 530.000 neuen Ausbildungsverträgen den niedrigsten Stand seit der Wiedervereinigung. „Wir beugen dem durch unsere seit einigen Jahren verstärkte Azubi-Förderung vor“, berichtet Manfred Kerker. Das Unternehmen bildet nicht nur weit überdurchschnittlich viele Lehrlinge aus. Die Firma motiviert die jungen Leute auch durch eine rund 15 Prozent höhere Vergütung, Fahrtkostenzuschüsse und hälftige Übernahme der Kosten für den Anhängerführerschein. Azubi-Tage mit kompaktem Unterricht und Spaßfaktor, wie ein Ausflug in den Klettergarten oder ein Duschentest beim Armaturenhersteller Grohe, gehören dazu. Besonders attraktiv: Immer ein Azubi im dritten Lehrjahr darf mit dem roten Firmen-MINI Cooper zu den Kunden fahren – für ihn cool und für die Kunden auch, die ein um 20 Prozent günstigeres Angebot beim „Azubi im Einsatz bekommen“. Das Modell hilft dem Unternehmen, seinen Fachkräftebedarf aus dem eigenen Nachwuchs zu decken.

Mittelstand für Energieeffizienz

Schließlich ist mit den steigenden Energiekosten die Energieeffizienz ein zunehmend wichtiges Thema der mittelständischen Wirtschaft. Viele kleine Handels- und Handwerksunternehmen haben hier noch Nachholbedarf, auch da es ihnen an vertrauenswürdigen Informationen und fachkundiger Unterstützung auf dem Weg zu einem sparsameren Energieverbrauch mangelt. Daher hat der Mittelstandsverbund ZGV in Berlin ein Beratungsprojekt initiiert. Bei der Aktion Mittelstand für Energieeffizienz kommen KfW-zertifizierte Energieberater in die Betriebe, um Schwachstellen und Einsparmöglichkeiten zu entdecken. Die Potenzialerhebung des Energieberaters vor Ort ist für den Mandanten kostenlos. Dabei werden vorhandene Einsparmöglichkeiten identifiziert. Liegen diese in ausreichendem Maße vor, kann eine weitere geförderte Initialberatung zur Konkretisierung vorgenommen werden. Um diese geförderten Beratungsleistungen zu erhalten, sind drei Kriterien zu erfüllen (zum Beispiel Netto-Energiekosten von mindestens 5.000 Euro p.a.).

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Mehr Informationen zum Beratungsprojekt vom Mittelstandsverbund ZGV unter www.mittelstand-fuer-energieeffizienz.de

Zum Autor

Harald Klein

ist auf Steuern, Recht und Finanzen spezialisierter Wirtschaftsjournalist für Handwerk und Mittelstand.

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