Schutz geistigen Eigentums - 28. November 2024

Opt-out-Lösung als Strategie?

Die rasante Entwicklung künstlicher Intelligenz hat einen erheblichen Einfluss auf verschiedenste Bereiche des alltäglichen Lebens. In rechtlicher Hinsicht stellt sich die Frage, wie der Zugriff auf urheberrechtlich geschützte Werke zu würdigen ist.

KI-Systeme durchforsten das Internet und werden mit hohen Datenmengen trainiert, zumeist durch eine Extrahierung aus dem Internet im Wege des sogenannten Scrapings. Aus diesen Datenmengen generiert die Technologie dann neue Daten, die dem Stil der Trainingsdaten ähneln und wodurch es – je nach Art des KI-Modells – zur Erzeugung von Bildern, Texten, aber auch von Musik kommen kann. Einen erheblichen Einfluss auf die Zulässigkeit derartiger generativer KI hat das Urheberrecht. Nicht nur das Arbeitsergebnis selbst, sondern schon die Nutzung von Daten zu Trainingszwecken kann rechtliche, insbesondere urheberrechtliche Fallstricke bergen. Denn schon der Trainingsvorgang geht in aller Regel mit einer rechtlich relevanten Vervielfältigungshandlung einher, die hierzulande als Eingriff in die urheberrechtlichen Nutzungs- und Verwertungsrechte der §§ 15, 16 Urheberrechtsgesetz (UrhG) gewertet werden kann und – soweit nicht gesetzlich ausnahmsweise freigestellt – grundsätzlich dem Zustimmungsvorbehalt der Urheberin beziehungsweise des Urhebers oder ihres/seines Rechteverwerters unterliegt.

Schutzschranke des § 44b

UrhG Ein durchsetzbares Recht aus § 16 UrhG kann der Rechteinhaber jedoch nur geltend machen, wenn die Nutzung nicht auch ohne eine Zustimmung des Rechteinhabers zulässig wäre. Das Recht zur Nutzung ohne Zustimmung des Rechteinhabers kann aber nur dann gegeben sein, wenn die konkrete Nutzungshandlung ausnahmsweise durch eine gesetzliche Schrankenbestimmung freigestellt wäre. Für die mit dem KI-Training einhergehende Vervielfältigungshandlung kann eine solche freistellende Bestimmung aufgrund der Schranke des sogenannten Text- und Data-Mining (TDM-Schranke), gesetzlich aus dem Unionsrecht herrührend und verankert in § 44b UrhG, in Betracht kommen. Dies ist Gegenstand der rechtlichen Diskussion. Während in den USA das KI-Datentraining anhand allgemeiner Regeln zumeist unter Rückgriff auf die in Europa so nicht existente, sogenannte Fair-Use- Doktrin gelöst wird, hält das europäische Urheberrecht mit der angesprochenen sondergesetzlichen Vorschrift eine konkrete Regelung bereit, die insoweit weniger flexibel ist, bislang jedoch weder in ihrem Anwendungsbereich noch in ihrem Umfang hinreichend deutlich differenziert und handhabbar ist. Nach der sogenannten TDM-Schranke ist die automatisierte Analyse von einzelnen oder mehreren digitalen oder digitalisierten Werken zulässig, um daraus Informationen insbesondere über Muster, Trends und Korrelationen zu gewinnen. Kernvoraussetzung hierfür ist lediglich, dass die Werke rechtmäßig, also ohne Rechtsverstoß, abrufbar sind, und zwar ungeachtet der Quelle. Nach der Vorstellung des Richtliniengebers ist es nämlich egal, ob die Werke rechtmäßig abrufbar gestellt worden sind oder die Quelle selbst Piraterieware liefert [ErwGr 14 der Richtlinie (EU) 2019/790 (DSM-RL)]. Der Nutzer soll alle ihm frei verfügbaren Inhalte speichern dürfen. Die derzeitig herrschende Auffassung in Deutschland und Europa fasst das Sammeln von Trainingsdaten auch für kommerzielle KI-Modelle unter diese Schranke. Erst jüngst hat das Landgericht Hamburg als erstes europäisches Gericht in seiner Entscheidung die Anwendbarkeit dieser Schrankenregelungen beim Scraping bejaht.

Gegenstimmen

Dem wird entgegengehalten, dass dies dem gesetzlichen Zweck und der Idee des TDM nicht wirklich entspreche, gerade auch weil zum Zeitpunkt der Normeinführung das Phänomen generativer KI noch gar nicht in der Praxis antizipiert war. Kritik besteht auch mit Blick auf die hinter der TDM-Schranke stehende wirtschaftliche Interessenlage. Die TDM-Schranke des § 44b Abs. 1 UrhG führt im Ergebnis nämlich auch dazu, dass – mit Ausnahme eines ausdrücklich erklärten, wirksamen Opt-outs – die Nutzung von urheberrechtlich geschützten Werken auch zur Schaffung von Konkurrenzprodukten zulässig wäre, und zwar, ohne dass dafür eine Vergütung für den Urheber anfallen würde. Im Gegensatz dazu könnte die Gewährung eines Verbots unter Ablehnung von § 44b UrhG, aber auch unter Berücksichtigung eines wirksamen Opt-outs, dazu beitragen, einen Markt für Lizenzen zu schaffen. Dies käme vor allem den Rechteinhabern zugute, die ihre Verwertungsinteressen so gegenüber der lizenzgebührenfreien Nutzung unter der TDM-Schranke berücksichtigt wüssten.

Urheberfreundliche Justiz

Traditionell ist die Rechtsprechung in Deutschland urheberfreundlich. Der Schutz des Urhebers, wie auch insgesamt der Schutz des geistigen Eigentums, hat in Deutschland sowohl auf Gesetzgebungsebene, aber auch in der Rechtsprechung der Gerichte aller Instanzen – berechtigterweise – ein besonderes Gewicht. Gerade auch aufgrund des Ausnahmecharakters der Norm des § 44b UrhG ist daher nicht ausgeschlossen, dass andere deutsche Gerichte – jedenfalls solange es hierzu keine höchstrichterliche oder unionsgerichtliche Rechtsprechung gibt –, wenn sie über die Frage der Nutzung urheberrechtlich geschützter Werke zu Trainingszwecken der KI ohne Einverständnis der Urheber zu entscheiden haben, durchaus geneigt sein können, von der Schrankenregelung, die im deutschen Urheberrecht regelmäßig eng ausgelegt wird, für die Fälle des KI-Trainings keinen Gebrauch zu machen. Die Berufung auf die TDM-Schranke ist daher derzeit mit einem erkennbaren Risiko behaftet, auch wenn die Entscheidung des Landgerichts Hamburg hier eine erste Richtung weist.

Wirksames Opt-out?

Sofern die TDM-Schranke für KI-Trainings greifen würde, bleibt Rechteinhabern die Möglichkeit eines Nutzungsvorbehalts nach § 44b Abs. 3 UrhG. Dieser wird in der Praxis derzeit jedoch weitgehend leerlaufen, erfordert er nach den zugrunde liegenden Erwägungen und Gesetzesbegründungen der angesprochenen Richtlinie einen Vorbehalt „in angemessener Weise“; im Online-Bereich gar in maschinenlesbarer Form (vgl. ErwGr 18 Abs. 2 S. 2 DSM-RL; BT-Drs. 19/27426, S. 89). Gilt jedoch eine allgemeine Erklärung auf einer Website, die nicht konkret mit einem Datensatz oder Inhalt verknüpft ist, schon als Vorbehalt in angemessener Weise? Jedenfalls das Landgericht Hamburg tendiert hier zu einer solchen – urheberfreundlichen – weiten Auslegung und lässt eine Maschinenlesbarkeit genügen.

Störfaktor Piraterie

Ein wirksamer Opt-out beseitigt zudem nicht den Störfaktor der Piraterie. Ein wirksamer Nutzungsvorbehalt kann nur dann effektive Wirkung entfalten, wenn die zu schützenden Werke nicht anderweitig abrufbar sind. Insoweit trifft den Rechteinhaber auch die Bürde, gegen Piraterie-Websites und -Uploads effektive Maßnahmen zu ergreifen. Diese Bürde ist aber hoch. Denn es ist bis heute schwierig, wenn nicht gar unmöglich – insbesondere wegen der hohen Anonymität und des hohen Schutzes der Diensteanbieter –, gegen illegale Uploads und Websites umfassend vorzugehen. Vor allem, weil Anbieter oft in Regionen und unter Einsatz von Diensteanbietern agieren, die eine effektive und nachhaltige Rechtsdurchsetzung nahezu unmöglich machen.

Nutzungsrechtevereinbarung?

Die TDM-Schranke selbst läuft also – soweit anwendbar – nur bei rechtssicherem Vorbehalt nach § 44b Abs. 3 UrhG ins Leere. Nur dann würde die Etablierung eines Lizenzierungsmarkts ermöglicht. Zum gleichen Ergebnis würde man auch kommen, wenn das KI-Training nicht unter die auf der DSM‑RL beruhende TDM-Schranke des § 44b UrhG fallen würde. Bei der Vervielfältigung zum Zwecke des KI-Trainings würde es sich insoweit dann um eine eigenständige Nutzungsart handeln, die einen enormen Marktwert hätte. Es wäre insoweit dann eine Werknutzung im rechtlichen Sinne, verstanden als jede nach der Verkehrsauffassung wirtschaftlich- technisch selbstständige und abgrenzbare Art und Weise der Verwendung eines Werks.

Rechtliche Bewertung

Die rechtliche Lage im europäischen Rechtskreis und in anderen wichtigen Jurisdiktionen wie den USA ist bisher unklar. Daher wird es entscheidend sein, dass sich Europa zu einem rechtssicheren Umgang mit geistigen Eigentumsrechten beim Training von KI positioniert. KI ist ein wirtschaftlich bedeutendes Zukunftsthema. Deshalb ist es wichtig, dass die Rechtsentwicklung – sowohl in Gesetzgebung als auch in Rechtsprechung – den internationalen Kontext und die jeweiligen Entwicklungen berücksichtigt. Europa muss klare Rahmenbedingungen für die KI-Entwicklung schaffen, um in globaler Sicht wettbewerbsfähig zu bleiben. In dem Maße, wie sich die Vorschriften weltweit weiterentwickeln, werden sie wahrscheinlich auch die deutsche Gesetzgebung und Praxis beeinflussen, sodass ein ausgewogener Ansatz erforderlich ist, der den technologischen Fortschritt und den Schutz kreativer Werke unterstützt. Derzeit aber sind die rechtlichen Möglichkeiten des Trainings von KI-Modellen in Deutschland und Europa noch nicht angemessen umgesetzt. Auch der nunmehr endgültig beschlossene AI Act der Europäischen Union (EU) tangiert die immaterialgüterrechtlichen Implikationen nur unwesentlich. Die EU hat nur einen kleineren Vorstoß unternommen. Erwägungsgrund 105 erklärt lediglich, dass die Nutzung von urheberrechtlich geschützten Werken ausdrücklich unter einem Genehmigungsvorbehalt stehe, sofern nicht eine Schranke eingreife. Die TDMSchranke aus der DSM-RL solle jedoch weiterhin anwendbar sein. Konkrete Bestimmungen zu den Ausnahmen, die das Urheberrecht betreffen, sind jedoch nicht in den AI Act eingearbeitet worden.

Fazit und Ausblick

Rechteinhaber, die sich das Recht auf Text- und Data-Mining vorbehalten und gegebenenfalls monetarisieren wollen, sind schon jetzt gut beraten, weitestmöglich einen Opt-out zu erklären, um sich auf diese Weise den Markt für eine Lizenzierung zu eröffnen oder offenzuhalten. Umgekehrt führt die Ingebrauchnahme dieser Möglichkeit zu einer Reduzierung der Wirtschaftlichkeit von KI-Systemen, denn Lizenzvereinbarungen würden unwirtschaftlich hohe Transaktionskosten auslösen. Es besteht die Gefahr, dass dieser monetäre Aspekt von seinen Auswirkungen auf die KI-Landschaft her zu einem Verlust Europas als Zentrum für Innovation führen könnte. Anbietern generativer KI ist wegen der bestehenden Unsicherheiten demgegenüber als derzeit wohl einzig rechtssichere Möglichkeit zu empfehlen, für die Nutzung von urheberrechtlich geschützten Inhalten als KI-Trainingsdaten eine Zustimmung des Rechteinhabers beziehungsweise eine Lizenz zu verlangen. Wegen der zunehmenden Rolle von KI als Schlüsseltechnologie, die ein rapides Wachstum verzeichnet, besteht jedenfalls ein dringender – vor allem unionsweiter – Handlungsbedarf, damit Europa nicht den Anschluss bei diesem Technologiepotenzial verliert.

Zu den Autoren

CH
Dr. Christoph Holzbach

Rechtsanwalt und Partner der Kanzlei FPS in Frankfurt am Main

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CM
Dr. Christoph Matras

Assessor in der Kanzlei FPS

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