Gelebtes Ökosystem - 24. Oktober 2024

Man kann nur gewinnen

Schnittstellen und damit einhergehende Prozessverbesserungen sind ein Herzensthema von Christian Reichling. Der IT-Begeisterte will Mandanten wie Mitarbeiter bei der Einführung neuer Technik mitnehmen. Dabei, sagt er, können sich auch gegensätzliche Typen einbringen – die Technikaffinen ebenso wie die erfahrenen Konservativen. Beide haben unterschiedliche Blickwinkel bei der Arbeit. Entscheidend ist, dass es sich um einen Change-Prozess handelt, bei dem man die Mandanten eng einbeziehen muss.

Das Interview führte Martina Mendel

DATEV magazin: Gab es einen Auslöser in Ihrer Kanzlei, der Sie veranlasste, sich mit Schnittstellen und der Anbindung von Vorsystemen zu befassen?
CHRISTIAN REICHLING: Nein, das eine wichtige Ereignis gab es nicht. In meiner Ausbildung musste ich von einer ellenlangen, gedruckten Liste händisch buchen. Das hat mich geärgert und wohl geprägt. 2017 habe ich begonnen, mich intensiver damit auseinanderzusetzen, wie die Mandanten ihre Rechnungen stellen. Bekommen sie Rechnungen als PDF per Mail, drucken sie diese aus und schicken sie uns in die Kanzlei? Das mag bei geringem Rechnungsvolumen noch möglich sein, aber bei Tausenden Rechnungen bekommt man ein Problem. Abgesehen davon, dass das Erstellen von gescannten PDF-Dateien in unseren Augen nichts mit Digitalisierung zu tun hat, da der Grad der automatisierten Weiternutzung sehr begrenzt ist. Da kam mir auf einer DATEV-Veranstaltung der Hinweis zum Thema Schnittstellen sehr gelegen. Auf dem DATEV-Marktplatz haben wir eine passende, von DATEV standardisierte, Schnittstelle gefunden, die damals der Anbieter des Vorsystems integriert hatte. Sie hat uns wirklich deutlich entlastet – genau das, was wir brauchten. Klar ist, dass die Daten ordentlich strukturiert sein müssen, damit man eine gute Qualität bekommt.

In welchen Geschäftsfeldern nutzen Sie DATEV-Datenservices?
Zunächst für die Finanzbuchführung und für große Mandate. Schrittweise haben wir erleichternde Prozessschritte auch auf Seiten der Mandanten eingeführt. Später kam der Lohn dazu. Für die Übernahme der Lohndaten eines großen Mandanten, der jedes Jahr mehrere Hundert Mitarbeiter einstellt, haben wir das DATEV-Consulting beauftragt, uns mithilfe eines individuellen Importschemas des ISWL-Tools Lohn-Daten-Konverter zu unterstützen. Damit konnten wir circa 80 Prozent der notwendigen Daten digital importieren, was sehr hilfreich war. Zum Glück interessiert sich unsere neue Teamleiterin der Lohnabteilung sehr für das Thema Schnittstellen. Intrinsisch motiviert nimmt sie nun immer weitere Projekte unter ihre Fittiche.

Wie stellen Sie fest, wo sich die Zusammenarbeit mit Ihren Mandanten verbessern lässt?
Wir arbeiten mit dem Schnittstellen-Monitor und der ISWL Mandantenanalyse, die sich inzwischen zu einer aussagekräftigen, farbigen Web-Anwendung weiterentwickelt hat. Es geht zunächst darum, von einer kleinteiligen Kontrolle mehr ins analytische Denken zu kommen. Man sollte möglichst die Abläufe bei den Mandanten vereinheitlichen. Der Schnittstellen-Monitor hilft uns dabei, für bestimmte Mandantentypen die passenden Lösungen zu finden. Wir nutzen ihn auch beim Onboarding von Mandanten, definieren die Vorarbeiten und wer was erledigt. Bei den Bewahrern unter den Mandanten muss man nach und nach den Digitalisierungsdruck erhöhen, damit sich etwas bewegt und man nicht in 20 Jahren immer noch einen Schuhkarton bekommt. Natürlich geben wir ihnen auch die nötige Unterstützung dazu.

Wie breit ist die Varianz der Vorsysteme bei den Mandanten?
Die sind branchenspezifisch, ähnlich wie bei den Warenwirtschaftssystemen, beispielsweise angepasst für die Gastronomie oder Apotheken. So mannigfaltig die Vorsysteme sind, so individuell sind auch die möglichen Schnittstellen. Das reicht von reinen ASCII-Importen über die Möglichkeit, mithilfe von Tools CSV-Dateien mit Belegbildern zu verheiraten, bis zu standardisierten Datenservices der DATEV.

Beraten Sie bei der Auswahl von Vorsystemen?
Beratung ist eine schöne Sache. Man kann den Mandanten zeigen, wie sie ihre Prozesse hinsichtlich der Digitalisierung verbessern können. Bei langjährigen Mandaten weisen wir regelmäßig darauf hin, was helfen würde und was sie dazu beitragen können. Unser Geschäftsmodell fußt klar auf dem digitalen Mandanten. Wir stellen gerade bei Neumandanten fest, dass das Andocken an die Vorsysteme einen zentralen Stellenwert einnimmt. Das liegt sicherlich auch daran, dass Neumandate bereits mithilfe des Schnittstellen-Monitors gescreent werden. Erst nach einem positiven Votum beginnt der Onboarding-Prozess.

Wie gehen Sie bei der Anbindung von Vorsystemen und bei der Einrichtung von Datenservices vor? Holen Sie sich Unterstützung von DATEV und den DATEV-Partnern?
Fast alle unsere Mandanten arbeiten mit DATEV Unternehmen online. Wir nutzen es vor allem als Datendrehscheibe. Die Leiterin des Digi-Teams in unserer Kanzlei verantwortet die Implementierungsstrategie bei den Mandanten. Das kann natürlich nicht jede Kanzlei leisten. Wir haben jedoch für uns entschieden, dass wir als Steuerberater wesentlich bei der Gestaltung von neuen Prozessen mitwirken möchten und das als Projekt-Leader. Wir kennen in der Regel die Bedürfnisse der langjährigen Mandanten, können Impulse geben und profitieren von einem guten Vertrauensverhältnis, was auch verpflichtet. Bei unseren Implementierungsprozessen sind die DATEV Solution Partner und die kundenverantwortlichen DATEV-Mitarbeiter als Sparring-Partner eine gute Wahl. Bei komplexen Mandantensystemen, zum Beispiel bei Software, die sehr individuell auf den Anwender angepasst wurde, übergeben wir das an das DATEVConsulting. Sie kontaktieren den Software-Hersteller, die Experten tauschen sich direkt miteinander aus, und wir begleiten dann die Umsetzungsphase. Wenn der Mandant eine Standardlösung einsetzt, ist es relativ einfach, das übernimmt unser Digitalisierungsteam. Sehr hilfreich sind übrigens die Übersichten über die Datenservices und Schnittstellen auf der DATEV-Website. Da kann man sich umfassend informieren, was alles bei DATEV möglich ist.

Gab es Probleme bei der Nutzung der Datenservices oder Widerstände in der Kanzlei?
Probleme entstehen dann, wenn nicht klar definiert ist, wer was macht und was nicht macht. Auf jeden Fall reduziert ein klares Rollenkonzept die Reibung. Für uns als Führungskräfte war es wichtig, den Kolleginnen und Kollegen zu vermitteln, dass wir uns in einem starken Transformationsprozess befinden. Wir müssen nicht nur gemeinsam Neues lernen, sondern vor allem, und das ist ja oft die Herausforderung, das über Jahrzehnte Gelernte auch verlernen. Wir lassen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht im Regen stehen. Es gibt einen engen Austausch mit dem Digi-Team. Bei mangelnder Datengüte gibt es eine Rückmeldung. Fehler sind an sich nichts Schlimmes und die muss man einfach zulassen – sie geben uns die Möglichkeit, schnell zu lernen. Man redet miteinander und übt den Vorgang noch einmal. Und die Schlagzahl der Neuerungen nimmt ja zu. Wichtig ist, eine gute Akzeptanz herzustellen, und das geht nur in einem guten und offenen Miteinander.

Hat sich am Buchungsverhalten etwas verändert?
Die Mandanten verschlagworten inzwischen mit, es entsteht eine gute Form der Kollaboration.

Wie entlasten die Schnittstellen Ihre Mitarbeitenden? Wie nutzen Sie die gewonnene Zeit?
Die Implementierung bedeutet erst einmal Aufwand. Danach hat man allerdings auch mehr Zeit, in der man sich um interne Prozesse kümmern kann, zum Beispiel um die Prozesse in der Eigenorganisation. Es geht weniger um das Abarbeiten, sondern um das Lernen als Organisation. Nicht die Verdichtung von Arbeit ist das Ziel, sondern eine bessere Qualität der Arbeit. Es geht nicht um mehr Zeit für neue Mandate, sondern darum, sich mehr mit den vorhandenen Mandanten zu befassen und sie mit Zeit und Verständnis durch diese neue Phase zu führen.

Welche weiteren Vorteile entstehen in Ihrer Kanzlei durch die Datenservices?
Zunächst einmal sind wir beim aktuellen Thema E-Rechnung komplett tiefenentspannt. Das Thema zielt in genau die Richtung, in die wir mit unseren Mandanten seit Jahren gehen. Es ist schön zu sehen, wenn die Mandanten durch unsere Beratung optimal vorbereitet sind. Das betrifft im ersten Schritt den Empfang und die Verarbeitung von Eingangsrechnungen. Ein neues Beratungsfeld ist dann im nächsten Schritt die Integration von Lösungen für den Versand von E-Rechnungen und die Anbindung, etwa an die DATEV E-Rechnungsplattform, so wie wir es ja schon heute mit Eigenorganisation comfort machen. Und auch von einer höheren Datengüte profitieren am Ende unsere Mandanten. Unternehmen können damit besser entscheiden. Man lernt auch seine Mandanten durch die neue Art der Zusammenarbeit besser kennen. Und für die Mitarbeitergewinnung ist die moderne, digitale Arbeitsweise insgesamt ein großer positiver Faktor. In Kennenlerngesprächen mit potenziellen Interessenten nehmen die Fragen nach der digitalen Arbeitsweise einen immer breiteren Raum ein. Das ist gut so und wird sicher helfen, das teilweise verstaubte Ärmelschoner-Image loszuwerden, das dem Berufsstand anhaftet. Digitales Arbeiten ist heute einfach cool.

Wie gehen Sie vor, wenn es für das Vorsystem eines Mandanten keine Schnittstelle gibt?
Zunächst schaue ich auf www.datev.de in den Übersichten und im DATEV-Marktplatz nach passenden Standardlösungen. Werde ich da nicht fündig, beauftrage ich eine individuelle Software-Lösung. Sollte ein Mandant allerdings ein veraltetes Kassensystem nutzen, das nicht mehr weiterentwickelt wurde, rate ich ihm, sich davon zu trennen.

Haben Sie Tipps für Kanzleien, die sich zum ersten Mal damit befassen? Womit sollten sie starten?
Es gibt nicht den einen optimalen Einstiegspunkt. Ich würde mit den Standards bei den Datenservices starten. Eine gute Möglichkeit, sich bei anderen Kollegen zu informieren, sind die Kollegenforen. Bei schwierigen Rahmenbedingungen können die kundenverantwortlichen DATEV-Mitarbeiter den Kontakt zum DATEV-Consulting herstellen.

Zur Autorin

Martina Mendel

Redaktion DATEV magazin

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