Effizienzsteigerung - 19. Dezember 2024

KI birgt großes Potenzial für mehr Automatisierung

In der Wirtschaftsprüfung geht es oft um die Analyse großer Datenmengen. Bildlich gesprochen ist es die Nadel im Heuhaufen, die gefunden werden muss – sofern sie denn vorhanden ist. Dies schnell zu bewerkstelligen und dabei Abweichungen von Mustern zu erkennen, ist eine große Stärke von künstlicher Intelligenz.

Die Möglichkeit der automatisierten Datenanalyse beschränkt sich dabei nicht auf die Auswertung von Zahlen. Generative künstliche Intelligenz (KI), die sich in den vergangenen Jahren sehr schnell entwickelt hat, macht heute auch bereits die Zusammenfassung und inhaltliche Aufbereitung von Textdokumenten wie Gesetzestexten oder vertraglichen Vereinbarungen möglich. Deshalb verspricht KI gerade in der Wirtschaftsprüfung eine signifikante Effizienzsteigerung. So lassen sich perspektivisch Prozesse automatisieren oder auch ganze Arbeitsabläufe und Routinen an einen digitalen Helfer auslagern. Solche Assistenzsysteme könnten in absehbarer Zukunft sogar in Echtzeit mitlaufen und gewissermaßen über das Jahr eine permanente Prüfung ermöglichen.
Diese Entwicklung wird die Software-Produkte für die Anwenderinnen und Anwender komplett verändern, davon zeigt sich auch Jens Groß, Leiter des Geschäftsfelds Wirtschaftsprüfung bei DATEV, überzeugt: „Mittels KI können sich Programme mehr oder weniger selbstständig an unterschiedliche Situationen anpassen, sodass sich beispielsweise die Oberflächen und Auswertungen flexibel am Bedarf des jeweiligen Nutzers ausrichten.“ Dadurch ändert sich auch die Tätigkeit des Prüfers selbst. „Zeitaufwendige Datenabgleiche übernimmt dann die Software, während sich die Rolle des Prüfers immer mehr in Richtung eines Supervisors entwickelt, der mit seinen Erfahrungen entlang der Prozesse die Ergebnisse einordnet und plausibilisiert“, so Jens Groß. Auf diesem Weg möchte DATEV die Mitglieder bestmöglich unterstützen und arbeitet bei den Produkten für die Wirtschaftsprüfung bereits an entsprechenden Lösungen. So ist bereits ein Werkzeug für die KI-gestützte Anomalieerkennung in der DATEV-Cloud verfügbar. Es hilft Wirtschaftsprüfern effektiv bei der Identifizierung von möglichen Auffälligkeiten in den Kontenbereichen der Umsatzerlöse und der Aufwendungen. Die darin verwendeten Verfahren aus dem Machine Learning machen es möglich, einen Datenbestand gesamtheitlich auf Auffälligkeiten zu analysieren. Im Gegensatz zu den starren, regelbasierten Systemen, die bisherige Prüfwerkzeuge kennzeichneten, erlaubt die KI einen anpassungsfähigen und flexiblen Ansatz. So gibt sie Hinweise darauf, in welchen Kontenbereichen Auffälligkeiten vorliegen könnten und wo eine detaillierte Analyse nötig wäre.

KI-Potenziale gezielt ermitteln

Neben diesem bereits produktiven Anwendungsfall geht DATEV die Potenzialidentifikation sehr strukturiert an. Gezielt untersuchen Spezialisten der Genossenschaft, an welchen Stellen der Einsatz von KI in den Wirtschaftsprüfungsprodukten vielversprechend ist. „Dafür haben wir im ersten Schritt in sogenannten Ideation Workshops auf Basis der Analyse von Kundenbedürfnissen eine Reihe von Nutzungsszenarien ermittelt und idealtypische Abläufe modelliert“, erläutert Maria Klapani, die als Projektleiterin die Potenzialermittlung verantwortet. „Diese Szenarien werden nun anhand eines standardisierten Templates validiert und priorisiert. Dabei durchlaufen sie einen dreistufigen Bewertungsrahmen.“ Für die vielversprechendsten Ansätze werden dann im Hinblick auf konkrete technische Umsetzungsmöglichkeiten Software-Modelle, also die Beschreibung für sogenannte Proof of Concepts, entwickelt.
Wird der Umsetzungsweg als gut realisierbar eingeschätzt, besteht der nächste Schritt in der Umsetzung dieser Machbarkeitsstudie zum Verproben unter realen Bedingungen. In all diesen Schritten werden die Erkenntnisse zu Hürden, Risiken, Potenzialen und Chancen transparent dokumentiert und allen am Entscheidungsprozess wie auch an der Umsetzung beteiligten Personen zugänglich gemacht. Anwendungsszenarien, die sich im Proof of Concept als realisierbar erweisen, können dann als Prototypen den Weg in die KI-Werkstatt finden, wo die DATEV-Mitglieder sie dann testen können.
Eine strukturierte Betrachtung ist schön und gut, doch wie geht es nun weiter? In welchen Bereichen der Prüfungstätigkeit kann sich DATEV vorstellen, künftig Lösungen anzubieten, die KI im Bauch haben? „Im Rahmen der beschriebenen Ideation Workshops wurden für den Bereich Wirtschaftsprüfung ganze 34 Ideen für Software-Lösungen ermittelt, die mittels KI-Unterstützung im Wirtschaftsprüfungsprozess Mehrwerte schaffen können“, berichtet Maria Klapani. „Eine dieser Ideen hat es im Bewertungsprozess auch schon in das Stadium eines Proof of Concepts geschafft und wird derzeit auf Herz und Nieren geprüft.“

Erstes Szenario im Proof of Concept

Dabei handelt es sich um ein Werkzeug, das automatisiert beim Prüfen des Anhangs unterstützt. Ziel ist es hier, die Prüfung des Anhangs auf Korrektheit und Vollständigkeit vom digitalen Helfer erledigen zu lassen und bereits einen automatisierten Abgleich mit den gesetzlichen Vorgaben vorzunehmen, sodass der Prüfer die für seine Tätigkeit notwendigen Sachverhalte bereits optimal aufbereitet vorfindet. Da der manuelle Abgleich sehr zeitintensiv ist, verspricht eine Automatisierungslösung einen hohen Effizienzgewinn in Wirtschaftsprüfungskanzleien. Die technische Machbarkeit wird anhand des Proof of Concepts genau geprüft. Dieser fokussiert sich erst einmal auf mittelgroße Kapitalgesellschaften (gemäß § 267 II HGB), für die er anhand der Checkliste Korrektheitsprüfungen durchführen soll.
Was genau wird die Lösung können? Da der Anhang Informationen und Daten aus verschiedenen Quellen enthält, ist als Erstes zu prüfen, ob alle benötigten Informationen vorhanden sind, diese korrekt vorliegen und die beschriebenen Sachverhalte plausibel sind. Dafür gleicht die Software den Anhang mit der geprüften Bilanz, Gewinn- und Verlust-Rechnung sowie weiteren Prüfungsunterlagen des Unternehmens ab und stellt so Konsistenz sicher. So kann sie die vorhandenen Informationen validieren und belegen sowie mögliche Anomalien und Auffälligkeiten identifizieren.
Außerdem wird auch die Einhaltung der gesetzlichen Anforderungen geprüft, indem ein Abgleich mit Gesetzestexten und weiteren Regularien durchgeführt wird. Die aus den Analysen gewonnenen Erkenntnisse werden dann in schriftlicher Form zusammengefasst und dem Wirtschaftsprüfer bereitgestellt. Denkbar wäre auch, die Erkenntnisse direkt wieder in den Anhang zu überführen. Welche der Komponenten aber letztlich wirklich in ein Produkt umgesetzt werden, entscheidet sich im Praxistest.

Ideen auf dem Prüfstand:
Vielfältige mögliche Anwendungsfälle für KI

DATEV evaluiert derzeit eine Reihe von in den Ideation Workshops ermittelten Anwendungsszenarien auf ihre
konkreten Nutzenpotenziale und Umsetzbarkeit. Dazu zählen unter anderem

  • eine automatisierte Analyse und Integration von Branchendaten. Damit ließen sich aus den bestehenden Unternehmensdaten sowie durch die Ergänzung von Online- Informationen automatisch wichtige Brancheninformationen zusammengefasst bereitstellen, die mit in die Prüfung einfließen.
  • eine datengetriebene Analyse von Unterlagen und Dokumenten. Sie könnte in Zukunft alle wichtigen Dokumente zum Mandanten anhand ihrer Inhalte aufbereiten. Dazu gehören etwa die Suche und Identifizierung von wichtigen Informationen in Texten sowie die Darstellung von häufig vorkommenden Inhalten, etwa durch die Gruppierung der Dokumente und Inhalte nach sinnvollen Themen. Eine solche Analyse und Aufbereitung der Texte würde dem Wirtschaftsprüfer einen schnellen und verständlichen Überblick zu den inhaltlichen Themen verschaffen.
  • die digitale Erfassung und Analyse von Notizen. Mittels KI ließe sich Aufwand reduzieren, indem handschriftliche Besprechungsnotizen einfach eingescannt und automatisch transkribiert werden. Die digitalen Inhalte könnten ebenfalls automatisiert zur passenden Mandantenakte zugeordnet und nach Themengebiet (etwa Beauftragung, Prüffeld Vorräte) abgelegt werden. Im nächsten Schritt kann die KI dann eine datengetriebene Auswertung und Analyse der Notizen vornehmen, um die Inhalte der Notizen zu strukturieren und Erkenntnisse zu gewinnen.
  • ein System zur automatisierten Analyse des Jahresabschlusses und Empfehlung weiterer Prüfschritte. Nach einem Abgleich mit den Vorjahresdaten ließe sich über weitere Analysen aufzeigen, ob bestimmte Grenzwerte überschritten wurden oder ob Unregelmäßigkeiten vorliegen. Über eine intelligente Stichprobenauswahl könnte die Prüfung zusätzlich weiter verfeinert werden.
  • eine datengetriebene Risikonachverfolgung und Bewertung, die bei der wichtigen Aufgabe unterstützen, mögliche Risiken zu identifizieren, diese zu bewerten und nachzuhalten. Dafür ließen sich Daten aus unterschiedlichen Quellen wie Unternehmensdaten, Branchendaten oder gesetzlichen Regularien mit einbeziehen, die schnell analysiert und in Beziehung gesetzt werden. Neben der Risikoeinschätzung könnte das System auch noch bewerten, ob die durchgeführten Prüfmaßnahmen ausreichend waren, um eine Abdeckung des Risikos zu gewährleisten.


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Online-Seminar (Vortrag) „Fachtage Wirtschaftsprüfung

Zum Autor

Benedikt Leder

Redaktion DATEV magazin

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