Generative KI - 19. Dezember 2024

Das Spannungsfeld auflösen

Eine mächtige Technologie eröffnet neue Möglichkeiten für Innovation und Kreativität. Sie birgt aber auch ethische Herausforderungen und Risiken, die bei einem verantwortungsvollen und nachhaltigen Einsatz zu berücksichtigen sind.

Generative künstliche Intelligenz (KI) konzentriert sich auf die Erstellung neuer Inhalte statt nur auf die Analyse und Verarbeitung bestehender Daten. Diese Technologie nutzt komplexe Algorithmen und Modelle, um neue Daten zu erzeugen, die den Mustern und Strukturen von Trainingsdaten ähneln. Generative KI-Modelle basieren auf den Konzepten von neuronalen Netzen. Letztere sind ein Abbild der Gehirnarchitektur. Vereinfacht erklärt, besteht ein neuronales Netz aus mehreren Ebenen von Neuronen. Diese Neuronen geben in der Regel eine Information an die darunterliegende Ebene weiter. Solche Verbindungen zwischen den Neuronen ergeben eine Wahrscheinlichkeitsbahn. Jede Verbindung mit einer Information folgt damit einer Wahrscheinlichkeit, die im trainierten neuronalen Netz einen bestimmten Wert hat.

Training von KI-Modellen

Das neuronale Netz wird während des Trainings angepasst, um die Genauigkeit des Modells zu verbessern. Das Training generativer KI-Modelle erfordert große Mengen an Daten und Rechenleistung. Während des Trainingsprozesses passt das Modell seine Parameter an, um die Genauigkeit der generierten Daten zu verbessern. Dies geschieht durch Optimierungsalgorithmen. Damit spielen die Trainingsdaten insbesondere für Fragen der Ethik eine wichtige Rolle. So hängt die Güte eines generativen KI-Modells von der Menge der vorhandenen Daten ab. Nehmen wir hierzu ein Beispiel aus der Generierung von Bildern. Wenn man Bilder von Filmstars generieren lässt, so werden diese weitaus präziser und besser sein, als wenn ich das Modell bitte, ein Bild von mir selbst generieren zu lassen. Denn von mir selbst sind in der Regel weitaus weniger Bilder im Trainingsdatensatz vorhanden. Insbesondere bei fehlenden Daten neigen die Modelle dazu, Informationen zu ergänzen, die eine hohe Wahrscheinlichkeit beziehungsweise Relevanz aufweisen. Das Beispiel dient zur Veranschaulichung. Im Kontext der Wirtschaftsprüfer treten jedoch ähnliche Fragestellungen auf. In der Regel kommen die Informationen, die in der Wirtschaftsprüferinnen und Wirtschaftsprüfer benötigt und verarbeitet werden, aus den Unternehmen. Sie werden besonders vertraulich behandelt und sind daher nur selten Teil der Trainingsdatensätze und damit in den großen verfügbaren KI-Modellen nicht hinterlegt. Anwender von KI-Modellen sollten daher genau abwägen, auf welche Frage sie eine Antwort bekommen möchten.

Ethische Herausforderungen

Die Anwendung von KI in der Wirtschaftsprüfung bringt nicht nur Vorteile, sondern auch ethische Herausforderungen mit sich. Diese betreffen sowohl die Wirtschaftsprüfer selbst als auch die Prüfungsqualität, die Verschwiegenheitspflichten, die Unabhängigkeit und das Vertrauen in die Prüfungsergebnisse. Wirtschaftsprüfer müssen über die notwendigen Fähigkeiten und Kenntnisse verfügen, um KI-Modelle zu verstehen, zu bewerten und zu überwachen. Sie sind verpflichtet, sich kontinuierlich weiterzubilden und sich an verändernde Technologien anzupassen. Wirtschaftsprüfer müssen zudem in der Lage sein, die Grenzen und Risiken der KI zu erkennen und angemessene Kontrollmaßnahmen zu ergreifen, um Fehler oder Manipulationen zu vermeiden. So können bereits kleine Änderungen an einem Prompt oder den zur Verfügung gestellten Dokumenten die Ergebnisse teils drastisch verändern. Natürlich können auch neue Modelle oder Modellversionen erhebliche Auswirkungen haben. Die Prüfungsqualität hängt davon ab, wie zuverlässig, robust, genau, vollständig und nachvollziehbar die eingesetzten KI-Modelle sind. Sie sollten zudem Aspekte wie die menschliche Aufsicht berücksichtigen. Wirtschaftsprüfer müssen die verwendeten Systeme unbedingt verstehen, hinterfragen und ihre Grenzen kennen. Sie sollten auch die Antworten und Ergebnisse der KI-Modelle stets kritisch betrachten. Denn die Systeme neigen dazu, Ergebnisse zu erfinden, wenn ihnen schlicht die Information fehlt. Dies ist als Prüfungsnachweis selbstverständlich nicht verwertbar. Wirtschaftsprüfer haben folglich Maßnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass die eingesetzte KI die erwarteten Ergebnisse erzeugt hat.

Ethische Leitlinien

Generative KI muss mit den geltenden Gesetzen, Vorschriften und Verträgen übereinstimmen, die den Schutz der Grundrechte, der Privatsphäre, des geistigen Eigentums und der Datensicherheit gewährleisten. Die Entwickler und Anwender von generativer KI müssen sich der rechtlichen Rahmenbedingungen bewusst sein, die ihre Tätigkeit regeln. Zudem müssen sie die nötigen Genehmigungen und Zustimmungen einholen, bevor sie Daten sammeln, verarbeiten oder teilen. Sie müssen auch mögliche Haftungsfragen klären, die sich aus der Verwendung oder dem Missbrauch von generativer KI ergeben können. Generative KI muss mit den ethischen Werten und Prinzipien übereinstimmen, die die Achtung der Menschenwürde, der Autonomie, der Gerechtigkeit, der Solidarität und der Nichtdiskriminierung fördern. Die Entwickler und Anwender von generativer KI müssen sich über die potenziellen Auswirkungen ihrer Technologie auf die Gesellschaft, die Umwelt und die Kultur im Klaren sein und diese im Sinne des Gemeinwohls gestalten und nutzen. Sie müssen zudem sicherstellen, dass die generative KI transparent, erklärbar, überprüfbar und kontrollierbar ist und dass die betroffenen Stakeholder angemessen informiert, einbezogen und befähigt werden. Insbesondere gibt es immer wieder ethische Herausforderungen für Spezialisten-Teams, um etwa Schiefstände in den vorhandenen Trainingsdatensätzen zu bereinigen und hier eine ethisch-moralische KI zu entwickeln. So sind beispielsweise zum Gender Pay Gap rein historisch verzerrte Datensätze vorhanden, die darauf basieren, dass Frauen in der Vergangenheit weniger verdient haben als Männer, was von der KI fälschlicherweise als Norm für zukünftige Vorhersagen interpretiert werden könnte.

Richtlinienkonforme Nutzung

Generative KI-Systeme können in Zeiten von Fachkräftemangel und steigenden Anforderungen an unsere Branche ein Mittel für dringend nötige Effizienzsteigerungen sein. Wie bei jedem Werkzeug ist es wichtig, die Anwendungsrichtlinien sorgfältig zu gestalten und kontinuierlich zu überprüfen, um den verantwortungsvollen Einsatz sicherzustellen und die gewünschten Ergebnisse zu erzielen. Letztlich kommt es darauf an, generative KI so zu nutzen, dass sie sowohl den technischen Fortschritt fördert als auch den ethischen und rechtlichen Rahmenbedingungen gerecht wird.

Fazit

Für jede Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft ist es wichtig, dass intern entsprechende Leitlinien und Richtlinien aufgestellt werden, damit der Einsatz von KI sowie spezifisch generativer KI geregelt wird. Diese Leitlinien sollten einen für alle Anwender und Nutzer verständlichen Rahmen setzen für einen angemessenen Umgang mit KI. Sie formulieren zugleich die Erwartungshaltung der Gesellschaft hinsichtlich der Frage, welche Sicherungsmaßnahmen die Anwender und Nutzer von KI einhalten müssen. Dies erfordert aber nicht nur das Erstellen derartiger Leitlinien, sondern sorgt für ein erhöhtes Schulungsbedürfnis. Die entsprechenden Aufwendungen sollten nicht unterschätzt werden. Sie sind aber notwendig, bilden sie doch die Grundlage für einen verantwortungsvollen Einsatz von KI in einem Unternehmen.

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Zum Autor

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Timo Husemann

Wirtschaftsprüfer, Steuerberater und Certified Information Systems Auditor. Als Partner bei Forvis Mazars am Standort Frankfurt am Main betreut er internationale Mandanten und widmet sich der Innovation und Transformation der Service Line Audit.

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