AvP Deutschland GmbH - 23. September 2020

Insolvenzantrag und Einstellung des Apothekengeschäfts

Nach vorangehenden Unregelmäßigkeiten musste der Abrechnungsdienstleister AvP Deutschland GmbH aus Düsseldorf, an den bundesweit in etwa 3.500 Apotheken angeschlossen sind, Insolvenzantrag stellen. Dies dürfte bei den betroffenen Apothekern, vor allem aber auch deren Steuerberatern, zu großer Beunruhigung führen.

Noch Anfang September hatte die AvP Deutschland GmbH versichert, dass die fälligen Zahlungen an die jeweiligen Apotheken unterwegs seien. Wie sich nun leider herausstellte, entsprach das nicht den Tatsachen, sodass sich die BaFin gezwungen sah, die Geschäftsführung zu übernehmen und einen Insolvenzantrag zu stellen. Daraufhin wurde vom Amtsgericht Düsseldorf mit Beschluss vom 16. September 2020 das vorläufige Insolvenzverfahren angeordnet.

Vorläufiges Insolvenzverfahren

Herr Rechtsanwalt Dr. Jan-Philipp Hoos wurde zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt. Aufgrund dieser Sicherungsmaßnahme sind sämtliche vermögensrelevanten Entscheidungen der insolventen AvP Deutschland GmbH nur noch mit dessen Zustimmung wirksam.
Um nicht allein auf Meldungen aus dem Internet oder der Presse angewiesen zu sein, nahmen wir Kontakt zum vorläufigen Insolvenzverwalter auf mit dem Ziel, für unsere zahlreichen Mandanten belastbare Informationen im Zusammenhang mit der Insolvenz der AvP Deutschland GmbH zu erhalten, die auf ihrer eigenen Website inzwischen die Einstellung des Apothekengeschäfts bekannt gegeben hat.

Insolvenzantrag war unausweichlich

Die AvP Deutschland GmbH zahlte an ihre Vertragspartner jeweils zu Beginn eines jeden Monats in der Regel einen Abschlag in Höhe von 80 Prozent des Vormonatsumsatzes aus. Diese Abschläge wurden durch die Inanspruchnahme von Kreditmitteln vorfinanziert, die dann in der Folge durch die Erstattungen der Kostenträger zurückgeführt wurden. Offensichtlich wurde die Kreditlinie, die der AvP Deutschland GmbH eingeräumt wurde, in der ersten Septemberwoche gekündigt. Die Hintergründe dieser Kündigung sind derzeit noch unklar.

Einzelfallprüfung

Aufgrund unserer bisherigen Erkenntnisse und der Aussagen des vorläufigen Insolvenzverwalters ist mit kurzfristigen Zahlungen auf bestehende Forderungen der betroffenen Apotheken nicht ohne Weiteres zu rechnen. Auf Grundlage der uns bisher bekannten Vertragsdokumente kann aber bereits festgestellt werden, dass die mit den Apotheken getroffenen Regelungen nicht einheitlich sind, so dass die Durchsetzung bestehender Ansprüche im Vorfeld einzelfallbezogen geprüft werden muss. Insbesondere ist zu prüfen, welche Rechtsnatur die von der AvP Deutschland GmbH verwandten „Fremdgeldkonten“ haben und wer welche Ansprüche daraus ableiten kann.

(Ersatz-)Aussonderungsansprüche

Darüber hinaus ist zu klären, ob die in den Vertragstexten überwiegend vereinbarte Abtretung der Ansprüche überhaupt wirksam ist. Daraus könnten im Insolvenzverfahren sogenannte (Ersatz-) Aussonderungsansprüche erwachsen, die zu einer Befriedigung der Ansprüche der betroffenen Apotheken führen könnten – ungeachtet der üblichen Insolvenzquoten.

Gegebenenfalls sind die Befriedigungschancen der betroffenen Apotheker deutlich zu steigern, indem die etwaigen (Aussonderungs-) Ansprüche in Form eines Pools gebündelt und gemeinsam beim vorläufigen Insolvenzverwalter geltend gemacht werden. In dieser Situation wollen und können wir Steuerberater unterstützen, in deren Mandantenstamm sich Apotheken befinden, die bis dato über die AvP Deutschland GmbH abgerechnet haben. Umso mehr Betroffene gemeinsam mit dem vorläufigen Insolvenzverwalter des insolventen Abrechnungsdienstleisters verhandeln, desto wahrscheinlicher ist eine befriedigende Lösung.

Handlungsempfehlungen für den steuerlichen Berater

Abhängig von der jeweiligen Vertragsgestaltung sollten die Steuerberater den betroffenen Apotheken folgende Handlungsempfehlungen geben:

  • Abstimmung möglicher umsatzsteuerlicher Maßnahmen
  • Außerordentliche Kündigung des Vertragsverhältnisses und Widerruf der Einziehungsbefugnis gegenüber der AvP Deutschland GmbH
  • Anzeige des Erlöschens der Einziehungsbefugnis gegenüber den Kostenträgern
  • Prüfung der Forderungsabtretung an die AvP Deutschland GmbH sowie die Kontaktaufnahme mit einer neuen Verrechnungsstelle und Prüfung, inwieweit Unterstützungsleistungen zur Liquiditätssicherung in Anspruch genommen werden können.
  • Gegebenenfalls eine Kontaktaufnahme zur Deutschen Apotheker- und Ärztebank beziehungsweise der eigenen Hausbank wegen einer Brückenfinanzierung
  • Änderung der für die jeweilige IK-Nummer hinterlegten Bankverbindung

Fazit und Ausblick

Im Interesse ihrer Mandanten sollten sich die steuerlichen Berater auf jeden Fall an einen auf das Insolvenzrecht spezialisierten Experten wenden. Denn unsere jahrelange Erfahrung zeigt, dass die Chancen auf eine bestmögliche Befriedigung der Forderungen steigen, je mehr Betroffene sich zusammenschließen. Aus diesem Grund stehen wir ebenfalls den Apotheken, vor allem aber den Steuerberatern, unter deren Mandanten sich betroffene Apotheken befinden, als Ansprechpartner jederzeit zur Verfügung.

Zu den Autoren

JMP
Dr. Jan Markus Plathner

Rechtsanwalt und Partner bei Brinkmann & Partner Rechtsanwälte | Steuerberater | Insolvenzverwalter Partnerschaftsgesellschaft am Standort Frankfurt/Main. Er ist unter anderem in der Eigen- und Insolvenzverwaltung sowie der Sanierungsberatung tätig.

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MS
Manuel Sack

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Insolvenzrecht in der Kanzlei Brinkmann & Partner, Rechtsanwälte Steuerberater Insolvenzverwalter in Hannover.

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