Das neue Verbraucherrecht - 25. September 2014

Hilfe bei Widerruf

Trotz gewisser technischer Probleme ist davon auszugehen, dass gerade der grenzüberschreitende Online-Handel von der neuen Rechtslage profitieren wird.

Am 13. Juni dieses Jahres trat das Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie sowie zur Änderung des Gesetzes zur Regelung der Wohnungsvermittlung in Kraft. Mit der dem Gesetz zugrunde liegenden Richtlinie 2011/83/EU wurden die Informationspflichten und die Vorschriften zum Widerruf im Fernabsatz und im Direktvertrieb bei Verbraucherverträgen in der EU voll­harmonisiert. Dem Gesetzgeber steht daher bei der Umsetzung in nationales Recht grund­sätz­lich kein Gestaltungsspielraum zu. Die neue Richtlinie setzt also nicht mehr nur eu­ropa­wei­te Min­dest­stan­dards, sondern verfolgt das Ziel einer vollständigen Rechtsangleichung. Ihre Um­setzung beseitigt die bisherige Rechtszersplitterung und dürfte so dem grenz­über­schrei­ten­den Online-Handel Auftrieb verschaffen.

Informationspflichten

Deutlich erweitert wurden die Informationspflichten gegenüber Verbrauchern und in gewissem Umfang erstmalig auch auf den stationären Handel erstreckt, soweit nicht nur Geschäfte des täglichen Lebens betroffen sind. Hervorzuheben sind etwa die Informationspflichten in Bezug auf digitale Inhalte, wonach der Unternehmer über die Funktionsweise solcher digitaler Inhalte, wie zum Beispiel Software, E-Books oder Musik-Downloads, sowie über die Interoperabilität und Kompatibilität mit Hard- und Software zu informieren hat. Neue Informationspflichten finden sich zudem in § 312J Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), wonach der Unternehmer im elektronischen Geschäftsverkehr spätestens bei Beginn des Bestellvorgangs klar und deutlich anzugeben hat, ob Lieferbeschränkungen bestehen und welche Zahlungsmittel akzeptiert werden.

Widerrufsrecht

Auch der Katalog der Ausnahmen vom Widerrufsrecht in § 312g Abs. 2 BGB wurde erweitert. Praktische Relevanz wird vor allem das nun ausdrücklich geregelte vorzeitige Erlöschen des Widerrufsrechts für versiegelte Waren entfalten, die aus Gründen des Gesundheitsschutzes und der Hygiene nicht zur Rückgabe geeignet sind, sofern die Versiegelung entfernt wurde. Vollständig neu geregelt wurde der Beginn der Widerrufsfrist beim Verbrauchsgüterkauf, der fortan allein vom Zeitpunkt der Warenlieferung abhängt. Bei Teillieferungen maßgeblich ist immer der Erhalt der letzten Lieferung. Aus Verbrauchersicht ist zunächst zu beachten, dass der Widerruf nun ausdrücklich erklärt werden muss, die bloße Rücksendung der Ware also nicht mehr genügt. Andererseits besteht für die Widerrufserklärung kein Formerfordernis mehr, sodass der Widerruf grundsätzlich auch telefonisch erklärt werden kann. Die Erklärung des Widerrufs wird auch dadurch vereinfacht, dass der Unternehmer ein Widerrufsformular zur Verfügung stellen muss. Der Unternehmer kann dem Verbraucher auch die Option bieten, eine Widerrufserklärung auf seiner Website auszufüllen und elektronisch zu übermitteln. Neu geregelt wurde zudem, wer im Falle des Widerrufs die Versandkosten trägt. Während der Unternehmer die Kosten der Zusendung in Höhe der günstigsten angebotenen Standardlieferung zu erstatten hat, trägt der Verbraucher nun grundsätzlich die Kosten der Rücksendung. Die sogenannte 40-Euro-Klausel wurde abgeschafft.
Verbraucher dürften künftig darauf achten, ob ein Unternehmer freiwillig die Kosten der Rücksendung übernimmt, was diesem natürlich unbenommen bleibt und somit eine weitere Differenzierung des Angebots ermöglicht. Ersatzlos entfallen ist schließlich das frühere Rückgaberecht.

Musterbelehrung

Die umfangreichen Neuerungen führen zwangsläufig zu einer vollständigen Neufassung der Widerrufsbelehrung. Wie schon zuvor stellt der Gesetzgeber eine Musterbelehrung zur Ver­fü­gung, durch deren korrekte Verwendung der Händler sicherstellen kann, dass er seine Kunden ordnungsgemäß über deren Widerrufsrecht belehrt. Der Text ist ebenfalls durch die Richtlinie vorgegeben und kann daher im Prinzip EU-weit verwendet werden. Aus Ver­brau­cher­sicht ist die neue Musterbelehrung zu begrüßen, gibt sie doch wesentlich ver­ständ­li­cher und prägnanter Auskunft über seine Rechte als das frühere Muster.

Modifizierte Formulierungen

Online-Händler werden aber feststellen, dass sich die Verwendung der Musterbelehrung als komplex erweisen kann, da sie in einigen Punkten eher auf Einzelfälle zugeschnitten ist und ohne Modifikationen kaum als allgemeine Belehrung für alle abzuwickelnden Käufe geeignet ist. So enthält das Muster für die Fälle einer einheitlichen Lieferung, der Lieferung mehrerer Waren in mehreren Sendungen, der Lieferung einer Ware in Teilsendungen sowie der regelmäßigen Lieferung von Waren jeweils eine Formulierungsalternative für die Information über den Fristbeginn, während in den meisten Online-Shops mehrere oder alle der  genannten Lie­fer­mo­da­li­tä­ten angeboten werden. Die Bezifferung der Rücksendekosten im Falle nicht post­ver­sand­fäh­iger Waren, wie sie das Muster vorsieht, ist für sämtliche abzuwickelnden Lie­fer­un­gen oft nicht möglich.
Auch in dem keineswegs ungewöhnlichen, aber leider nicht vorgesehenen Fall, dass ein Händler sowohl post­ver­sand­fäh­ige als auch nicht versandfähige Waren vertreibt, kann die Mus­ter­be­leh­rung nicht wörtlich übernommen werden. Die meisten Händler müssen die Mus­ter­be­leh­rung in modifizierter Form verwenden, was grundsätzlich zulässig ist, solange die Belehrung zutreffend, vollständig und ausreichend transparent ist. Jedoch verlässt der Händler in diesem Fall den sicheren Hafen des Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 2 Einführungsgesetz zum BGB (EGBGB), wonach die korrekte Verwendung der Musterbelehrung als ordnungsgemäße Belehrung über das Wi­der­rufs­recht gilt. Es bleibt abzuwarten, welche modifizierten Fassungen vor der Rechts­pre­chung Bestand haben werden.

Zum Autor

Thorsten Dohmen

Rechtsanwalt LL. M. bei Wagner Rechtsanwälte, Saarbrücken. Seine Tä­tig­keits­schwer­punk­te sind unter anderem das Marken-, Patent- und Urheberrecht sowie das Wettbewerbs-, Lizenz- und Vertriebsrecht.

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