Vermeintlicher Bürokratieabbau - 19. August 2013

Hier arbeitet Sisyphos

Ziel des Kleinstkapitalgesellschaften-Bilanzrechtsänderungsgesetzes ist, Kleinst­unternehmen bei der Rechnungslegung und Offenlegung zu entlasten.

Ausweislich der Gesetzes­materialien sollen in Deutschland etwa 500.000 Unternehmen jährlich von Kosten­ein­sparungen in Höhe von mindestens 36 Millionen Euro profitieren.
Rechts­technisch knüpfen die Ent­lastungen des Kleinst­kapital­gesell­schaften-Bilanz­rechts­änderungs­gesetz (MicroBilG; LEXinform 0438269) an die neu ins Handels­gesetz­buch (HGB) ein­ge­führte Unter­nehmens­kategorie der so­ge­nannten Kleinst­kapital­ge­sell­schaft an, die in § 267a HGB definiert und neben Kapital- auch haftungs­be­schränkte Kleinst-Personen­handels­gesell­schaften im Sinne von § 264a HGB erfasst. Danach liegt eine Kleinst­kapital­ge­sellschaft vor, wenn eine kleine Kapital­gesell­schaft an zwei auf­einander­folgenden Abschluss­stichtagen mindestens zwei der drei folgenden Größen­merkmale nicht über­schreitet: (1) 350.000 Euro Bilanzsumme, (2) 700.000 Euro Umsatzerlöse und (3) zehn Arbeitnehmer im Jahresdurchschnitt.

Die einzelnen Erleichterungen können auch selektiv genutzt werden (cherry picking).

Kleinst­kapital­gesell­schaften genießen zunächst alle Erleichter­ungen, die auch kleinen Kapital­gesell­schaften eröffnet werden. So sind sie weder zur Auf­stellung eines Lage­berichts (§ 264 Abs. 1 Satz 4 HGB) noch zur Prüfung ihres Jahres­abschlusses ver­pflichtet (§ 316 Abs. 1 Satz 1 HGB). Ferner können Kleinst­kapital­gesell­schaften auf die Auf­stellung eines Anhangs verzichten (§ 264 Abs. 1 Satz 5 HGB), wenn sie unter der Bilanz die Haftungs­verhält­nisse, Vorschüsse und Kredite an Organ­mit­glieder und – bei Kleinst­kapital­gesell­schaften in der Rechtsform einer AG oder KGaA – den Bestand an eigenen Aktien angeben. Des Weiteren dürfen sie eine verkürzte Bilanz (Angabe jeweils nur der Posten mit den Buchstaben A bis E) und eine verkürzte GuV mit lediglich acht Posten aufstellen. Dabei können die einzelnen Er­leichter­ungen auch selektiv genutzt werden (cherry picking).

Offenlegung

Da die Offen­legung der Rechnungs­legung ein un­geliebtes Kind deutscher Unter­nehmen ist, steht im Zentrum des MicroBilG die Er­leichterung, dass Kleinst­kapital­gesell­schaften auf die Offen­legung ihrer Rechnungs­legung im Bundes­anzeiger verzichten dürfen. Dies setzt voraus, dass sie ihre Bilanz in elek­tronischer Form beim Betreiber des Bundes­an­zeigers zur dauer­haften Hinter­legung einreichen und diesem einen Hinter­legungs­auftrag erteilen (§ 326 Abs. 2 HGB). Interessierte können sich dann auf Antrag und gegen (geringe) Gebühr eine elektronische Kopie (nur) der Bilanz über­mitteln lassen. Bei Lichte betrachtet, relativiert sich indes der Strauß an Er­leichter­ungen für Kleinst­kapital­gesell­schaften erheblich, da beispiels­weise § 288 Abs. 1 HGB bereits bislang kleine Kapital­gesell­schaften von den meisten und nicht selten pikanten Anhang­angaben ausnimmt (beispiels­weise zu auße­rbilanziellen Geschäften oder zu Geschäften mit nahe­stehenden Unternehmen und Personen). Im Übrigen gehen die Aufstellungs- (und Offenlegungs-) erleichterungen verlustig, wenn die Kleinst­kapital­gesell­schaft in einen Konzern­abschluss einbezogen werden muss; dies ist insbesondere denkbar, wenn mehrere Kleinst­kapital­gesell­schaften, die jeweils für sich un­wesentlich sind, ins­gesamt wesentlich sind (§ 296 Abs. 2 HGB).

E-Bilanz

Dieser ernüchternde Befund gilt umso mehr, als die Erleichterungen für Kleinst­kapital­gesell­schaften im Handelsrecht durch die Entwicklungen bei der Modernisierung des Be­steuerungs­verfahrens im Zuge der sogenannten E-Bilanz (§ 5b EStG) nahezu kassiert werden. So müssen alle Steuer­pflichtigen, die ihren Gewinn durch Betriebs­vermögens­vergleich ermitteln (in Deutschland sind dies mehr als 1,3 Millionen Unternehmen), für Wirtschafts­jahre, die nach dem 31. Dezember 2011 beginnen (dabei bestehen verschiedene Nichtbeanstandungs- und Übergangsregelungen), ihre Bilanz und GuV elektronisch an die Finanzbehörden übermitteln. Grund hierfür ist, dass bilanz­ierende Steuer­pflichtige für Bilanz und GuV erstmals ein steuerliches Gliederungs­schema, die sogenannte Steuer­taxonomie, verordnet bekommen, die auf der Internet­seite www.esteuer.de veröffentlicht und mit BMF-Schreiben vom 5. Juni 2012 (LEXinform 5234039) bekannt gemacht wurde. Mit Schreiben vom 27. Juni 2013 hat das BMF das aktualisierte Datenschema der Taxonomien (Kern- und Branchen­taxonomien) ver­öffentlicht, das auch unter www.esteuer.de zum Abruf bereit steht. Die Kritik an der E-Bilanz konzentriert sich zum einen auf den hohen De­taillierungs­grad der Steuer­taxonomie, der spürbar über die handels­rechtlichen Vor­schriften zur Gliederung von Bilanz und GuV (§§ 266, 275 HGB) hinausreicht. Unternehmen stehen deshalb vor der enormen Heraus­forderung, aus dem unter­nehmens­indi­viduellen Kontenplan die E-Bilanz nach Maßgabe der Steuer­taxonomie zu erstellen. Zum anderen enthält die Steuer­taxonomie – mit Ausnahme von Härte­fall­regelungen – keine Erleichter­ungen in Abhängigkeit der Größe eines Unter­nehmens. Den berechtigten Stimmen, die im Zuge des MicroBilG einen Gleichlauf von handels- und steuer­rechtlichen Er­leichter­ungen für Kleinst­kapital­gesell­schaften angeregt hatten (vgl. nur Stellungnahme der Bundes­steuer­berater­kammer vom 3. September 2012 zum Referenten­entwurf (RegE) MicroBilG, S. 4), hatte der Gesetzgeber des MicroBilG indes bewusst eine Absage erteilt (vgl. RegE MicroBilG vom 19. September 2012, S. 19). „Mithin wird die vermeintliche Entlastung von Kleinst­kapital­gesell­schaften durch die Einführung der E-Bilanz und dem damit verbundenen XBRL-Reporting faktisch aufgehoben und gleichsam in der praktischen Anwendung ad absurdum geführt“ (Haller/Groß, DB 2012, S. 2413).
Nachdem der deutsche Gesetzgeber mit dem Bilanz­rechts­modernisierungs­gesetz (BilMoG) bereits bestimmte Einzel­kaufleute von Buchführungs- und Rechnungs­legungs­pflichten befreit hat (§ 241a HGB), wollte das MicroBilG Kleinst­kapital­gesell­schaften neuerlich von Pflichten bei der Rechnungs­legung und Offen­legung entlasten. Mit der klaren Absage an korres­pondierende Erleichterungen für Kleinst­kapital­gesell­schaften bei der so­genannten E-Bilanz ist die wohl­gemeinte Entlastung durch das MicroBilG indes steuerlich zu­nichte­gemacht worden.

Fazit

Am Ende reduziert sich diese auf die Er­leichterung bei der Offen­legung ihrer Rechnungs­legung (Hinter­legungs­bekannt­machung).
Immerhin mag es ein Trost sein, dass im Zuge des MicroBilG auch die in der Praxis äußerst bedeut­samen Befreiungs­vor­schriften der §§ 264 Abs. 3, 264b HGB (gemeinschafts­rechts­konform) geändert wurden (vgl. hierzu Ischebeck/Oser, B 110, in: Beck’sches Handbuch der Rechnung­slegung). So können für Geschäfts­jahre, die nach dem 31. Dezember 2012 beginnen, nunmehr auch ausländische Mutter­unter­nehmen für inländische Kapital- und haftungs­beschränkte Personen­handels­gesell­schaften Er­leichter­ungen bei der Auf­stellung, Prüfung und/oder Offen­legung ihrer Rechnungs­legung vermitteln.

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Weitere Informationen zu MicroBilG erhalten Sie unter
www.datev.de/microbilg.

Weitere Infor­mationen zur E-Bilanz, bei­spiels­weise zum DATEV-Schulungs­angebot, er­halten Sie unter www.datev.de/ebilanz.

Eine thematisch geordnete Auf­listung der Dokumente zur E-Bilanz finden Sie auf der Info-Datenbank. „E-Bilanz: Elek­tronische Über­mitt­lung der Abschlus­sdaten an die Finanz­ver­waltung“ (Dok.-Nr. 1021839).

Zum Autor

PO
Prof. Dr. Peter Oser

Wirtschaftsprüfer und Steuerberater in Stuttgart

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