Ob digitale Speicherverfahren einer gerichtlichen Überprüfung standhalten, wurde von der Universität Kassel zusammen mit der DATEV eG in einer Simulationsstudie von Richtern und Anwälten untersucht.
Eingehende Papierdokumente zu scannen und das Original zu vernichten (ersetzendes Scannen), ermöglicht Unternehmen eine elektronische Aktenführung und -aufbewahrung und spart dadurch viel Platz und Arbeit. Dennoch zögern viele Unternehmen, dies zu tun, weil sie – spätestens in einem Prozess – Rechtsnachteile befürchten. Bisher gibt es keine Urteile, die auf einer Beweisaufnahme mit gescannten Dokumenten beruhen. Daher herrscht eine gewisse Rechtsunsicherheit. Um diese zu reduzieren, hat die DATEV eG zusammen mit Professor Roßnagel und seiner Projektgruppe verfassungsverträgliche Technikgestaltung (provet) von der Universität Kassel eine Simulationsstudie zum Beweiswert gescannter Dokumente durchgeführt.
Simulationsstudie
Die Simulationsstudie ist eine wissenschaftliche Methode zur Technikbewertung und -gestaltung, die von Professor Roßnagel und seinem Team bereits mehrfach erfolgreich angewandt wurde. Sie ermöglicht es, die Erfahrung von echten Richtern, Sachverständigen und Rechtsanwälten auszuwerten, die mehrere Beweisaufnahmen mit gescannten Dokumenten durchgeführt haben. Zugleich sollen aber echte Schäden vermieden werden. Daher wurden im Vorfeld der Prozesse Fallakten nachgebildet und den Anwälten für ihre ersten Schriftsätze gegeben. Von da an haben die Beteiligten die Rechtsstreitigkeiten so durchgeführt, wie es den Prozessordnungen und ihrem professionellen Verhalten entspricht. In jeweils sieben Prozessen vor dem Zivil- und dem Finanzgericht haben sie, von außen unbeeinflusst, sechs Wochen lang Schriftsätze ausgetauscht, Beweisbeschlüsse gefasst und am 29. und 30. Oktober 2013 in Nürnberg die mündlichen Verhandlungen durchgeführt. Die Schriftsätze, die Gutachten, die Urteile und die Protokolle werden nun ausgewertet.
Vorbildwirkung
Die Urteile können eine Vorbildwirkung für die juristische Diskussion entfalten.
Die 14 simulierten Gerichtsverhandlungen können zwar keine umfassende Rechtssicherheit herstellen, jedoch können die getroffenen Urteile Vorbildwirkung für die juristische Diskussion entfalten und bieten einen Zugewinn an Einschätzungssicherheit. Sie haben gezeigt, dass die Richter das gescannte Dokument als Beweismittel ebenso akzeptieren wie die Papierkopie. Sie haben Beweiseinreden gegen die Verlässlichkeit des Scannens nur näher geprüft, wenn die Echtheit des Beweismittels substantiiert bestritten wurde. Dann prüfte das Gericht, wer mit welchem plausiblen Motiv und mit welchen Mitteln das Originaldokument hätte fälschen oder verfälschen können beziehungsweise mit welchen Verfahren das Dokument gescannt wurde und welche Maßnahmen zur Qualitätssicherung dabei berücksichtigt wurden.
Scannen in drei Stufen
Für den Beweiswert sind drei Stufen des Scannens zu unterscheiden: Die Echtheit des Papierdokuments kann nach dem Vernichten nicht mehr geprüft werden. Daher sollten wichtige Urkunden, etwa eine Bürgschaftserklärung, nicht vernichtet werden. In der Beweisaufnahme kann auch bei Fehlen des Originals geprüft werden, ob bei der Erstellung der Urkunde schon ein Manipulationsinteresse vorlag. Auch können zusätzliche Beweismittel wie Überweisungen, Buchungen und Ähnliches zur Plausibilitätsprüfung herangezogen werden.
Die zweite Stufe betrifft die korrekte Übertragung in ein elektronisches Dokument. Sie kann durch Organisationsanweisungen, die etwa Verfahrensvorgaben, Verantwortungszuweisungen, stichprobenartige Sichtkontrollen vorsehen, und deren Einhaltung plausibel gemacht werden. Wird das Scannen von einem Dienstleister durchgeführt, verstärkt dies die Annahme einer korrekten Übertragung, während dies bei einem Scannen durch die Partei, die von einer Manipulation einen Vorteil hätte, bei weiteren Verdachtsgründen leichter bezweifelt wird. Außerdem unterstützt eine Zertifizierung des Scanverfahrens die Beweisführung.
Die dritte Stufe betrifft die Echtheit des gescannten elektronischen Dokuments. Dieses könnte ohne technische Sicherungen nachträglich unbemerkt verändert worden sein. Elektronische Sicherungsmittel (wie automatisch vom Scanner angebrachte Zeitstempel oder Signaturen) können je nach Qualität die Zweifel erschüttern oder sogar widerlegen.
Technische und organisatorische Empfehlungen zur Verstärkung des Beweiswerts enthält die Technische Richtlinie des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) TR-03138 „Ersetzendes Scannen“ vom April 2013. In der Simulationsstudie wurde auch die Eignung dieser Vorgaben für die Beweisführung untersucht. Das Ergebnis: Wer die technischen und organisatorischen Vorgaben der TR-03138 einhält und dies in einem automatischen Transfervermerk dokumentiert, kann leichter die Überzeugung der Richter gewinnen, dass das gescannte elektronische Dokument richtig übertragen und unverändert ist.
Fazit
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass Unternehmen in Zivil- und Steuerprozessen auch mit ersetzend gescannten Dokumenten Beweis führen können. Nur für wenige Dokumente, vor allem solche, die täglich ausgetauscht werden, ist zu empfehlen, das Original aufzubewahren. Der Beweiswert kann erhöht werden, wenn die technischen und organisatorischen Empfehlungen der TR-03138 eingehalten werden.
Video: Simulationsstudie zum Ersetzenden Scannen
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Dokument „Revisionssichere Archivierung“ aus der Info-Datenbank (Dok.-Nr. 1033898)
Weitere Informationen: www.datev.de/dms
Die Ergebnisse der von der Universität Kassel, Prof. Roßnagel, ausgewerteten Studie finden Sie auf den Seiten der DATEV-Pressestelle oder direkt über www.datev.de/ersetzendes-scannen