Wegen der restriktiven Auslegung ihrer Voraussetzungen schwebt über jeder Organschaft das Damoklesschwert der Nichtanerkennung. Der Gesetzgeber hat mit der kleinen Organschaftsreform für die besonders streitanfälligen Voraussetzungen spürbare Erleichterungen geschaffen.
Die restriktive Auslegung und Anwendung der Voraussetzungen einer ertragsteuerlichen Organschaft durch Finanzrechtsprechung und -verwaltung, namentlich die ordnungsgemäße Durchführung des Ergebnisabführungsvertrags (EAV) sowie die Vereinbarung einer Verlustübernahme entsprechend § 302 Aktiengesetz (AktG) im EAV, führt in der Praxis nicht selten dazu, dass über jeder Organschaft das Damoklesschwert der Nichtanerkennung schwebt mit enormen Steuerrisiken für die Unternehmen und Haftungsrisiken für deren Berater und Prüfer. Mit dem Gesetz zur Änderung und Vereinfachung der Unternehmensbesteuerung und des steuerlichen Reisekostenrechts vom 20. Februar 2013 (UntStVereinfG) hat der Gesetzgeber für diese beiden besonders streitanfälligen Voraussetzungen nun spürbare Erleichterungen geschaffen.
Neue Durchführungsfiktion
Nach der neu ins Körperschaftsteuergesetz (KStG) eingeführten Durchführungsfiktion des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 4 und 5 KStG, die (rückwirkend) in allen noch offenen Veranlagungen anwendbar ist, gilt ein EAV auch als durchgeführt, wenn der abgeführte Gewinn oder ausgeglichene Verlust auf einem Jahresabschluss beruht, der fehlerhafte Bilanzansätze enthält, wenn
- der Jahresabschluss wirksam festgestellt ist,
- der Kaufmann den Fehler im Jahresabschluss nicht hätte erkennen müssen und
- ein von der Finanzverwaltung beanstandeter Fehler im Jahresabschluss der Organgesellschaft (OG) bzw. des Organträgers (OT) korrigiert und das Ergebnis entsprechend abgeführt oder ausgeglichen wird, soweit es sich um einen Fehler handelt, der in der Handelsbilanz zu korrigieren ist.
Fehlerhafte Bilanzansätze
Voraussetzung für die neue Durchführungsfiktion ist ein fehlerhafter Bilanzansatz im handelsrechtlichen Jahresabschluss.
Voraussetzung für die Anwendbarkeit der neuen Durchführungsfiktion ist ein fehlerhafter Bilanzansatz im handelsrechtlichen Jahresabschluss. Fehlerhafte Bilanzansätze sind nicht nur Fehler beim Ansatz, sondern auch bei der Bewertung sowie gegebenenfalls beim Ausweis. Für die Durchführungsfiktion ist der subjektive Fehlerbegriff des Handelsrechts maßgeblich, der IDW RS HFA 6 zugrunde liegt und dem das Merkmal der Wesentlichkeit inne ist. Der jüngst vom Großen Senat des Bundesfinanzhofs mit Beschluss vom 31. Januar 2013 für das Bilanzsteuerrecht reaktivierte objektive Fehlerbegriff für bilanzielle Rechtsfragen ist und bleibt für das Handelsrecht unbeachtlich. Die Durchführungsfiktion setzt unter anderem voraus, dass der Kaufmann den Fehler in der Handelsbilanz nicht hätte erkennen müssen. Zur Operationalisierung dieses auslegungsbedürftigen Tatbestandsmerkmals hat der Gesetzgeber in Satz 5 die weitere Fiktion eingeführt, nach der die Voraussetzung des Satzes 4 Buchstabe b) als erfüllt gilt, wenn ein uneingeschränkter Bestätigungsvermerk oder eine qualifizierte Erstellungsbescheinigung für die OG oder den OT vorliegen.
Verlustübernahmevereinbarung
Ab dem 26. Februar 2013 neu abgeschlossene EAV müssen einen dynamischen Verweis auf die entsprechende Anwendung des § 302 AktG enthalten (zum Beispiel „Für die Verlustübernahme gelten die Vorschriften des § 302 AktG in seiner jeweils gültigen Fassung entsprechend.“). Flankierende statische Elemente in der Verlustübernahmevereinbarung (zum Beispiel die wörtliche Wiedergabe des § 302 Abs. 1 AktG) sind unschädlich, sollten aber vermieden werden.
Altverträge, also EAVs, die vor dem 26. Februar 2013 wirksam abgeschlossen wurden, müssen nicht geändert werden, wenn sie eine gesetzeskonforme Verlustübernahmevereinbarung nach § 17 KStG a. F. enthalten. Wird ein „guter“ Altvertrag indes geändert (aus welchem Grunde auch immer), muss im Zuge der Änderung des Altvertrags ein dynamischer Verweis auf die entsprechende Anwendung des § 302 AktG aufgenommen werden. Liegt dagegen ein „schädlicher“ Altvertrag vor, kann dieser bis zum 31. Dezember 2014 geheilt werden, wenn eine Verlustübernahme entsprechend § 302 AktG tatsächlich erfolgt ist und eine Verlustübernahme entsprechend § 17 S. 2 Nr. 2 KStG n. F. bis zum Ablauf des 31. Dezember 2014 wirksam vereinbart wird. Zu beachten ist, dass die Änderung eines „schädlichen“ Altvertrags nicht als Neuabschluss eines EAV gilt (§ 34 Abs. 10b Satz 4 KStG). Dies ist bedeutsam, da andernfalls eine Organschaft scheitern würde, falls zum Zeitpunkt der Änderung des EAV die fünf Zeitjahre noch nicht abgelaufen sind.
Fazit
Die ertragsteuerliche Organschaft hat sich inzwischen zu einem hoch explosiven Dauerstreitthema entwickelt. Mit der kleinen Organschaftsreform bietet der Gesetzgeber eine Hilfe für zwei praktisch bedeutsame Fallstricke der Organschaft an. Dies ist zu begrüßen und sollte nicht neuerlich durch eine allzu restriktive Auslegung und Anwendung der Neuregelung konterkariert werden.