EU-Güterrechts­ver­ord­nung - 15. Oktober 2019

Erleichterung für Paare

Ehen und einge­tra­gene Lebens­part­ner­schaften mit inter­na­tio­nalem Bezug nehmen deutlich zu. Die kom­plexen Regelungen, nicht zuletzt im Schei­dungs­fall, wurden jetzt in weiten Teilen der EU etwas entschärft.

Bei gemischten Familienbeziehungen und binationalen Ehen müssen sowohl Gerichte als auch Rechtsanwälte beziehungsweise Steuerberater überprüfen, nach welchem Recht die ver­mö­gens­recht­lichen Beziehungen zwischen den Ehegatten aufgrund der Ehe oder deren Auflösung geregelt werden. Rechtliche Kollisionsfälle sind nicht selten, da schon allein die Zahl der in Deutschland geschlossenen binationalen Ehen von 3,6 Prozent im Jahr 1950 auf 11,7 Prozent im Jahre 2017 gestiegen ist (vgl. unter www.verband-binationaler.de/presse/zahlen-fakten/eheschliessungen, abgerufen am 08.07.2019). Mithilfe der EU-Güterrechtsverordnung (Verordnung [EU] 2016/1103 – EuGüVO) sowie für eingetragene Partnerschaften parallel der Verordnung (EU) 2016/1104 (EuPartVO) – auf Letztere wird in diesem Artikel nicht näher eingegangen – vom 24. Juni 2016 wird eine Harmonisierung auf europäischer Ebene im Bereich des internationalen Privat- und Verfahrensrechts angestrebt.

Zweck und Gültigkeitsbereich

Die EuGüVO gilt jedoch nicht in der gesamten EU, sondern lediglich in Deutschland und weiteren 17 Staaten.

Allein innerhalb Europas sind die Rechts­ord­nungen schon so unterschiedlich, dass mithilfe der EuGüVO nun die ver­mö­gens­recht­lichen Be­zie­hun­gen zwischen den Ehegatten einheitlich geregelt sowie eine rechtssichere Ver­mögens­pla­nung ermöglicht werden sollen (Erwägungsgrund 8 der Verordnung). Die EuGüVO gilt jedoch nicht innerhalb der gesamten Europäischen Union, sondern lediglich in Deutschland und weiteren 17 Staaten. Diese haben sich zur Durchführung der verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Zuständigkeit, des anzuwendenden Rechts und der An­er­ken­nung sowie Vollstreckung von Entscheidungen in Fragen des ehelichen Güterstands be­zie­hungs­weise güterrechtlicher Wirkungen eingetragener Partnerschaften verständigt.

Anwendungsbereich und Reichweite

In Art. 1 EuGüVO ist der sachliche Anwendungsbereich definiert; die Norm regelt die Güterstände der Ehen, die ab dem 29. Januar 2019 geschlossen worden sind, oder betrifft zuvor geschlossene Ehen mit einer Rechtswahl zum Ehegüterstatut. Dadurch bleibt der Art. 15 Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche (EGBGB, alte Folge) mit der Anknüpfung an die gemeinsame Staatsangehörigkeit der Ehegatten noch lange für die Rechtsberatung sowie die Gerichte relevant. Die Reichweite wird in Art. 27 EuGüVO sowie in Art. 3 EuGüVO (Begriff des Güterrechts) näher definiert. Art. 1 Abs. 2 EuGüVO grenzt den Anwendungsbereich negativ ab, sodass beispielsweise die Fragen des Unterhaltsrechts, des Versorgungsausgleichs oder die Rechtsfolge nach dem Tod eines Ehegatten nicht unter den Art. 3 EuGüVO fallen. Danach werden alle vermögensrechtlichen Regelungen definiert, die zwischen den Ehegatten und ihren Beziehungen zu Dritten aufgrund der Ehe oder deren Auflösung gelten. Das hat zur Folge, dass einige nationale Regelungen, die bisher dem allgemeinen Ehewirkungsstatut nach Art. 14 EGBGB unterfielen, nun güterrechtlich qualifiziert werden, wie etwa die Regelung in § 1357 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) bezüglich der Mitverpflichtung des anderen Ehegatten oder die Eigentumsvermutung nach § 1362 BGB sowie die Verfügungsbeschränkungen der §§ 1365, 1369 BGB. Die nach islamischem Recht vereinbarte Morgengabe wird, sofern nicht die Unterhaltsfunktion betroffen ist, vom Güterrechtsstatut geregelt, obwohl der Bundes­ge­richts­hof (BGH) diese Frage bis dato den allgemeinen Ehewirkungen unterstellte (BGH, Beschluss vom 04.02.2010 – IX ZB 57/09). In der Verordnung selbst wird der Begriff der Ehe nicht definiert, das wird dem nationalen Recht der Mitgliedstaaten überlassen (Erwägungsgrund 17 der Verordnung).

Gewöhnlicher Aufenthalt

Sofern Ehegatten bei der Eheschließung oder danach keine wirksame Rechtswahl nach Art. 22 EuGüVO getroffen haben, wird nach Art. 26 Abs. 1 EuGüVO zuerst das Recht des ersten gemeinsamen Aufenthaltsorts der Eheleute für den Güterstand angewandt; dies unabhängig davon, wo sich die Vermögensgegenstände befinden und ob die Ehegatten inzwischen woanders hingezogen sind. Der gewöhnliche Aufenthalt wird jedoch in der Verordnung nicht erläutert. Maßgebend ist der tatsächliche Lebensmittelpunkt der Ehegatten, was jedoch nicht mit Wohnsitz oder dem gemeinsamen Hausstand gleichzusetzen ist (vgl. Palandt, 78. Aufl., Art. 26 EuGüVO, Rn. 2). In den Erläuterungen wird die Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt mit der Rechtssicherheit und der Vorhersehbarkeit des anwendbaren Rechts begründet. Allerdings dürften sich die wenigsten Eheleute bei der Eheschließung im Ausland Gedanken darüber machen, dass für ihre Ehe aufgrund ihres gewöhnlichen Aufenthalts im Ausland ein ausländisches Güterrecht zur Anwendung kommt, sofern sie keine Rechtswahl getroffen haben oder treffen werden. Sowohl für die Ehegatten als auch Dritte entstehen mit Blick auf einen eventuell nicht bekannten ausländischen Güterstand Rechtsunsicherheiten. Sollten die Ehegatten zu Beginn der Ehe keinen gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt besitzen, wird in einer zweiten Stufe die gemeinsame Staatsangehörigkeit der Ehegatten herangezogen. Fehlt es hieran, wird auf die engste Verbindung abgestellt.

Späterer gemeinsamer Aufenthalt

Nach Art. 26 Abs. 3 EuGüVO kann auf den Güterstand ausnahmsweise das Recht des Staats eines späteren gemeinsamen Aufenthalts der Eheleute anwendbar sein, wenn dieser viel länger andauert und somit die Ehegatten auf das Recht dieses Staats vertraut haben. Die Verordnung schweigt darüber, wann diese Voraussetzungen erfüllt sind. Insoweit kommt es auf die Gesamtumstände des Einzelfalls an. Für diese Ausweichmöglichkeit ist jedoch ein Antrag erforderlich. Außerdem gilt die Ausnahme nur im Falle der Anknüpfung an den ersten gewöhnlichen Aufenthalt, nicht aber bei den weiteren Anknüpfungspunkten. Abweichend vom Unwandelbarkeitsgrundsatz wird hier für den Güterstand rückwirkend das Recht des Staats des letzten gewöhnlichen Aufenthalts angewendet.

Rechtswahl

Die Ehegatten können nach Art. 22ff. EuGüVO eine Rechtswahl treffen, die vor einer Verknüpfung nach Art. 26 EuGüVO vorrangig ist. Die bisherige Möglichkeit einer ein­ge­schränk­ten Rechtswahl nach der Staatsangehörigkeit beziehungsweise dem Recht des gewöhnlichen Aufenthalts eines Ehegatten nach Art. 15 Abs. 1 (alte Folge), Art. 14 Abs. 2 und 3 EGBGB beziehungsweise nach Art. 15 Abs. 2 EGBGB (alte Folge) – nun neu formuliert im Art. 14 EGBGB – besteht weiterhin. Nach Art. 22ff. EuGüVO kann das Recht des Staates, in dem beide Ehegatten ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben oder ein Ehegatte seinen ge­wöhn­lichen Auf­ent­halt hat, oder das Recht des Staats, dessen Staatsangehörigkeit ein Ehegatte zum Zeitpunkt der Rechtswahl hat, gewählt werden. Die Rechtswahl muss schriftlich mit der Angabe des Datums erfolgen und von beiden Ehegatten unterschrieben sein (Art. 23 Abs. 1 Satz 1 EuGüVO). Ebenfalls kann die Rechtswahl elektronisch mit dauerhafter Möglichkeit der Aufzeichnung getroffen werden. Sofern die Ehegatten gemäß Art. 23 Abs. 2 EuGüVO ihren gewöhnlichen Aufenthalt in einem Mitgliedstaat haben, der eine strengere Form vorsieht, gilt der Grundsatz des strengeren Rechts mit der Folge, dass in Deutschland gemäß der §§ 1408, 1410 BGB für eine Rechtswahl eine notarielle Beurkundung bei gleichzeitiger Anwesenheit der Ehegatten erforderlich ist. Die materielle Wirksamkeit der Rechtswahl beurteilt sich nach Art. 24 EuGüVO und somit nach dem gewählten Recht. Ob etwa eine wirksame Einigung zwischen den Ehegatten stattgefunden hat, richtet sich mithin nach dem gewählten Recht.

Formvorschriften und Auswirkungen auf Dritte

In Art. 25 EuGüVO ist hinsichtlich der Formgültigkeit einer Vereinbarung über den ehelichen Güterstand ebenso Schriftform, Datierung und eine Unterschrift vorgesehen. Der Begriff der Vereinbarung ist umfassender als ein Ehevertrag im Sinne des § 1408 BGB. Die materielle Wirksamkeit hingegen unterliegt gemäß Art. 27 EuGüVO dem Güterstatut. Die Wirkungen des gewählten Güterstatuts, insbesondere die sich daraus ergebenden Einschränkungen der Verfügungsbefugnis im Sinne des § 1365 BGB, tangieren auch die Interessen Dritter, und deswegen ist in Art. 28 EuGüVO eine zentrale Norm zum Schutz Dritter vorgesehen. Hiernach ist bei Streitigkeiten zwischen einem Dritten und einem beziehungsweise beiden Ehegatten das anwendbare Recht für den Güterstand nur dann entgegenzuhalten, wenn der Dritte dieses Recht kannte oder hätte kennen müssen. Etwaige Hinweise auf eine fremde Staats­an­ge­hö­rig­keit dürften hierbei nicht ausreichen; maßgeblich ist lediglich Kenntnis auf die Geltung einer Rechtsordnung, nicht auf deren Inhalt, wobei nach Abs. 2 diese Kenntnis in be­stimm­ten Fall­gruppen fiktiv unterstellt wird.

Bezugspunkte zum Erbrecht

Der Güterstand ist in Deutschland nicht nur im Familienrecht relevant, sondern auch im Erbrecht. Der pauschalierte Zugewinnausgleichsanspruch nach § 1371 Abs. 1 BGB ist jedoch nach Ansicht des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) nicht güterrechtlich (so bisher der BGH, Beschluss vom 13.05.2015 – IV ZB 30/14), sondern erbrechtlich zu qualifizieren (EuGH, Urteil vom 01.03.2018 – C-558/16). Sofern etwa ein ausländisches Erbstatut mit deutschem Güterstand zusammentrifft, können für den überlebenden Ehegatten Nachteile entstehen, wenn die ausländische Rechtsordnung den überlebenden Ehegatten grundsätzlich nach güterrechtlichen Regeln abfindet und ihm daneben nur einen relativ geringen gesetzlichen Erbteil einräumt, wie etwa im französischen Recht. Mit einer klaren rechtlichen Regelung im Vorfeld werden Unsicherheiten in diesem Zusammenhang vermieden.

Zuständigkeit, Gerichtsstand und Vollstreckung

Zu erwähnen ist außerdem, dass Entscheidungen der teilnehmenden Staaten ohne be­son­de­res Verfahren nach Art. 36ff. EuGüVO anerkannt werden können. Die Voll­streckungs­vor­schriften finden sich in Art. 42, 44ff. EuGüVO. Für die internationale Zuständigkeit sieht die Verordnung in Art. 4ff. EuGüVO gesonderte Regelungen vor, wonach die jeweiligen ­Gerichte akzessorisch vorrangig zuständig sind. Fehlt ein ­solcher akzessorischer Gerichtsstand nach Art. 4 beziehungsweise Art. 5 EuGüVO, wird gemäß Art. 6 EuGüVO der gemeinsame gewöhnliche Aufenthalt der Ehegatten herangezogen.

Fazit und Ausblick

Angesichts der steigenden Zahlen der binationalen Ehen schafft die Ver­ord­nung auf europäischer Ebene im Bereich des internationalen Privat- und Verfahrensrechts einheitliche Regeln. Die Verordnung ist ein wichtiger Baustein neben den bereits ergangenen Ver­ord­nun­gen zu Ehesachen, der elterlichen Verantwortung und zum Unterhalt zur Har­mo­ni­sie­rung im Bereich des Familienrechts auf europäischer Ebene. Die Güter­rechts­ver­ord­nung knüpft an den ersten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt der Ehegatten nach der Eheschließung an, für die Erbrechtsverordnung ist hingegen der letzte gewöhnliche Aufenthalt des Erblassers maßgebend. Hierdurch kann es zu Konflikten zwischen dem Ehegüter- und dem Erbrecht kommen. Es bleibt abzuwarten, ob es in der Praxis tatsächlich wesentliche Änderungen zu der bisher bestehenden Rechtslage in Deutschland kommen wird.

Fotos: Classen RafaelCristian Bortes; dane_mark; Pakin Songmor; Tuomas Lehtinen / Getty Images