Mit der neuen Regelung zur Steuerbefreiung von Sanierungserträgen und der Wiedereinführung der Sanierungsklausel für den Verlustabzug bei Körperschaften wird das deutsche Steuerrecht deutlich sanierungsfreundlicher.
Aufgrund des lang anhaltenden wirtschaftlichen Aufschwungs in Deutschland ist es in der breiteren Öffentlichkeit kaum aufgefallen, dass die steuerlichen Erleichterungen für Unternehmenssanierungen in den vergangenen Jahren faktisch abgeschafft wurden. Gerade mehren sich jedoch die Zeichen dafür, dass die gute Konjunktur zu Ende gehen könnte. Vor diesem Hintergrund ist es sehr erfreulich, dass das deutsche Steuerrecht durch die Steuerbefreiung für Sanierungserträge und die Sanierungsklausel wieder krisenfester wird. Hinzu kommt neue Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), wonach grenzüberschreitende Sanierungsmaßnahmen innerhalb der Europäischen Union (EU) nicht unbedingt dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechen müssen.
Forderungsverzicht
Erklären Dritte, etwa Banken, einen Forderungsverzicht, kommt es immer zu einem außerordentlichen Ertrag.
Verzichten Gesellschafter im Rahmen von Sanierungen auf Forderungen gegenüber der Gesellschaft, kommt es nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zu einem außerordentlichen Ertrag, soweit der Nominalwert der Forderung deren Teilwert übersteigt. Erklären Dritte, etwa Banken, einen Forderungsverzicht, kommt es immer zu einem außerordentlichen Ertrag. Dabei handelt es sich um reine Bilanzgewinne, die unmittelbar keine Auswirkungen auf die Zahlungsfähigkeit der Gesellschaft haben. Gleichwohl sind diese Gewinne grundsätzlich steuerpflichtig und können hohe Steuerzahlungen der zu sanierenden Gesellschaft zur Folge haben, was letztlich zum Scheitern der Sanierung führen kann.
Sanierungserlass
Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) hatte mit Schreiben vom 27. März 2003 den sogenannten Sanierungserlass veröffentlicht. Danach sollte für Einkommen- und Körperschaftsteuerzwecke ein steuerlicher Verlustabzug im Hinblick auf Sanierungsgewinne ohne Einschränkung durch die Mindestbesteuerung gemäß § 10d Einkommensteuergesetz (EStG) möglich sein. Eine auch nach Verlustabzug verbleibende Einkommen- oder Körperschaftsteuer auf den Sanierungsgewinn konnte gestundet und später erlassen werden. Hinsichtlich der Gewerbesteuer waren die Maßnahmen in Parallelität zum Sanierungserlass allerdings bei den einzelnen Gemeinden, in denen die Schuldnergesellschaft Betriebsstätten hatte, zu beantragen und mit diesen zu verhandeln. Durch Beschluss vom 28. November 2016 hat der Große Senat des BFH den Sanierungserlass jedoch für rechtswidrig erklärt, weil er die Kompetenzen des BMF überschreite.
Steuerbefreiung von Sanierungserträgen
Als Reaktion auf diesen Beschluss des BFH hat der Gesetzgeber § 3a EStG und § 7b Gewerbesteuergesetz (GewStG) eingeführt, die wie der Sanierungserlass ausschließen sollen, dass die Besteuerung von Bilanzgewinnen Sanierungen verhindert. Diese neuen Vorschriften haben aber eine andere Regelungstechnik als der Sanierungserlass. Nach § 3a Abs. 1 Satz 1 EStG ist ein Ertrag aufgrund eines Schuldenerlasses zum Zwecke einer unternehmensbezogenen Sanierung (Sanierungsertrag) steuerfrei. Dabei muss der Steuerpflichtige nachweisen, dass eine unternehmensbezogene Sanierung vorliegt (§ 3a Abs. 2 EStG). Die Steuerbefreiung für Sanierungserträge gilt für Einzelunternehmen, Mitunternehmerschaften und Körperschaften (§ 8 Abs. 9 Satz 9 Körperschaftsteuergesetz – KStG). Bei Einzelunternehmen und Mitunternehmerschaften kommt die Steuerbefreiung bei Schuldenerlass durch externe Gläubiger in Betracht. Aufgrund der Einführung des § 7b GewStG gilt die Steuerbefreiungsregelung auch für Gewerbesteuerzwecke, was ein großer Vorteil gegenüber dem Sanierungserlass ist.
Verlustverbrauch
Betriebsausgaben im Zusammenhang mit einem steuerfreien Sanierungsertrag (zum Beispiel Rechts- und Steuerberatungskosten) dürfen steuerlich nicht abgezogen werden (§ 3c Abs. 4 EStG), diese Ausgaben mindern aber den Sanierungsertrag (§ 3a Abs. 3 Satz 1 EStG). Der verbleibende Sanierungsertrag mindert gemäß § 3a Abs. 3 Satz 2 EStG den nach § 4f EStG zu verteilenden Aufwand sowie unterjährige Verluste, Verlustvorträge und einen Verlustrücktrag ohne Einschränkung durch die Mindestbesteuerung. Übersteigt der Sanierungsertrag diese Verluste, mindert er auch den Zins- und den EBITDA-Vortrag für Zwecke der Zinsschranke. Entsteht der Sanierungsertrag auf der Ebene einer Organgesellschaft, findet § 3a Abs. 3 EStG auch auf der Ebene des Organträgers Anwendung, soweit auf Ebene der Organgesellschaft nach den Minderungen gemäß § 3a Abs. 3 Satz 1 bis Satz 3 EStG ein Sanierungsertrag verbleibt (§ 15 Satz 1 Nr. 1a Satz 1 KStG). Zudem mindert der Sanierungsertrag einen unterjährigen negativen Gewerbeertrag sowie gewerbesteuerliche Fehlbeträge ohne Einschränkung durch die Mindestbesteuerung (§ 7b Abs. 2 Satz 1 GewStG). Bei Organschaften kann der Sanierungsertrag der Organgesellschaft auch die gewerbesteuerlichen Verluste des Organträgers mindern (§ 7b Abs. 3 GewStG). Durch diese Abzüge wird zukünftiges Steuerminderungspotenzial im Rahmen der Sanierung vorzeitig verbraucht. Die echte Steuerbefreiung beschränkt sich dadurch auf den Betrag, um den der Sanierungsertrag zu verteilenden Aufwand, vorhandene Verluste sowie den Zins- und den EBITDA-Vortrag übersteigt.
Anwendung der Steuerbefreiung
Die Anwendung der Steuerbefreiung für Sanierungserträge stand bisher unter dem Vorbehalt, dass die Europäische Kommission deren Vereinbarkeit mit EU-Beihilferecht förmlich feststellen muss. Stattdessen hat die Kommission in einem unveröffentlichten Comfort Letter mitgeteilt, dass sie keine Einwände hat. Der Gesetzgeber hat daraufhin im Gesetz zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen beim Handel mit Waren im Internet und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 11. Dezember 2018 (BGBl. I, S. 2338 – Jahressteuergesetz 2018) bestimmt, dass die Steuerbefreiung in Kraft tritt. § 3a EStG und § 7b GewStG gelten für Schuldenerlasse ab dem 9. Februar 2017. Auf Antrag des Steuerpflichtigen ist die Steuerbefreiung auch auf Schuldenerlasse vor dem 9. Februar 2017 anzuwenden. Für Schulderlasse vor dem 9. Februar 2017 lässt das BMF (Schreiben vom 29.03.2018) – anders als der BFH – auch die weitere Anwendung des Sanierungserlasses aus Vertrauensschutzgründen zu.
Sanierungsklausel und Beihilferecht
Im Jahr 2011 hatte die Europäische Kommission in einem Beschluss festgestellt, dass die Sanierungsklausel in § 8c Abs. 1a KStG nicht mit europäischem Beihilferecht vereinbar ist. Daraufhin hatte der Gesetzgeber die Anwendung der Sanierungsklausel ausgesetzt. Der EuGH hat durch Urteile vom 28. Juni 2018 in den Rechtssachen Heitkamp BauHolding und Lowell Financial Services entschieden, dass der Beschluss der Kommission nichtig ist. Nach Ansicht des EuGH hat die Kommission das falsche Referenzsystem gewählt und ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Verlustuntergang bei Anteilseignerwechseln nach § 8c KStG die Regel und der Verlusterhalt gemäß der Sanierungsklausel die Ausnahme darstellt. In Wirklichkeit sei der Verlustvortrag die Regel. Als Reaktion auf diese Urteile ist im Jahressteuergesetz 2018 geregelt, dass die Sanierungsklausel für alle noch offenen Fälle ab dem Jahr 2008 anwendbar ist. Nach § 8c Abs. 1a KStG führen Beteiligungserwerbe zum Zweck der Sanierung des Geschäftsbetriebs nicht zum Verlustuntergang. Dadurch soll verhindert werden, dass Sanierungsmaßnahmen – wie zum Beispiel Kapitalerhöhungen mit einer schädlichen Veränderung der Beteiligungsquoten – durch den Verlustuntergang unrentabel werden. Durch die Abschaffung des bisherigen § 8c Abs. 1 Satz 1 KStG durch das Jahressteuergesetz 2018 können nur schädliche Beteiligungserwerbe von mehr als 50 Prozent zum Verlustuntergang führen. Deshalb spielt die Sanierungsklausel auch nur für solche Beteiligungserwerbe eine Rolle. Unternehmen, bei denen im Zusammenhang mit Sanierungen ein Verlustwegfall festgestellt wurde und bei denen die entsprechenden Bescheide noch geändert werden können, sollten bei ihrem Finanzamt umgehend entsprechende Anträge stellen.
Grenzüberschreitende Sanierungen
Mit Urteil vom 31. Mai 2018 hat sich der EuGH in der Rechtssache Hornbach-Baumarkt zur Besteuerung von grenzüberschreitenden Sanierungen geäußert. Vereinfacht ging es in dem Fall um eine deutsche Muttergesellschaft, die die Finanzierung ihrer niederländischen Tochtergesellschaft durch eine Patronatserklärung absicherte und hierfür von der Tochtergesellschaft kein Entgelt verlangte. Das Finanzamt erhöhte das Einkommen der Muttergesellschaft gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 Außensteuergesetz (AStG) um den Wert der Patronatserklärung. Der EuGH hat entschieden, dass eine Regelung wie § 1 AStG, wonach es nur in grenzüberschreitenden Fällen zur Anpassung von Verrechnungspreisen kommt, grundsätzlich mit der EU-Niederlassungsfreiheit vereinbar ist, wenn die Steuerpflichtigen die Möglichkeit haben, nachzuweisen, dass es wirtschaftliche Gründe für eine nicht fremdübliche Vereinbarung gibt. Das BMF hat durch Schreiben vom 6. Dezember 2018 auf diese Entscheidung reagiert und angeordnet, dass eine Korrektur der konzerninternen Verrechnungspreise unterbleibt, soweit der Steuerpflichtige sachbezogene, wirtschaftliche Gründe nachweisen kann, die eine vom Fremdvergleichsgrundsatz abweichende Vereinbarung erfordern, um die sonst bedrohte wirtschaftliche Existenz der betroffenen Tochtergesellschaft oder der gesamten Unternehmensgruppe zu sichern (sanierungsbedingte Maßnahme). Dieses BMF-Schreiben erleichtert grenzüberschreitende Sanierungsmaßnahmen von deutschen Muttergesellschaften innerhalb der EU wie Bürgschaften oder Darlehen zu nicht fremdüblichen Bedingungen, bei denen mangels eines einlagefähigen Vermögensvorteils keine verdeckte Einlage vorliegt.
Fazit
Durch die Einführung der Steuerbefreiung für Sanierungserträge, die Wiederanwendung der Sanierungsklausel und die Erleichterung grenzüberschreitender Sanierungen haben Unternehmen in der Krise neue steuerliche Spielräume. Unternehmenssanierungen erfordern eine sehr sorgfältige Planung.
Das gilt auch für die Nutzung dieser neuen steuerlichen Spielräume, die jeweils voraussetzen, dass der Steuerpflichtige die Sanierungsbedürftigkeit sowie die Sanierungsfähigkeit des Unternehmens beziehungsweise die Sanierungseignung der getroffenen Maßnahme belegt. Typischerweise ist dafür die Erstellung eines Sanierungsplans erforderlich.
Die Erstellung eines Sanierungskonzepts gemäß dem Standard IDW S 6 indiziert die Erfüllung der vorstehenden Sanierungsanforderungen. Unter Umständen genügt aber auch eine nicht standardisierte schriftliche Darstellung der Sanierungsmaßnahmen.
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