Nicht wenige Steuerexperten fürchten die Digitalisierung und die künstliche Intelligenz. Denn digitale Lösungen erhöhen das Arbeitstempo und werden zudem immer besser.
Kürzlich erläuterten zwei unserer Tax-Technology-Berater den Steuerfachleuten eines unserer Kunden eine mögliche Digitalisierungsstrategie ihrer Arbeitsbereiche. „Zunächst einmal vorsichtig“, hatte der Leiter Steuern im Vorfeld gewarnt. Warum vorsichtig, das offenbarten die Workshop-Teilnehmer schnell. Einerseits hatten sie Sorge, infolge der Digitalisierung Teammitglieder entlassen zu müssen. Andererseits war Angst zu spüren, selbst überflüssig zu werden oder das Gesicht zu verlieren, sollten sie die neuen Technologien schlechter als andere Teammitglieder begreifen. Und schließlich kam es auch zu hartnäckigen Einwänden, als es darum ging, von der vertrauten Excel-Welt in eine neue mit unendlich leistungsfähigeren Datenanalyse-Tools zu wechseln. All diese Bedenken sind kein Einzelfall, wie wir aus unserem Beratungsalltag wissen. Sie treiben viele Steuerfachleute beim Schlagwort Digitalisierung um. Nicht wenige verweigern sie deshalb – und gefährden damit unter Umständen den Erfolg ihres Unternehmens. Denn die Vorreiter der Digitalisierung im Steuerbereich werden Zögerer und Verweigerer demnächst verdrängen.
Potenziale einer neuartigen Steuer-Compliance
Im klassischen Compliance-Bereich der Steuerabteilung, also dem Erstellen von Steuererklärungen, herrscht nicht zuletzt aufgrund der neuen Möglichkeiten der Digitalisierung ein hoher Kostendruck. Inzwischen treiben deutlich gestiegene Transparenz- und Geschwindigkeitserwartungen – von Behörden und Mandanten gleichermaßen – die Digitalisierung im Steuerbereich. So sollen zahlreiche neue regulatorische Anforderungen mit weniger Personal in immer kürzerer Zeit bewältigt werden. Da liegt es im Interesse eines jeden, die zur Verfügung stehende Zeit für wertschöpfende Tätigkeiten zu nutzen. Daraus erwachsen riesige Potenziale für eine neuartige Steuer-Compliance und in Sachen Steuerplanung.
Steuerabteilungen sollten möglichst frühzeitig in neue Projekte einbezogen werden, da sie als zentrale Datensammelstellen von Unternehmen mit den heutigen Möglichkeiten weit mehr sein können als nur die Sichersteller steuerlicher Compliance. Insbesondere die neuen technischen Fähigkeiten von einfacher Automatisierung bis hin zu künstlicher Intelligenz (KI), also selbstlernende Software, machen das möglich.
Digitalisierung als Chance
Die Digitalisierung im Steuerbereich ist insondere die Chance für eine Neuausrichtung.
Eine umfassende Neuausrichtung des Berufsstands ist nicht mehr aufzuhalten. Manuelle Routinearbeiten bei Deklarationen, Lohnbuchhaltung, Steuererklärungen und Jahresabschlüssen können von automatisierten Lösungen effizienter und gleichzeitig rechtssicherer erledigt werden – insbesondere solche Tätigkeiten, die keine echte Steuerexpertise erfordern. Nach und nach werden sie von günstigeren, in Echtzeit arbeitenden und selbstständig dazulernenden Systemen übernommen. Nicht ausgeschlossen, dass Lohnbuchhaltung, Steuererklärungen und Jahresabschlüsse in Zukunft nur Nebenprodukte neuer Geschäftsmodelle sind und – manuell erstellt – immer weiter in den Hintergrund gedrängt werden. Die Digitalisierung im Steuerbereich ist insbesondere die Chance für eine Neuausrichtung. Durch die eingesparte Zeit von manuellen und wiederkehrenden Tätigkeiten bleibt mehr Zeit für die Lösung komplexer Fälle oder eine umfassende Beratung.
Lösungen für Behörden, Berater und Betriebe
Um ihre Chance zu nutzen, brauchen Mandanten und Steuerberater die richtigen digitalen Anwendungen. Das Angebot wächst so stark wie der Markt. Bereits praxiserprobt ist das datenbankgestützte Workflow Tool Betriebsprüfungs-Manager (BP-Manager) von PwC, mit dem Steuerabteilungen BPAnfragen effizient und sicher erfassen, verwalten und kontrollieren können. Ebenso unterstützt es die Kommunikation mit Betriebsprüfern und Beratern. Unternehmen und Finanzverwaltungen nutzen den BP-Manager gleichermaßen, wobei jede Partei einen eigenen geschützten Datenraum hat. Betriebsprüfer können in ihrem Datenraum beispielsweise Anfragen erstellen und sie in einem gemeinsamen Datenraum so freigeben, damit sie der zentrale Ansprechpartner im Unternehmen in Echtzeit empfängt. Dieser wiederum beantwortet sie auf dieselbe Art oder delegiert die Antwort an einen Fachbereich oder Berater. Jede Nachricht ist mit einer Frist und einem Erinnerungsmodus verbunden. Diverse Reports zeigen den Status aller Prüfungsfragen und -antworten an. Mehr Transparenz geht nicht. Der BP-Manager minimiert Prozess und Zinsrisiken, wie etwa zu spät oder falsch beantwortete Prüfungsanfragen und fehlerhafte Schlussfolgerungen. Auch können Nutzer den Status von BP-Anfragen, relevante Geldbeträge sowie unterschiedlichste Steuerarten jederzeit und – zum Beispiel via Tablet-Computer – von jedem Ort der Welt aus abrufen.
Automatisiert kategorisieren
Ein anderes Beispiel ist SWIFT, eine lernende Software für die automatische Kategorisierung von Einzelbuchungen. In vielen Ländern stellt das Steuerrecht höhere Anforderungen an die Buchhaltung als für handelsrechtliche Zwecke erforderlich. Mitarbeiter in Steuerabteilungen verbringen viel Zeit damit, einzelne Sachkonten durchzusehen, um Fehler zu eliminieren oder den Gesamtbetrag nach steuerlichen Kriterien aufzuteilen. Ein Anwendungsfall für SWIFT ist die Kategorisierung von Zugängen im Anlagevermögen, um beispielsweise nicht zu aktivierende Komponenten zu identifizieren oder die Zuordnung zu Anlagenklassen, an denen sich die Nutzungsdauer orientiert, aus steuerlicher Sicht zu klassifizieren. Ein anderer Fall ist die Analyse von steuerlich besonders zu behandelnden Kosten für die Gewerbesteuer, wie beispielsweise Mieten. Eine automatische Analyse kann Kosten in relevanten Konten identifizieren, die keine Miete sind und damit nicht der Hinzurechnung unterliegen. Genauso können Mietaufwendungen identifiziert werden, die auf anderen Sachkonten gebucht sind und sonst nicht entsprechend korrigiert würden. Der Einsatz von automatisierter Klassifizierung spart Zeit in der Steuerabteilung. In Ländern, in denen SWIFT bereits eingesetzt und den Finanzbehörden vorgestellt wurde, verzichteten die Finanzbehörden in der Folge regelmäßig auf Nachfragen oder Überprüfungen der entsprechenden Sachverhalte. All dies spart Zeit auf allen Prüfungsebenen – durch SWIFT etwa deutlich mehr als die Hälfte des bisherigen manuellen Aufwands in Unternehmen und der Finanzverwaltung. Folglich ist auch die Kostenersparnis enorm. Zinsläufe können verbessert oder Erstattungen schneller in Anspruch genommen werden. Der Cashflow wird somit insgesamt deutlich optimiert.
Lohnende neue Erkenntnisse
Ein weiterer Vorteil digitaler Assistenten ist, dass ihre Datenanalysen ganz neue Erkenntnisse bringen können. Hierzu ein Beispiel aus dem Bereich der Fast-Food-Branche. Wenn ein Unternehmen seine Gerichte im Lokal verkauft, muss es dafür 19 Prozent Umsatzsteuer an das Finanzamt abführen. Wenn Kunden das Essen zum Mitnehmen erwerben, sind es nur sieben Prozent. Da der Endpreis für das Essen dabei der gleiche bleibt, hat die Differenz einen direkten Einfluss auf die Marge des Unternehmens. Die Frage, welcher der beiden Steuersätze welchen Umsätzen zuzuordnen ist, war für Restaurantbetreiber und die deutschen Steuerbehörden seit jeher ein aufwendiges Problem, das kaum valide zu lösen war. Diese Problematik ist jetzt Vergangenheit, weil wir mithilfe unserer digitalen Assistenten die täglichen Verkäufe mit Wetterdaten verbinden können. Die Wahrscheinlichkeit, dass Kunden einer Imbisskette ihr Gericht im Restaurant genießen, ist bei schlechtem Wetter eben sehr viel größer als bei schönstem Sonnenschein – und umgekehrt. Die technologische Systematik hat die Betriebsprüfer überzeugt. Durch diesen Ansatz konnte für die Finanzverwaltung und die Unternehmen eine erhöhte und statistisch nachvollziehbare Transparenz der Umsatzaufteilung geschaffen werden. Unterm Strich ging bei deutlich gesenktem Prüfungsaufwand sogar die Steuerbelastung des Unternehmens zurück, weil objektiv nachweisbar der 19-Prozent-Anteil an der Umsatzsteuer sank.
Revisionssichere Kundenlösungen
Bevor neue Technologien solche Ergebnisse liefern können, müssen die digitalen Assistenten aber erst einmal implementiert werden. Der erste Schritt ist immer eine Bestandsaufnahme der Prozesse im entsprechenden Unternehmensbereich. Im zweiten optimieren wir notwendige Prozesse, etwa auch durch Weglassen, und wählen dabei gemeinsam mit den Kunden geeignete Anwendungen zur technologischen Unterstützung der Prozesse aus. Im dritten Schritt unterstützen wir beim Implementieren der angepassten Prozesse und entsprechenden Anwendungen und schulen bei Bedarf auch die beteiligten Abteilungen. PwC und die Fraunhofer-Gesellschaft (als einer der technologischen Partner) sind in der Lage, digitale Lösungen auf der Höhe der aktuellen Entwicklung anzubieten. Dabei geht es vorranging um Prozessoptimierung und die Entwicklung neuer Dienstleistungen mithilfe von jetzt marktfähigen Technologien wie Robotics Process Automation (RPA), neuronalen Netzwerken, Machine Learning und künstlicher Intelligenz. Darüber hinaus können unseren Mandanten binnen kurzer Zeit Software-Prototypen zur Verfügung gestellt werden, die auch mobil, beispielsweise als App, funktionieren. Über die ganze Bandbreite der Digitalisierung entwickeln wir Lösungen für uns selbst und für unsere Mandanten. Die immer höheren Rechenkapazitäten, der zunehmende Wettbewerb um die besten Lösungen und das immer größere Know-how von Anbietern werden dafür sorgen, dass digitale Assistenten immer klüger werden.
Mitarbeiter schulen und mitnehmen
Dabei darf aber das große Ganze nicht aus den Augen verloren werden. Die Unternehmen sollten nicht nur von den Leistungen ihrer digitalen Assistenten profitieren, sondern auch weiter lohnend investieren. Ein Investitionsziel muss die Qualifizierung von Mitarbeitern sein, denen die Automatisierungslösungen repetitive Aufgaben abgenommen haben. Nun können sich die Mitarbeiter anspruchsvolleren Aufgaben, wie etwa der Datenanalyse und Planung, widmen. Das ist keine kurzfristige Anpassung, sondern ein nachhaltiger Wandel, bei dem sämtliche Prozesse und Strukturen auf den Prüfstand gehören.
Ausblick
Die Zukunft der Steuerberatung hat begonnen. Digitale Assistenten werden in der Steuerberatung unverzichtbar, diese Entwicklung ist nicht aufzuhalten. Immer mehr Berater wandeln sich bereits, kreieren auf Basis ihrer neuen Analysekompetenz sogar neue Geschäftsmodelle, beraten Mandanten zu deren eigenen Daten – auch fernab der steuerlichen Grundfragen. Sie nutzen die Chancen, statt sich zu sorgen. Einzelne Tools sind konkret, Strategien und Prozesse klingen hingegen erst einmal abstrakt. Deshalb müssen wir als Berater deutlich machen, dass die Unternehmen die Potenziale der neuen Technologien nur mit einer maßgeschneiderten und abgestimmten IT-Strategie voll ausschöpfen können.
Fotos: Owen Smith / Getty Images
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Wie Digitalisierung und künstliche Intelligenz die Arbeit in den Kanzleien fundamental verändern wird, lesen Sie im DATEV magazin 01/2018, Künstliche Intelligenz – Maschinen werden Partner.