Die Veränderungen in der Arbeitswelt sind nicht zu übersehen. Doch was sind die Trends, wo wird uns der Weg noch hinführen? Udo-Ernst Haner vom Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO erforscht genau diese Veränderungen und gibt einen Ausblick auf eine mögliche Zukunft.
DATEV magazin: Was erforschen Sie im Fraunhofer IAO?
UDO-ERNST HANER: Bei uns geht es um die Arbeitsorganisation und den arbeitenden Menschen mit den unterschiedlichen Dimensionen – egal, ob jemand in der Produktion arbeitet oder Wissensarbeiter ist, und auch unabhängig davon, mit welchen Tools jemand arbeitet. Meine Mitarbeiter und ich beschäftigen uns mit dem Thema, wie wir Wissensarbeiter, also vor allem Menschen, die Bürotätigkeiten ausüben, unterstützen können: sowohl räumlich, aber auch technologisch und organisatorisch. Dies bedeutet, dass wir ganzheitlich arbeitsorganisatorische Lösungen entwickeln.
DATEV magazin: Wie gehen Sie vor, um diese Erkenntnisse zu gewinnen?
UDO-ERNST HANER: Wir führen Studien durch, entwickeln Prototypen, machen klassische wissenschaftliche Experimente, wir testen Dinge, und wir implementieren sie natürlich auch. Wir arbeiten also mit Firmen zusammen, um diese Lösungen auch in die Praxis zu bringen. Daraus lernen wir wiederum, denn wir bekommen Feedback und Bedarfsmeldungen für neue Anforderungen.
DATEV magazin: Welche neue Erkenntnisse haben Sie gewonnen – wo geht der Weg mal hin?
UDO-ERNST HANER: Es gibt mehrere Trends, die hier zusammenkommen. Der Trend der Digitalisierung ist dabei vor allem zu beachten: Wir hinterfragen, welchen Einfluss die Digitalisierung auf den jeweiligen Arbeitsprozess hat, was dies für die einzelne Tätigkeit bedeutet, für die Aufgaben oder sogar für den gesamten Beruf. Wir wollen herausfinden, wie sich die neuen Aufgaben besser realisieren lassen. Eine Erkenntnis daraus ist, dass wir zukünftig mehr Vielfalt erleben werden im Vergleich zu heute. Das heißt, wir werden aufgrund unterschiedlicher Anforderungen unterschiedliche Arbeitsumgebungen und unterschiedliche Arbeitsplätze haben und auch unterschiedliche Technik nutzen. Wenn wir den Mitarbeitern die Möglichkeit geben, selbst zu entscheiden, wie sie ihre Aufgaben am besten erledigen, dann wirkt sich das sehr positiv sowohl auf das Wohlbefinden, die Work-Life-Balance als auch die Motivation und Leistungsfähigkeit aus. Denn der Mitarbeiter wird dadurch in die Lage versetzt, nicht einem starren Prozess zu folgen, sondern situativ zu entscheiden, wie er die Aufgabe erledigt. Wir müssen aber auch davon ausgehen, dass viele Tätigkeiten automatisiert werden.
DATEV magazin: Also hat dies Auswirkungen auf die Arbeitsplätze?
UDO-ERNST HANER: Es werden mit Sicherheit manche Berufe und Arbeitsplätze so nicht weiter existieren. Aber es war schon immer so, dass sich Berufe verändert haben oder ganz verschwunden sind. Allerdings wird es neue Berufsbilder geben. Studien sagen voraus, dass sich im Wesentlichen die weggefallenen mit den neuen Berufen die Waage halten werden. Es ist also zu hoffen, dass durch die Digitalisierung nicht mehr Berufe wegfallen als neue entstehen. Voraussetzung dafür ist, dass neue Prozesse eingeführt, neue Lösungen erarbeitet und auf jeden Fall auch die Mitarbeiter qualifiziert werden, damit sie die neuen Aufgaben auch übernehmen können.
DATEV magazin: Die Vermischung zwischen Beruflichem und Privatem wird vermutlich weiter zunehmen?
UDO-ERNST HANER: Auch da werden wir eine Vielfalt sehen. Wenn ich den Mitarbeiter entscheiden lasse, wann und wo er arbeitet, wenn er flexibel sein kann, wie er seine Ziele erreicht, kann er sich aussuchen, ob er morgens noch mit den Kindern in Ruhe frühstückt, bevor er sie zur Schule bringt und von zu Hause aus arbeitet. Nachmittags könnte er die Kinder von der Schule abholen, mit ihnen etwas unternehmen und am Abend zum Beispiel noch E-Mails beantworten. Es kann natürlich in einer anderen Situation, in der die Anwesenheit des Mitarbeiters notwendig ist, anders aussehen. Es wird also eine Vielfalt an Arbeitszeiteinteilungen geben, immer davon abhängig, welche Bedürfnisse der Mitarbeiter persönlich hat und wie diese in Einklang mit den Arbeitsanforderungen gebracht werden können.
DATEV magazin: Kehrt das Großraumbüro wieder zurück?
UDO-ERNST HANER: Mit dem Begriff Großraumbüro muss man vorsichtig sein. Wenn wir von einem Großraumbüro im eigentlichen Sinne sprechen, reden wir von zig Mitarbeitern auf einer großen Fläche. Wenn wir aber eine offene Struktur haben, in der Teams zusammensitzen können, allerdings weiterhin Räumlichkeiten vorhanden sind, in die man sich zurückziehen kann, dann reden wir von Multi-Space-Offices. Der Trend geht tatsächlich dahin, diese räumliche Vielfalt in Unternehmen anzubieten, damit auf die unterschiedlichen Bedarfe eingegangen werden kann. Aber wie genau dies aussieht, hängt von der Unternehmenskultur ab. Ich kann Ihnen also sagen, dass die klassischen Großraumbüros nicht wieder zurückkehren werden.
DATEV magazin: Denken Sie, dass die Trends in der Arbeitswelt auch auf Kanzleien übertragbar sind?
UDO-ERNST HANER: Natürlich sind auf kleinere Einheiten, wie es Kanzleien meistens sind, nicht alle Konzepte übertragbar. Aber auch in Kanzleien können einige angewandt werden. Es gibt dabei keine Pauschallösung, sondern man muss immer die Gegebenheiten und Bedürfnisse der Kanzlei anschauen und dementsprechend gestalten. Ist zum Beispiel der Kanzleichef so gut wie nie anwesend, braucht er dann wirklich das große Eckraumbüro? Vielleicht gibt es Mitarbeiter, die den Platz für konzentriertes Arbeiten als Rückzugsmöglichkeit nutzen können. Dann könnte man die Arbeitsplätze umgestalten. Aber dies ist von Kanzlei zu Kanzlei verschieden und muss immer im Einzelfall betrachtet werden, sowohl die räumliche als auch die technische Struktur und auch die Organisation, um eine gute Lösung entwickeln zu können.
DATEV magazin: Arbeitsplatz der Zukunft – wie wird dieser denn aussehen?
UDO-ERNST HANER: Es gibt nicht den einen Arbeitsplatz der Zukunft, sondern wir werden Vielfalt sehen, abhängig von den Tätigkeiten. Manchmal brauche ich vielleicht einfach nur einen Laptop, um ein paar E-Mails zu beantworten, dazu brauche ich keinen klassischen Arbeitsplatz, das kann ich auch vom Sofa aus machen, wenn ich es möchte. Aber es wird dann wiederum Aufgaben geben, bei denen ich einen Schreibtisch benötige. Vielleicht reichen mir für meine Arbeit nicht immer ein oder zwei Bildschirme, dann benötige ich einen sogenannten Extended Workplace, mit dem ich ganz andere Visualisierungsmöglichkeiten habe. Das heißt, es wird eine große technische Bandbreite geben, abhängig von der jeweiligen Aufgabe. Der autonome Mitarbeiter wird dann entscheiden, wie und wo er seine Arbeitsziele am besten erreicht und für die jeweilige Tätigkeit das jeweils Passende auswählen. Diese Vielfalt werden wir in Zukunft erleben.
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Foto: Ezra Bailey / Getty Images